Ht. Ingberler Anzeiger.
Der Et. Ingberter Auzeiger und das (d mal wbchentlich) mit dem Daupiblatte verbundent Unterhallungsblatt, Sonntags mil illustrirter Vei
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48400.— 9— Samstag. den 11. März
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1876.
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Deutsches Reich.
Mäünchen, 8. März. Nadbem nun Herr Aßg. Joͤrg wirk
sich eiren Wahlgeseß niwurf und gleichzeitig einen zweiten Gesetz⸗
uwurf bezüglich der Wehllreiseintheilung an die Kunmer ge⸗
dracht hat, dürste die Bemerkung nicht ubeiflüssig sein, daß man
Reses Vorgehen selbst in llerilalen Kreisen hier nicht allgemein
illigt, denn, sagt man, damit wird in der Kammer wieder viel,
ehr diel Mühe und Zeit beansprucht, ohne daß es irgend einen
tisolg haben wird. Meint doch seibst die „Donau⸗Zeitung“ in
hrer neuesten Nummer, „die Patrioten sollen das Wahlgesetz gehen
aͤssen, es wäre dies die unfruchtbarste Arbeit, die es geben XX
Schon die sormelle Behardlung der Jörg'schen Gesezentwürtfe wird
andere Zeit erfordern, da dieseiben nach den Bestimmungen des
Inniativgesetzes vom 4. Juni 1868 zu erfelgen hat. Darnach ist
er Antrag vorerst einer voriãufigen Verdaudlung zu unterwerfen
ind erst wenn hiebei die Hälfte der anwesenden Kammermitglieder
ven Antrag unterstützt, dann derselbe zur weiteren Berathung ge⸗
angen. In diesem Fall ist der beireffende Busschuß auf die
doppelte Zahl seiner Mitglicder zu verstärken. In der Kammer
et dann nach der Berichterstattung des Ausschusses in Zwischen⸗
umen von wenigstens 8 Tagen eine dreimalige Betathung und
Beschlußfassung in Gegenwart von 20 der bei der Versammlung
mwesenden Mitglieder in jeder Kammer statuznfinden und ist eine
Mehrheit von Ne der Stimmen erforderlich. Der Kammer bleibt
Aa' Recht vorbehalten, ihre definitive Eutschliezung über die also
zefaßzten Gesammtbeschlüsse beider Kammern auf ein Jahr zu ver⸗
agen, um inzwischen die noch nothwendig erscheinenden Ethebungen
und Vornehmuncen pflegen zu lassen. — Vom Abg. Hauck, dem
Referenlen über die Beaustandung der Münchener Landtagtßwahlen
p rd, wie wir vernehmen, so vielfach Erhebung über daß Wahl-
zecht vieler Urwähler für eiforderlich erachtet, daß, wenn derselben
enisprochen werden soll, es zweifelhaft erscheiut, ob die Wahlrella⸗
nation noch während des dermaligen Landtags in der Kammer
ur Berathung wird gelangen; bevor dies gescheben, lboͤnnen nach
em auf Anirag des Abg. Horn von der Kammer gefaßten Be⸗
chlüsse die onderweitigen Wahlreklamationen noch nicht zur Be⸗
rathung gelangen. Correferent Uber die Münchener Wahlen ist
dr. Abg. Sing von der lieberalen Partei. (F. K.)
Berlin s8. Marz. Die „Prodin.Corresp.“ schreibt: Der
Zaiser gedenkt die 100jährige Beburtsfeier der Königin Luise im
Zreise der kdniglichen Familie und der zur Feier eingetroffenen
ürftlichen Anverwandten in aller Stille zu begehen; Vormittags
Jalb i2 Ute wird im Mausoleum zu Charlotienburg Festgottes⸗
ienst mit Predigt des Hofbredigers Köͤgel stattfinden, dem die
Majeftaten mit der köniolichen Familie und den furstlichen Gästen
eiwohnen werden; Nachmingags ist bei den Majestäten Familien⸗
asel.
Berhin, 8. Maärz. Die Vorlage im Abgeordnetenhaufe
vegen der Reichsbahnen wird, wie man der „K. 8.“ von hier
chreibt, in nicht serner Zeit, jedenfalls noch vor Osiern, erwartet.
Die Richtung wird immer thatsächlich dahin gehen, daß die Er⸗
nächtigung zu Verhandlungen mit dem Reiche nachcelucht wird.
Denn die Kammern können ibre spätere definitive Zustinmmung nur
exrtheilen, wenn ihnen die Bedingungen des Verkaufes mitgetheilt
veiden. Dies seht aber der Natur der Sache nach vorgaͤngige
Verhandlungen mit den verschiedenen Regierungen voraus So
veit es sich um Boden handelt, wird die allerdings zurüdhaltende
Erklärung des badischen Ministers in der Kammer nicht un günstig
wufgefaßt. Die badische Regierung muß!e die Stimmung ihres
Zandes bead ier, die in der Frage einiger Maßen gethelt sein soll.
