St. Ingberler Anzeiger.
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöhhentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonnlags mit illustrirter Bei—
lage), erscheint wochentlich vViermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vierieljährlich
Mark 20 R.⸗Pfzʒ. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Atswärtz mit 15 Pfi. für die viergespiltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. NRecla men
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet.
M 3Z. Sonntag, den 2. April —V J 1876.
Deutsches Reich.
Munchen, 30. März. Die dießmalige Prüfung behufs Zu⸗
lassung zum einjährigen Freiwilligendienst wurde zum erstenmale
nach der neden, für das ganze deutsche Reich gleichen Prüfungs⸗
Ordnung abgehalten. Die hiebei erzielten Resultate sind die schlech ⸗
jesten seit dem Bestehen der neuen Wehrgesetze und zeigen in ihrer
Besammtheit wieder ein nicht unbedeutendes Sinken der Durch-
schnitisziffer der Bestandenen, indem bei der letzten Oktoberprüfung
ziese Ziffer 50 pCt., jetzt aber uur 42 pCt. zeigt, also ein Rück⸗
gang um 8 pCt. eintrat. Es haben nämlich von 188 Candidaten
nur 79 das Befähigungsattest erhalten, 109 mußsten aber als un⸗
befähizt zurückgewiesen werden. Das sschlechteste Resultat hat
Munchen aufzuweisen, wo von 44 Examinanden nut 8 — 18
pCt. bestanden; in Landshut wurden von 10 Prüflingen 8 oder
30 pCt., in Speyer von 42 nur 14 oder 33 pCt., iu Augsburg
bon 18 nur 8 oder 44 pCt., in Ansbach von 52 doch 27 oder
52 pCt. in Bayreuth von 17 Candidaten 14 oder 82 pCt. und
in Regensburg sämmtliche 5 Adspiranten für befähigt erklärt.
Eine Bemerkung des Abg. Rußwurm, daß in der Pfalz nach
Roscher auf 7 Einwohner ein Holzfrevlet komme, in Oberbayern
dagegen erst auf 255, erklärt der Abg. Louis für absolut unwahr
und schließbt unter allgemeisner Heiterkeit mit den Worten: „Meine
Herren! Wir sitzen hier 20 Pfalzer Abgeordneie — und leiner ist
ein Holzdieb.“
Nurnberg, 27. Mäꝛz. Wie in Berlin ist es auch in
Süddeutschland die Eisenindustrie, die unter den gegenwärtigen Ver—
Zältnissen am meisten zu leiden hat. Die „Nürnberger Maschinen⸗
Actiengesellschaft“ (Cramer⸗Klett) glaubte durch eine Verkürzung der
Arbeitszeit einer groͤßeren Entlassung von Arbeitern vorbeugen zu
koͤnnen. Dies genügte jedoch schon seit längerer Zeit nicht mehr.
Fast jede Woche müssen, der hiesigen „Südd. Arb.⸗Z.“ (Organ
der Gewerkvereine) zufolge, groößere Entlassungen vorgenommen
werden und noch immer scheint der Höhepunkt der Krise nicht er⸗
reicht zu sein. Die Sozialdemokratie schlagt daraus das meiste
—XXG
aicht mehr fern ist, in welcher der von ihnen verheißene Volksstaat
errichtet werden muß, wo dann solche Krisen nicht mehr vorkommen
tönnten. GNicht blos in Deuischland ist es so; aus England hört
man das Gleiche: in der kleinen Grafschaft Durham allein find
10,000 Eisenarbeiler seit Monaten ohne Beschaftigung und 18
sohlengruben stehen augenblicklich still.
Ein Theil der liberalen bayerischen Blätter widmen der Er⸗
nennung des Reichskanzlers zum General der Cavallerie einen be⸗
jonderen Leitartiskel. Die „Münchener Nacht.“ knüpfen dabei an
eine Aeußerung des Führers der bayerischen Ultramontanen in einer
der leßten Sitzungen der Abgeordneienlammer: „Fürst Bismarck
wacke!!“, an, und erblicken darin die Anwort auf diese kühne
Behauptung der bayer'schen Patrioten.
Straßburg, 80. März. Die Königin von England, welche
in Begleitung der Prinzessin Beatrice und mit einem Gefolge von
18 Personen, qestern Nahmiltag den hiesigen Bahnhof passirte, ist
am 4 Uhr in Baden⸗-Baden eingetroffen, wo der Deutsche Kaiser
zum Besuch der Koͤnigin am 5. Abril erwartet wird. Die Koͤnigin
ceißt vermuthlich am 6. April wieder ab. (Straßb. 3.)
