Full text: St. Ingberter Anzeiger

ie bei Freunden und Bekannten, ja sogar der eigenen Dienerscheft 
rufnöhmen. Die 500 neuen Krupp'schen Kanonen körnnten nicht 
gebraucht werdey, da kein Geld zur Anschaffung von Munition 
horhanden sei. Die Btamten und das Militär hätten feit Monaten 
zeinen Gehalt empfangen. Angesichts solcher Mißstände ist es er⸗ 
llärlich, daß die Großmachte sich mit dem Plane beschäftigen, Ord⸗ 
nung in die ottomanischen Finanzen zu bringen, da sonst der 
Zusammenbruch des Reiches zu befürchten ist. Rußland und Oester⸗ 
ceich⸗ Ungarn, welche schon so vel für die Türkei gethan daben, 
sönnten ihr auch noch diesen Dienst erw.isen, umsomehr, als ohne 
Renselben alle früheren Bemühungen nutzlos gewesen sein würden. 
Vermishtes. — 
4 Die „N. Z3“ meldet aus Neustadt, 28. Marz: Gestern 
wurde ein Bahnbediensteter dingfest gemacht, der allem Anschein 
nach seit Jahren mittelst e'nes falschen Schlüssels in die Vorraths⸗ 
ammer der Bahnhofr stauration eingeschlichen war und sich da 
Annexionen manchfachster Art erlaubt hatte. Die so gestohlenen 
Waaren wurden zum Theil von einem Complicen in Mußbach 
antergebracht. 
7 Uus der Pfalz. Einer von dem Nurnb. Corr. gebrachten 
Nufzählung und Beschreibung der Kriegerdenkmäler im Bezirke des 
2. igl. beher. Armeecorpe entnehmen wir, daß die Gesammtzahl 
der Denkmäler mit Einschluß desjenigen des 5. Jaͤgerbataillons 
dei Sedan 42 beträgt. Hievon kommen auf die Pfalz 11 und 
war: in Speyer, Bergzabern, Edenkoben, Homburg, Si. Ingbert, 
Landau, Ludwigühafen, Neupfotz, Neustadt a. d. H., Schweigen 
und Zweibrüden. 
Aus der Pfalz, 28. März. Naͤchsten Sonntag den 2. 
Aptil, findet zu Homburg im Saale des Hrn. Weber, Vormittags 
10 Uhr, der 6. Kriegertag der „Pialzischen Kampfgenossenschaft“ 
watt. Die Tagebordnung enthält mhrere wichtige Verdandsange⸗ 
egenheiten, wie Wahl eines neuen Varsitzenden fur den abtretenden 
din. Kayser und Wahl eines Vertreters für den am 28. Juni 
n München stattfindenden allgemeinen deutschen Kriegertaz. Vereine, 
wilche den so geringen Verbandsbeitrag von 10 Pfg. für 1875 
voch nicht bezahlten, haben auf dem Kriegertag kein Stiminrecht, 
und es wird dieser zu entscheiden haben, od solche Vereine nicht 
überhaupt aus der „Kampfgenossenschaft“ auszuschleehen find. 
Moͤgen deshalb die rüchständigen Beiträge, sowie die für das laufende 
Jahr pum Kriegertage mitgebracht werden. Nach Schluß der Ver⸗ 
sammhung finden Reunion und Concert statt. Hoffen wir, daß die 
Zeschlüsse des Kriegertages dazu dienen, die Kriegerbereinsbeweg ung 
n der Pfalz im richtigen Geleise zu erhalten und den Sinn für 
Ordnung und Gesetz, sowie die Bande der Waffenbrüderschaft unter 
den Kampfaenossen neu zu kräftigen. 
Speyer, 29. März. Bei der heule dahier stattgehabten 
Wahl eines geistlichen Abgeordaeten für den Landrath wurde darch 
CTompromiß Prodecan Ney von Mutterstadt als Abgeordneter, 
Decan Hofer von Frankenthal als Ersazmann gewählt. 
