Full text: St. Ingberter Anzeiger

bon 11339 Mann sich auf 7811 Mann vermindert hil. Die 
Auswanderung in Folge der Option hat natürlich das Meiste zu 
der Verminderung der Bevölkerungszahl beigetragen, dann aber ist 
auch die Militäraushebung in Betracht zu ziehen, in Felge deren 
im vorigen December etwa 5000 junge Leute aus Elsaß-Vothringen 
außerhalb des Reichslandes in Garnison standen. 
F Heidelberg, 22. Febr. Das Hochwasser der letzten Woche 
hatZin dem oderhalb Ziegelhausen gelegenen Dörfchen Petersthal 
ine recht traurige Katastrophe im Gefolae gehabt. Die von allen 
Seiten herabstroͤmenden Regenfluthen führten einen Erdrutsch herbei, 
durch welchen die Wand eines an den Berg gebauten Häuschens 
eingedrükt und ein Ehepaar sammt einem zweijährigen Kinde unter 
Schutt und Schlamm begraben wurden. In einem Nebenzimmer 
befanden sich noch drei Kinder, welche verschont blieben. 
FꝛFrankfürt, 21. Febt. Ein Gärtaer in Obeirad hatte 
für einen Frankfurter mit 12,000 fl. gutgesagt; der Schuldnec 
ließ aber die Bürgschaft verfallen, wodurch der Bürgt in die Lage 
Jebracht wurde, seine Immobilien und Mobilien subhastirt zu 
sehen. Da rafften sih Männer in Oberrad auf und erklärten es 
als Pflicht, für den seither hochgeehrten Milbürger einzutreten. 
Der Tag der Auction kam. Die Versteigerung ging vor sich, und 
)er Bedrängte war am Schlusse derselben in der glücklichen Lage, 
zaß die 12,000 fl., wofür er gutgesagt, nicht aaein gedeckt waren, 
ondern ihm noch 5000 fl. mehr eingehändigt werden konnten, und 
zaß ihm seine beslen Grundstücke blieben. (Fr. J.) 
7 Köln, 22. Febr. Der Rhein ist zur Zeit ein stattlicher 
furchtbar schöner Strom, wie er es seit 1845 nur zweimal gewe 
en, in den 50er Jahren und im Winter von 1861 auf 62, wo 
der Wasserstand uut 16 Zoll höder war. Ober⸗ und unterhalb 
Deutz hat er sich über feine Ufer geschwangen, weithin die Saat— 
felder zu verwüsten, auch die Mühlheimer Haide steht unter Was- 
ser. Das Wasser stieg gestern den ganzen Tag über und occeupirte 
ine Straße nach der anderen an der Rheinseite. Am Nachmittag 
srat der Rhein auch über das Werft zwischen Traakgasse und 
Thürmchen und strönte durch das hochgelegene Trankgassenthor in 
die Stadt. 
F Leipzig, 22. Febr. Ueber den beule Nachmittag erfolgten 
dölligen Einsturz der Elbebrücke bei Riefa bringt das „Tageblatt“ 
folgende genauere Mitthe'lungen: Der auf der rechten Seite be⸗ 
findliche Brückenpfeiler hatte sich noch mehr gesenkt, um halb 5 
Uhr ftürzte die stromabwärts gelegene Eisenbahndrücke mit furcht⸗ 
zarem Getoͤse ein. 15 Minufea später bog sich die noch erhaltene 
Brücke (die mittlere) mit starkem Geräusch nach der Seite und 
jängt jetzt in schiefer Lage auf den beiden Pfeilern, welche das 
Janze Eisengerüst trugen. Von den beidea Hauptpfellern, welche 
hisher das Eisengerüst geiragen haben, sind nur noch Stümpfe 
yorhanden. 
— Der Eisgang und die Hochfluth haben den auf Beton 
zegründeten Theil des Landpfeilers der Risaer Elbbrücke unter⸗ 
vaschen und denselben so stark beschädigt, daß der große Brücken⸗ 
bogen (ca. 95 Mieter) der Fahrbrücke m't Fußsteig in die Eibe 
gestürzt ist und auch die beiden Eisenbahnglessbrücken gefährdet 
find. Der Verkehr über Resa von und nach Dresden hat deßhalb 
eingestellt werden müssen und wird nun über Döbeln geführt. 
