Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
der St. Paudeeer Anzeiger sund das mit dem Hauptblatte verbandene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstagt⸗, Donnerstagt- and Sonnta 
uummer erscheint wochentlich viermal: Dinstaag, Donnerstag, Samstag nad Sonntag. Abonnementspreis vierteliährig 42 Krir. oder 
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M 24. Samstag, den 5. 1875 
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Deutsches Reich. 
München, 4. Febr. Der gestrige Hofball nahm einen 
glänzenden Verlauf. Der Konig unterhielt sich mit den Gesandten, 
Jamentlich mit dem pästlichen Nuntius, und den Ministern auf's 
Freundlichst e:“ Es wurden ihm der öͤsterr. General Schönfeld und 
der preuzischhe Attache Graf Bismarck vorgestellt. 13 
München, 9. Febr. S. M. der Koͤnig hat in Abände⸗ 
rung der bisherigen Bestimmungen, den Acceß bei den königlichen 
Kreisregierungen, K. d. J., betreffend, allerhöchst beslimmt, daß 
Rechtskanditaten, welche in der praktischen Konkursprüfung die V. 
Note erhalten haben, um die Verleihung des Regierungsaccesses 
sich bewerben lönnen. wenn sie wenigstens 9 Monate lang nach 
sener Prüfung, darunter mindestens 6 Monate im Verwaltungs⸗ 
dienste, in Amtspraxis gestanden und in dieseser mindestens die 
II. Note erhalten haben. 
München, 10. Febr. Der König war wegen Unwohl 
seins verhindert, sih altem Herkommen gemäß in der Allerheiligen 
Hofkirche von der Geistlichkeit einüschern zu lassen. 
(Ir. K5.. 
Mänchen, 10. Febr. Der vom preuß. Gesandten Frhr 
don Werthern gestern gegebene äußerst glänzende Ball schloß die 
Tarnevals⸗- Vergnügungen in den höheren aristokratischen Keeisen 
Es waren hiezu ca. 400 Einladungen ergangen und von Mit 
gliedern des k» Hauses die Prinzen Ludwig, Leopold und Arnulf 
sowie die Prinzessin Therese erschienen. Außerdern waren die k 
Minister, das diplomat sche Corps (der päpstl. Nuntius ausgenom⸗ 
men) und viele hochgestellte Persoͤnlichkleiten anwesend. 
Das Programm der von Seiten des Reichs zu veranstalten⸗ 
den Enquete über die gewerblichen Verhältnisse setzt sich aus 29 
Fragen zusammen. Diese zerfallen in 3 Abschnitte, Lehrlings⸗ 
Besellen ⸗ und Fabrikarbeiterverhältnisse, und diese 3 Adschnitte in 
jerschiedene Gruppen. Der letzteren sind es im ersten Abschnitt 
3 mit 14 Fragen. Es handelt sich um den sschriftlichen oder 
mündlichen Abschluß des Lehrlingsvertrages, über Kündigungsfrist 
Reugeld, Arbeitszeit, Beschäftigung der Lehrlinge in arbeilsfreien 
Stunden, Besuch der Fortbildungsanstalten, Heranziehung der 
Lehrlinge zu häuslichen Dienstverrichtungen, Lehrgeid, Dauer der 
Lehrzeit, Uebergang in den Gesellenftand, Lehrlingszeugniß, eigen⸗ 
naͤchtigen Austritt aus der Lehre und Mittel dagegen, Grenzt 
wijchen Lehrlings⸗ und Gesellenstand, endlich um etwaige Vorsorg⸗ 
für die jüngeren Alterstlassen der Lehrlinge. Ter Abschnitt 
Gesellenverhältnisse“ umfaßt 5 Gruppen und 8 Fragen, dieselben 
hetreffen die Kündigungefrist, die Lohnangelegenheit, die Beziehungen 
der Gesellen zu den Innungen, eventuelle Mittel gegen den eigen 
mächtigen Austritt der Gesellen aus der Arbeit. Der dritte Ab⸗ 
shnitt, Fabrikarbeiterverhältnifser zerfällt in 4 Gruppen und 7 
Fragen. Auqc hier handelt es sich um Kündigungsfrist, Ausloo 
ung, Feststellung von Fabrikordnungen, einmächt igen Austritt der 
Arbeiter und die Entschädigungsfrage, 
Dem Pariser Correspondenten der Times ist ein hübscher Lapfus 
assirt. Der „K. Z.“ war aus Hessen derichtet worden, daß die 
an öͤffentlichen Schulen angestellten englischen Fräuleins allmählich 
durch wellliche Lehrerinnen ersetzt werden sollen und daß 17 dersel. 
hen bereits ihre Kündigung erhalten hätten. Der Times ⸗Corre 
pondent hielt diese englischen Fraͤulein für „Fräulein aus England“ 
tatt für „Engelsfräulein“, wie der Titel besagen will und des 
andern Morgens las John Bull mit patriotischer Entrüstung von 
det grausamen Verfolgung, der die Töchter Albions im Hessenland 
ausgesetzt seien. Die Kölnerin klärt nun den Jirthum auf und 
der Vorfall wird hoffentlich nicht zu einem Casus belli werden. 
Frankreich. 