Die Gründung der pfälz. freiw. Senita scolonnen iff nun 
quf Giund des von der Regierung mit dem Centralcomite für frei⸗ 
viil'ge Hilfsthätigkeit des Königreichs Bayern vereinbarten Statuts 
eine volizogene Thatsache. Abtheilungen beftehen schon in Speyer, 
Reustadt, Edenkoben und Kaiserslautern mit ca. 100 Mann und 
deht zu erwarten, daß auch die anderen Städte, resp. Turndere ine 
sich der Sache annehmen. 
f Müpchen, 28. März. Feldmarschall Graf Moltke ist 
gestern Abend in Begleitung seines Adjutanten Hauptmann von 
Zurt auf der Durchreise nach Italien hier angekommen, hat der 
Vorstellung im kgi. Residenztheater beigewoont und Jeute Morgen 
leine Reise fortgesetzt. 
Mündcen. Der Ndaig hat dem Professor Dr. Max d. 
Pettentofer die Geheimrathswurde verliehen und Dies demselben in 
rinem sehr huldvollen eigenhändigen Schreiben mitgetheilt. Petten⸗ 
ofer hat einen Ruf rach Berlin als Vorsteher des Reichsgesund⸗ 
heitsamts gleiß dem voriges Jahr von Wien an ihn erzangenen 
abgelehnt. 
x Der „Nürnberger Correspondent“ bringt aus verläßlicher 
Quelle folgende Sensalionsnachricht: Vor einiger Zeit wurde der 
As „excentrisch“ bekannte Dr. med. B. in das Münchener Irren- 
— 
Zeit fleißig mit dem Studium seiner Wissenschaft beschäftigt hatte, 
derlangte er, daß man ihn entlasse, um sich für das Staats: Examen 
vorzubereiten. Die Direction des Irrenhaufes verweigerte ihm die 
Enilassung und nun sann der „Irte“ auf Mittel zu entlommen. 
Vergangene Woche wurde Dr. B. auf einmal vermißt. An seinem 
Fenster fand sich eine Stricklleiter angebracht und auf dieser hatte 
er das Weite gesucht. Es wurden hierauf Nachforschungen gegen 
den Fluͤchtling aus dem Irrenhause angestellt, sogar die Pol'zei soll 
quirirt worden sein; doch vergeblich. Da kommt nach Wohen 
Di. B. selbst zum Ditector des Irrenhauses mit dem Nachweis in 
der Hand, daß er inzwischen das Staats-Examen als Mediziner 
absoldirt habe. — Wer war nun verrücht? 
4Dem Vernehmen nach beschäftigen sich verschiedene Essen⸗ 
zahnverwaltungen ernstl'ch mit dem Gedanken, nach dem Muster 
er Postverwaliung die Beförderung und Bestellaug von Paqueten 
inzuführen; sie höffen durch Einführung geringerer Portosätze, als 
olche gegenwärtig bei der Post erhoben werden, der letzteren erfolg⸗ 
zeich Eoncurrenz zu machen. Das Publikum könnte dabei nur 
zewinnen. 
FFrankfurt a. M., 26. März. (Ttit dem Leben de,ahlt.) 
In einer Sachsenhauser Wirthschaft wurde kürzlich ein Arbeiter 
degen seines v'eien Trinkens gehänselt. Em Gast erbot sich, ihm 
ehn Schoppen Aepfelwein zu bezahlen, wenn er sie in einer Vier⸗ 
elftunde krinken wolle. Der Trunkenbold ging darauf ein und 
hüttete auch fieben Schoppen hintereinander hinunter, den achten 
varf er um, beim neunten taumelte er zur Erde, den zehnten 
onnte er nicht mehr zu sich nehmen. Mühsam wurde er rach 
dause gehracht, wo man ihn heute Morgen todt auf seinem Lager 
and. 
F Ein Meistersprung. Im Kafino zu Potsdam saß nach 
dem Diner ein Kreis befreundeter Officiere noch bei der Cigarre 
usammen. Es wird nicht Wunder nehmen, wenn die Herren sich 
ber Militaria und die edle Reittunst u terhielten und schließlich 
zuf Sportskunststücke kamen. Da propounirte LZieutenant von K. 
on den Garde-Kürassieren eine Wette, Preis 3000 M., darauf, 
»aß er mit seinem Pferde über das im Lolal defindliche Billard 
pringen wolle. Die fast für unmöglich zu haltende Lesstung er⸗ 
egte den Eifer der derren und die Wetie wurde anenommen' 
rieutenant v. K. läßt satteln, fitzt auf und fast vomn Platz setzt 
r über das Billard hinweg, was ihm so qut glückt, daß er sogat 
roch den Sprung über die Langseite riskirt, wobei er sich indessen 
inbedeutend die Stirn verletzt, aber gleschfalls glüclich hinüber⸗ 
ommt. Diese Sporisgeschichte wird dem „Fr.Bl.“ als durchaus 
nthentisch mitgetheilt. 