Es läßt sihh zur Zeit wegen der Hochfluth nicht best'mien, ob der 
auf Pfahlrost gegründete Rest des beschädigten Pfeilers aushält 
und dadurch die beiden oder vielleicht wenigstens ein Geleis er⸗ 
halten wicd. Von einem Specialberi pterstatter des „Leipziger 
Tagblattes,“ welcher ain Sonntag Mittog nach der Unglücksstätte 
reiste, erhielt dasselbe auf telegrapheschem Wege folgende Einzel⸗ 
heiten: „Die Riesaer Elbeifendahynbrucke dietet einen trühseligen 
Anblick; der dritte Pseiler vom linsen U'er ist zum großen Theil 
eingestürzt und dadurch derjenige Theil der Eisengitterbrücke, welcher 
dem Fuß⸗ und Wagenverkehr diente, auf 96 Meier Ausdehnung 
in den Strom hinabgenürzt. Die mächtigen Eisentheile ragen zum 
Theil aus dem Wasser heraus, dazwischen hat sich das Eis festge⸗ 
seßt, welches stark gegen den Rest des Pfelers drückt, so daß man 
dessen völligen Einsturz befürchtet. In diesem Falle würde auch 
die Eisenbahngitterbrücke selbst sehr gefährdet sein. Im gegen- 
wärtigen Augeablicke läßt sich nichts zum Schutze thun, die Wasser⸗ 
nassen sind zu gewaltig. Der Rezierungscommissar ist hier an⸗ 
wefend, soll aber ertlärt haben, daß das Fallen des Wassers ab⸗ 
gewartet werden muß, ehe ein Ausspcuch über die eiw nige Ab⸗ 
fragung der Brücke geschehen kann. Die Katastrophe erfolgte am 
Sonnabend Abend in der 9. Stunde, wo gerade starker Fuß— 
—D 
noch nicht sagen, ob Menfchenderluite zu beklagen sind. Der 
Verkehr über die Brücke ist vollstäudig geiperrt und wird auch 
jobald nicht wieder aufgenommen werden können. Heer sind Tau—⸗ 
sende von Merschen anwesend, welche das Schaufspiel betrachten. 
Der beschäd gie Pfeiler bröck lt bei Absendung der Depesche weiter.“ 
Die neueste Nachricht aus Dresden von 21. Febr. lautet: „Der 
Wasserstand der Eibe hat in der vergangenen Nacht eine Höhe 
jvon 484 Centimeter über Null erreicht, beträgt abec jetzt nur noch 
168 Centimeter. Auch von der Oberelbe wird ein langsames 
fallen des Wassers gemeldet. Zn der Stadt stehen nur die Zwin⸗ 
neranlagen noch unter Wasser, die Niederungen der Umgebung 
ind stark überschwenmt. Der Zustand der Eisenbahnbrücke in 
stiesa ist unverändert. Von der aus drei Theilen bestehenden 
Zrücke ist der linksseitige Strompfeiler eingestürzt, welche die Fahr⸗ 
»ahn für Fuhrwert und den Weg für Fußgänger enthiell, die 
zahngeleise stehen noch. Der Einsturz erfolgie wenige Minuten 
päter, aachdem der Berliner Zug die Brücke passirt hatte. Es 
vird ein Nachsturz der Bahngeleise befürchtet.“ 
fOsnabeück, 17. Febr. (Das Sqheiderlein in der Hoͤlle.) 
Unser Schneibderlein war ein arger Trunkenbold, den schon oft mit- 
eidige Seelen aus tiefem Schlafe auf offener Straße erwecten, 
venn der Fuselgeist die Herrschaft in seinem Oberstübchen an sich 
jerissen. Kürzlich fauden ihn nun Leuteh, die von Fürstenau nach 
Ibbenbüren fuhren, um Kohlen zu holen, auf haldem Wege an 
der Straße liegen, und luden den wieder schwer Berauschten auf 
hren Wagen, damit er nicht der Kälte zum Opfer falle. Am 
dobdlenberawerk in Isbenbüren angelangt, übergaben sie den noch 
mmer Schnarch nden den Beragleuten zur weiteren Fürsorge, die 
em Truakenbold eine derbe Lection zu geben gedachten und ihn 
zu dem Zweck in den danklen Schacht schafften, wo er erst nach 
geraumer Zeit seinen Capitalrausch ausgeschlafen hatte und mit 
inem kolossalen Kater erwachte. Rings um ihn herrsche finstere 
scacht, dumpf und gespenstisch tönten die gleichmäßigen Schläge der 
irbeitenden Bergleute an sein Ohr, und schaudernd tasteten seine 
)unde an den naßkalten Wänden hderum. Auf seine Rufe eilten 
ie schwarzen Gesellen herbei, von ihren Grubenlichtern phantast sch 
eleuchtet, und gruppirten sich fiaster blickend un den tödtlich er⸗ 
chrockenen Schneider, dem plötzlich seine ganze Verdorbenheit vor 
zie angsterfüllte Seele irat, um dessen erre des Hirn blßschnell der 
Bedanke ergriff, daß er der Hölle verfallen. Zu Füßen stürzte er 
—X 
vorhielt und ihm die Truukenheit als Grund seiner Verdammniß 
nn grelleu Farben schilderte. Der Schneidet flehte um Gnade, die 
him endlich gewährt wurde, nachdem er feierlch geschworen, nie 
vieder einen Tropfen Braumtwein üder seine Lippen zu bringen. 