Aber Baden hatte schon einmal früher, irre ich nicht, den Verkauf
einer Bahnen an eine Privatgeellschaft ins Auge gefaßt, was da⸗
nals aus verschiedenen Gründen nicht zu Stande lam. Es würde
ich in Kaelsruhe vielleicht hauptsächlich um die Bedingungen han⸗
»ein. Ju Uebrigen bedarf es nicht der Wiederholung, daß jetzt
ußerpreußische Bahnen gar nicht in Frage kommen. Was die
Vorlage in unsern Kammern angeht, so soll nach allem, was man
vört. der Uebergang auf das Reich nicht nur der preußischen
Staatabahnen, so wie der Hoheits- und Heimfallsrechte des Staa⸗
es auf Privaibahnen, sondern auch des Betriebes einiger Prival⸗
zahnen, der jetzt in den Händen des Staates ist, beabsichtigt sein.
Berlhin 8. Maärz. Der Kaiser hat heute die Fabrikanten
Schlumberger und Köochlin aus dem Elfaß in desonderer Audienz
mpfungen.
Austkand. —
Paris, 8. März. Viele flüchtige Carlisten kehren in Folge
der Amneftlie nach Spanien zurück. i
Die „Republique Francaise“ stellt ein'ge recht interessante Be⸗
rachtungen über die Vertreiung der Armee in der neuen Kammet
—A
Bersammlung auch bezüüglich der Wahlbarkeit der Generale und
Iffiziere Bestimmungen getroffen, welche zu der Anomalie führten,
zaß im Senate meist altive Offiziere, in der Deputirtenkammer da⸗
egen ausichließl'ch pensionirte oder ehemalige Offiziere sich befinden.
Im Senate figen Oifiziere oder ehemalige Offiziere wie Changar⸗
nier, Aurelles de Paladines, Chanzi, Canrobert, Pelissier, Robert
dadmirault ꝛc. In der Deputirtenlammer, welche doch die wich⸗
igen Heeres⸗Organisations Geseze auszuarbeiten hat, ist die Armee
rur durch sieben Offiziere des Ruhestandet vertreten, nämlich Lauf⸗
edat, Chanal, Laisant, Denfert⸗Rocherau, Aclocque, Reille und
Allard. Die Republique Francaise benlitzt übrigens auch die Ge⸗
egtaheit, um den neuen Vertretungen die Nothwendigleit darzu-
egen, die noch fehlende Reorganisutionsarbeit in einem der gegen⸗
wärtigen Staattform Frankteichs entsprechenden Geiste zu vollenden.
—VSondon, 6. März. (Don Carlos Empfang.) Don Carlos
veilt seit vorgestern Abend in London, aber sein Empfang wixd
hm nicht viel Freude bereitel haden. In Falkenstone, wo ex an
gord des Dampfbootes „Alexander“ nach einer stürmischen Ueber⸗
ahrt kurz nach vier Uhr Nachmitiags ankam, war uufälligerweise
aff die gesammte Bevdlkerung auf den Beinen, um die zur Ein⸗
veihung der neuen Canalssation eingeladene Munizipalitat von
Boulo ne zu dewillkommen. „Alle die anderen Passogiere“, schreibt
in eaglischer Augenzeuge der Landung, „hatten das Schiff verlassen,
als der Prinz die Kajuͤte verließ, in welcher er bald nach der Ab⸗
ahrt von Boulogne eine Zuflucht gesucht hane, und die zu det
trücke führende fast perpendikuiare Leiter dinaufstieg. . Don Car-
os war in Civillleidung; die einzig bemerkensswerthen Theile seiner
Lracht bildesen ein wit Pelzwerk beseßter Ueberzieher und seine
sohen Reiterstiefeln. Als Kopfbededung trug er einen Tyrolerhut
mus schwarzem Filz. Die einigen zwei Brilischen Gesichter, welche
ch unter der Umgebung des Prinzen bemerlte, waren das deß
Varlamentsmitgliedes O'Clery und das eines Priesters. Nach der
dandung begab sich Don Carlos raschen Schrittes den Pier ent-
ang nuch dem Bahnhofe, wo der gewöhnliche Passagierzug wartete.
ind wo sich vielleicht 1600 bis 2000 Menschen angsammelt
Jaiten. Jetzi eceignete sich eine ungewöhnliche Stene. Die Mit⸗
jlieder der Folkestoner Odd Fellow's, Foresters, Ancient Druids
urd anderer Wohlttätigl.its vereine, Bannet und bunte Schörpen
ragend, halten sich auf dem Perron dem sür Don Carlos und
ein Gefolge dem Zuge angebängten Salonwagen gegenüber aufgestellt,
mnd als fie des Prätendenten ansichtig wurden, fingen sie an zu
ischen und andett Zeichen des Mißfallens von fich zu geben. Drei
Poligisten posterten sich in anmittelbarer Nahe des Salonwagens,
n welchem Don Car!os Platz genommen hatte; aber ihre An⸗
vesenheit· ibte keinerlei Wirtung auf die lärmende Menge aus.
Hatte ein 'organisirter Plan, den Prinzen zu insultiren, exiftirt, so
nnie die Demonstration gegen ihn nicht erfolgreicher gewesen fein.
Anter erneuertem Zischen und Hrulen derließ der Zug den Bahn⸗
hof eon route nach Lond en. In Charing Croß erwarteten medrere
jundert Personen die Ankunft des Zuges, und als Don Carlos
usstieg und nach dee für ihn bereit gehaltenen Cquipage geleitet
vurde, warden hier und da einige Hurrahs laut. Der groͤßert