Paris, 9. Febr. Bei Plon erschien hier ein Buch über 
‚die Ereignisse von 1870 und die Lage Frankreichs und Europas 
jeit dieser Zeit.“ Dieses Buch führt den Titel: „Passe ei 
pregente und ist Memor“ unlerschrieben: es ist ausschließlich 
gegen Bismarck gerichtet, den es beschuldigt, den Krieg gegen 
Desterreich und Frankreich seiner Zeit langst vorbereitet zu haben, 
and weder vor revolutionären Mitteln, noch vor Anerbietungen, 
deutsches Land abzutreten, zurückgeschreci zu sein; mit einem Worte, 
der pfeudonyme Verfasser (Bonapartist) bringt die albernen Be— 
schuldigungen wieder vor, welche General Lamarmora bereits zum 
»esten gegeben hat. Die religiöse Lage der Dinge in Deutschland 
nalt er mit den schwärzesten Farben, nenat die Presse in Deutsch⸗ 
'and und Oesterreich eine verkaufte und die in Frankreich eine 
unkluge; er verlangt, daß letztere gemaßregelt werde, da sie 1870 
dem Erfolg der französischen Waffen geschadet habe und heute die 
ziplomatischen Veziehungen Frankreichs in Gefahr bringe. Memor 
st natürlich gegen die September ⸗Revol ution, und klagt 
zugleich Bismarck an, der Bundesgenosse der Commune gewesen 
zu sein, um den Kr'ieg wieder anzufangen. Das Mittel, um 
Frankreich wieder auf die Beine zu bringen, besteht Memor zufolge⸗ 
darin, geduldig und klug zu sein und die französischen Streitkräfte 
wieder herzustellen. 
Spanien. 
Burgos, 10. Febr. König Alphons ist hier eingetroffen. 
Der tönigliche Zug wurde zwischen Mitanda und Haro von Car⸗ 
listen beschossen An der Bahn stehende dnigliche Truppen erwi- 
derten das Feuer, das die Carlisten dann einstellten. Mehrere 
Wagen wurden durchlöchert, aber Niemand verwundet. 
Burgos, 11. Febr. Ein Eisenbahnzug mit einer De— 
putation aus Logiono wurde an derselben Stelle von den Carlisten 
beschoffen, wo auf den köntglichen Zug gefeuert worden war. 
Wegen des heftigen Feuers mußte der Zug zurüdgehen und in 
einem Tunnel Zuflucht suchen. Erst unter dem Schutze einer Be⸗ 
deckungsmannschaft von 6 Compaanieen konnte die Fahrt fortgeletzt 
werden. 
Oesterreich. 
Nach einem Artikel der „Frankfurier Zeinung“ aus Wien, 8. 
Februar wird wahrscheinlich das Gesammtministerium in Folge des 
Prozesses Ofenheim seine Entlassung einreichen. Minister Banhans 
sei in der Gunst ded Kuisers rasch gefunken. Fürst Auersperg und 
Minister Unger hatten einen so heftigen Disput, daß Unger ganz 
jeißer wurde und seit mehreren Tagen krank ist. 
Italien. 
Die Roͤmischen Zeitungen beschäftigen fich mit den Plänen 
Baribaldi's, den Tiberfirom zu canalisiren und Roͤmische Cam— 
oagna besser zu cultiviren und gesund zu machen. Zu diesem 
Zwecke schlagt der General dor, einen 30,000 Meter langen und 
150 Meter breiten Canal zu graben, welcher 10 Meter tiefer wird 
als die Meeresobetfläche und die Tiber oberhalb Roms von der 
Stadt ab⸗ und in der Gegend von Ostia ins Meer himneinleitet. 
Da der Grund des Canals tiefer wird als die Meeresfläche, so 
wird (sagen die Zeitungen) das Meerwasser in den Tibercanal 
eintreten; dieser wird, wie die Themse, schiffbar und Rom ein 
Seehafen wie London. Die Luft der Ssadi Rom wird dadurth 
don den schlechten Ausdünstungen befreit, die Fieber hören auf, die 
Campagna wird mit Baumen bepflanzt und, wie in den Zeiten 
der alten Römischen Republik, wieder mit Städten und Doͤrfern 
esäet. Die Kosten des Riesenwerkes, das des Rom der größten 
raiserzeit würdig wäre, würden sich auf 100 bia 120 Minonen 
Francs belaufen, welche dutch die Privatspeculation auf gebracht 
werden muͤßten, wogegen die Italienische Retgierung wenigstens 8 
pCt. Zinsen garantirte. die durch die Schiffs) oͤlle und den erhöhten 
Ertrao der Campagna ae bdedt würd⸗n 
ermisoues. 
Kaiferslautern. Die von der „Pf. Post“ ge— 
brachte Nachricht, daß in allen hiesigen Fabtiken mi 21. Febr. 
eine Lohnherabsetzung um 20 Procent eintreten werde, war, wie 
sie selbst jetzt sagt, in dieser Fassung nicht richtig; vielmehr wird, 
nach der „Kaisers!, Ztg.“, nur in einzelnen, nicht in allen Fabri— 
len eine mäßige, aͤber nicht 20 Procent beiragende Lohnherabse⸗ 
tzzung stattfinden.