Dit, verdundenen Augen geleitete man ihn darauf an die Oderwelt, 
ührte ihn eine Sitrecke weit vom Schachte und gestattete ihm da— 
auf, nachdem Alle sich entfernt, die Binde vom Auge zu lösen. 
Da sah er sich plötzlich in bekannter Gegend. ohne zu wifsen, wie 
ex dort hingekommen, und fest überzeugt, daß der Weg in die Un— 
erwelt bei Ibbenbüren zu suchen sei, ging er nach Hause. Wird 
r seinen Schwur haltlen? — Er hat die Geschichte übrigens wohl⸗ 
ve slich verschviegen, aber die Schalke von Bergleuten gaben sie 
uum Besten, und uunser Schneiderlein wird nun rüchtig mit seiner 
döllenfahrt gefoppt. Wer übcigens an der Wahrheit meiner Er— 
ählung zweifelt, der gehe nach Ibbenbüren und erkundige sich 
elbst. Iedes Kind werd ihm daselbst die Höllenfahrt des Meister 
x. erzählen. 
F Berhin. Die hiesige S'ittenpolizei hat gegenwärtig zu 
iberwachen: 79 Ball otale, 40 Café chantants und 300 Schank⸗ 
fätten. Vier Wagen sind Tag und Naqht ununterbrohen in 
Lhätigkeit, um die daselbst Festgenommeuen von den einzelnen 
zolizeirepseren nach dem Molkenmarkt zu vefbroern. 
F Berlin. Die Geundtaxe von 20 Pfg. für jedes Tele⸗ 
zramm und die Worttaxe von 5 Pi. für jedes Wort, welche am 
. Maärz für das ganze Reichs-Telegraphen-Gebet in Wirksamkeit 
ritt, gilt auh für din Verkehr mit Bayera. Württenberg und 
duxemnburg. 
r. Ern krauriges Wiedersehen des Vaters erleble am vorigen 
Freitaz ein junges Mädchen auf dem Kirchhof der St. Pauli Ge⸗ 
neinde in der Nähe des Plötzensees bei Berlin. Seit Dienstag 
origer Woche war der Maler W., der srit dem kürzlich erfolgten 
Tode seines 5 Jahre alten Sohnes eine große Niedergeschlagenheit 
zezeigt und öfter dessen Grab auf dem oben erwähnten Kirchhof 
esucht hatte, spurlos verschwanden. Alle Nachforschungen der dee 
rübten Familie war erfolglos, bis endlich seine ästeste Tochter auf 
den Kirchhof sih degab, um bei dem In'pector desselben zu fragen, 
b der Vater vielleicht in den letzien Tagen dart gewesen sei. 
Derselbe erinnette sihh, ihn gesehen zu haben, und ging mit dem 
unger Mädchen an den Grabhügel des Bruders. Hier lag der 
Zermißte todt über dem Grabe. Die Leiche war von Frost er⸗ 
tdarrt. das Gesicht wer der Ecde zuzedehrt und beide Hände vor 
zas Gesichtt gehalten. In der Nähe des Grabhügels stand eine 
Brandweruflasche, mit deren Inhalt wahrs heinlich der Unglückliche 
ich deiäubt und dann den Tod durch Erfrieren gefunden hat. 
fBerlhin. Ein Triumpf der Kunst. Die „Volks⸗gtg.“ erzäbl fol⸗ 
jende gewüthliche Historie: In einen bdenachbarten Dorfe soll 
zie Tochter eines Grundbesitzers Hochzeit mahen. Der Vater dee 
Braut wollte den Nachvacn je gen, daß er ein teicher Mann sei, 
ind so wurde zum Brautkieide der schwerste und theuerste Stoff