Die elsaß-lotbringische Oberhörde hat gegen einige Flüchtlinge
der franzöfischen Kommune, welche im Reichslande eine Einflußstärte
zu finden geglaubt hatten, einen spätestens in 14 Tagen zu voll⸗
ziehenden Ausweisungsbefehl erlassen: die Gründe dieses Beschlusses
ind unbekannt, derselbe trifft die Betroffenen um so em—⸗
pfindlicher, als mehrere in Schiltigheim (bei Straßburg)
eigene Geschäfte begründet hatten. Die Ausgewiesenen
haben nun an das Ober-Präsidium eine Petition er—⸗
lassen, in welcher sie ihre Lage darlegen und in durchaus würdiger
Weise einen Aufschub verlangen, damit sie ihren gebieterischen Pflich⸗
sen nachzukommen vermöchten und nicht zum sofortigen Ruin ver⸗
urtheilt würden. Gleichzeitig bitten sie um Apgabe der Mittel und
9
Wege, die Erlaubniß zum Verweilen in einem Lande zu erwerben,
„dessen Gesetze sie stets geachtet hätten.“ Diese Petition wird von
ingefähr vierzig der geachtesten Vertreter des straßburgischen; Han⸗
dels unterstützt.
Das in Mannheim bestehende sozialdemokratische Agigations⸗
Komite hat im ZVolkssigate“ einen Aufruf an die Patteie und
Besinnungsgenossen von Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen,
Frankenthal, Oggersheim. Speyer, Neustadt und Kaiserslautern zu
ꝛiner Versammlung in Neustadt a. H. für den 2. Ostertag erlassen,
vorin die Frage, wegen Beschickung des Gothaer Kongresses und
)die Mittel zu einer besseren Ooganisation der Partei in der Pfalz,
sowie die Agitation für die nächsten Reichstagswahlen besprochen
verden sollen.
Ausland.
Paris, 30. März. Der „KRgence Habas“ zufolge, sind
piejenigen Deputirten (meist klerikale) üUber deren Wahlen eine
Antersuchung eröffnet wird, gesounen, ihre Mandate niederzulegen.
Alle Gerüchte von Aenderungen im Personal der diplomatischen
Vertreter Frankreichss in Auslande werden für unbegründet erklärt.
Paris. Die Ex-Königin Isabella het ihre Absicht, nach
Spanien zurückzukehren, wieder aufgenommen. Sie will in nächster
Woche ihre Reife antreten, in Madrid wenige Tage verweilen und
dann ihren Aufenthalt in Sevilla rehmen. Der Marquis von
Tabra und der Graf Punonrostre werden sie begleiten. a
RVermischtes. —
Zum Vertreter des Großgrundbesitzes der Beztirksämter
Zweibrücken, Homburg und Pirmasens für denpfaälzischen Land⸗
ath wurde Herr Joseph Stalter auf dem Stausteinerhofe, Gde.
räröppen, zuem Ersotzmann Herr Emil Knapps von Blieskastel
zewählt.
Pirmasens. Herr Kaufmann S. Weis von hier ist
um Sonntag auf der Ruckehr von Heidelberg, wohin er sich
ehufs Konsultation einer ärztlichen Autoritat begeben hatte, zwischen
dalteubach und Münchweiler im Bahnzug verschieden. Seinem
Tode war nur ein kurzes Unwohlsein dorausgegangen.
F Dieser Tage pafsirte auf der Oppenheimer Landftraße ein
techter Schildberger Streich. Das eine Pferd des Fuhrmanns M.
»on Oberrad, ein abgemagerter Klepper, wollte nicht mehr ziehen
ind verweigerte selbst der Peitsche den Gehorsam. Darob erbost.
pannte der Fuhrherr das andere Pferd aus und spannte es der-
artig vor das andere, daß er diesem einen Strick um den Hals
mit den Worten leate: „Wart, ich lern dich ziehen!“ Nun hieß
es, zieh Bleß!“ Wirklich zog das Pferd an, während das halsa⸗
tarrige immer noch renitent blieb. Noch einmal wurde gezogen,
ind der Fuchs flürzte todt zusammen; das Seil hatte ihm den
dals zugeschnürt. —8 GF. W.)
7 Der Vorschußverein Kusel bat einen Verlust von“ eiwa
1000 M. erlitten, indem er dem früheren Bierbrauer Reinheimer
zu Hüffler Crebit gab, für den die Bürgschaft seines Schwieger⸗
alers Joc. Zimmer und seiner Mutker deigebracht wurde. Der
Vorschußverein mußte später, wegen Rückdezahlung der an Rein⸗
deimer gelehenen Summe vorgehen, und da siellte sich hetaus, daß
der die Unterschrift von Jac. Zimmer tragende Bürgschaftsschein
nicht von diesem auf dem Bureau des Vorschußvere'ns unterzeich⸗
net, sondern bereits unterschrieben von Reinheimer abgegeben worden
war. Zimmer beschwor, daß die Unterschrift nicht von ihm her—⸗
tühte und konnte also nicht als Bürge in Anspruch genommen
verden. Die Mutter des Reinheimer hatte durch den Leichtsinn
hres Sohnes ihr ganzes Vermögen eingebüßt, also auch da war
nichts zu holen. Reinbeimer, gegen den die Gant erklärt wurde, war,
)a er strafgerichtliche Untersuchung befürchten mußte, flüchtig ge—
zuͤngen. Der Vorschußverein hätte allerdings von den Mitgliedern
der Vorstandschaft Schadenersatz fordern können, verzichtete jedoch