Berlin, 28. Närz. Im statistischen Bureau sind nunmehe 
ie vorläufigen Ergebnisse der letzten Volkszählung fesßtgeftellt 
vorden. Soweit sich dieselben auf die preußische Monarchie be⸗ 
iehen, ergibt sich eine Gesammtzahl der Vevdikerung von 25.,700,000 
Seelen, mithin, da die Volkszählung von 1871 die Bevölkerung 
uf rund 24,600,000 Seelen feststellte, einen Zuwachse von 
„IOV,Ooo Seelen, oder eine Erhoͤhung von 4 pCt. Am stärksten 
var die Zanahme der Bevölkerung in der Stadt Berlin, nämlich 
im mehr als 17 pCt.; dann im Regierungsbezirk Arnsberg mit 
nehr als 13 pCi. und in den Regierungtbezirken Potsdam und 
Düsseldorf mit je 10 pCt., im Regierungsbezirk Wiesbaden mit 
pCit. Naͤchstdem ist die Bevölkerung in der Landdrostei Han⸗ 
ober und im Regierungsbezirk Koͤln am meisten gewachsen. 
4J Geschenk englischer Acbeiter für Fürst Bismark. Englische 
glätter hatten früher gemeldet, daß ein Arbeiters Meeting in 
Schottland statigefunden, in welchem beschlossen wurde, „dem Fürsten 
8 amarck in Anerkennung seiner Verdienste um die Belämpfung 
ser römischen Hierarchie eine goldene Uhr mit Kette zu überlenden.“ 
bem „Berlirer Tageblatt“ nach ist dieses Geschenk vor einiger 
Zeit angekommen. 
— Die franzosische Regierung will im Jahre 1879 eine Weli⸗ 
zusstellung in Paris veranstalten. 
Paris, 24. Marz. Ein recht bizarrer Fall von Unter⸗ 
chiebuna tam gestern vor dem zweiten Krieg'gecichte von Paris 
ur Verhandlung. Ein Grenadier der Garde, Namens Chaplat, 
var im Jahre 1861 desertirt, hatte sich Johre lang im Auslande 
serumgetrieben und wurde im Jahre 1869, da er sich längst ver- 
essen glaubte, im Yonne-Departement erkannt, ergriffen und von 
hendarmen nach Auxerre geführt, von wo er mit der Eisenbahn 
jach Paris spedirt werden sollte. Unterwegs trifft er in Avallon 
in Gefängniß mit einem Landstreicher, Namens Marechal, zusam⸗ 
nen, tlagt diesem unter bitteren Thränen sein Leid, wie er eben 
m Begriff gewesen wäre, sich zu verheirathen, wie er nun auch 
in braves Mädchen ins Unglück bringe und dergleschen mehr, und 
iberredet den guimüthigen Vagabunden endlich, sich an seine Stelle 
u setzen. Dem brod; urd obdachlosen Tagedieb Marechal war 
rcht so viel daran gelegen, zwei Jahre — denn mehr sollte es 
jach der Versicherung Chaplat's nicht absetzen — in den dier 
Nauern einer Strafenstalt zu verbringen; zudem erdffnete sich für 
In nach der Versicherung seines Versuchers die Autsicht, nach ver⸗ 
süßter Strafe in ein Disziplinarkompagnie nach Afrika geschickt zu 
verden, was auf seine Bummlerphantasie einen besonderen Reit 
usgeübt zu haben scheint; endlich war Chaplat in der Lage, ihm 
icht unbedeutende Vortheile anzudieten: 10 Francs auf die Hand, 
ann in Vermanton, wo die Beiden in einem unbewachten Augeu⸗ 
ick ihre Leget'masonspepiere austauschen würden, nochmals baate 
300 Francz, wozu end.'ch noch 1000 Francsz treten sollen, die