Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöoͤchentlich) mit dem Hauplblatte verbundene Unterhaltungeblatt, (Sonntagt mit illustrirter VRei- 
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B 59. J Donnerstaqg,. den 13. Avril 1876. 
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Deutsches Reich. 
Der Kaiser ist von seinem Unwohlsein wieder soweit herge⸗ 
dellt, daß er dereits Spazierfahrten unternimmt und d'e Entrevue 
utn vder Kaiserin in Ind en wird nunmehr voraussichtlich am 18. 
April in Koburg stattfinden. Wir kounten mit Recht sagen 
KRaiserin in Judien“, weil das Oberhaus die Titelbill bereits in 
drittet Lesung angenommen hat, also von einer Ablehnung der 
—XX mehr die Rede sein kann. 
Die Zusammenkunft zwischen den beiden Souveränen ist offen⸗ 
rar Angesschiz der gegenwärtigen Konstellation von nicht undedeu⸗ 
euder poliüscher Tragweite. Rußland mag die loyalste Miene 
bon der Welt England gegenüber annehmen, so ist doch unver⸗ 
lennbar, daß die Zeit, wo ein Z sammenstoß in Asien zwischen 
In beiden Mächten stattfi den wird, nicht mehr allzufern liegt. 
Außerdem aber bildet die orientalische Verwidlung auf der Balkan⸗ 
dalbinsel troß aller offizidsen und offiziellen Ableuznungen einen 
Differenzpunkt zw'schen Rußland und England, der durch den An⸗ 
kaus der Suezkanalaktien von Seiten der leßteren Macht und die 
finanzielleu Kalamitäten der Khedive zu einer reichlich fließenden 
Quelle des Mißtrauens zwischen Rüußland und England geworden 
— 
zurg offizids zu erklären, deß man gegen d'e Annahme des Titels 
Kaiserin in Indien“ durch die Königin Viktoria nichts zu erinnern 
finde. Wo u eine solche Erklärung? Wer sich ohne Noth entschul⸗ 
digt, klagt sich an. 
Ausland. 
Paris, 9. April. Das „Echo Universel“ versichert, Graf 
Beust wäre definitiv zum Nachfol ,er des Grafen Apponyi als Bot⸗ 
schafter in Paris ernannt. 
Die Ankündigunz einer Welt-Ausstellung in Paris 
ser 1878 veranloßt die „Opinion? zu schreiben: „Eine solche Po— 
tittk entspricht unsern wesentlichen Juteresser. Aber darf man vicht 
auch behaupten, daß diese Politik uns unter den gegenwärtigen 
Umstände in Europa besondere Sympathien gewinnt? Sicherlich 
wird man uns Dank wissen, jcht, da der Friede fraglich erschent, 
ihn mit besonderer Hartnäckizleit durch eine charakteristische Hand⸗ 
lung zu vekräftigen. Wir bieten gewisser Maßen allen Staaten 
die kostbare Gelegenheit, zu beweisen, daß sie nicht minder als 
wir jede Umwälzung zurückweisen. Das ist wobl eine Art Einfluß, 
der sein Verdienst und seinen Werth haf“ 
Vermischtes. 
F Kaiserslautern, 12. April. In Neustadt a. H. soll 
am zweiten Ostertage eine größere socialdemokratische Versammlung 
tattfinden, wobei die Organisation der sozialdemokratischen Vereine 
in Rheinbayern, sowie die Beschickung des bevorstehenden Gothaer 
Congresses naͤher bespro hen werden wird. 
P'Winnweiler, 10. Aprll. In der gestern abgehaltenen 
Generalversammlung der Actionäre der „Actienbrauerei Winnweilec“ 
ging es sehr stürmisch het. Es mußte leider constatert werden, 
daß das Geschäft wegen Mangel an Betricbscapital still stht. 
Da es dem Verwallfungsrath bisher nicht gelungen ist, das zum 
Weiterbetrieb ersorderliche Capital aufzubringen, wurde beschlossen, 
den Versuch zu machen, ob durch Ausgabe von Prioritäts⸗Actien 
im Betrage von 75,000 M. das Geschäft wieder in Gang zu 
bringen ist. Der bisherige Verwaltungsrath wurde ermächtigt, die 
hdierzu erforderlichen Schritte zu thun. Sollten diese binnen 4 
Wochen keinen Erfolg haben, so bleibt nichts anderes übtig, als das 
Geschäft zu liquidiren. K. 3.) 
F Im Sepiember ds. Is. wird in Neustadti die 6. p älzische 
Lehrerversammlung ubgehalten werden. 
f Speier. Non den 93 Kandidaten, welche sich vom 27. 
bdis 30. Sept. v. J. bei der Prüfung für den Steuer- und Ge— 
meinde⸗Einnehmerei⸗Dienst betheiligten, follen blos 28 dieselbe be— 
danden haben. 
F* Der „D. A.“ meldet aus Gönnheim: Eine Handlung 
der Gemeinde Goͤnnheim verdient auch in weiteren Kreisen bekannt 
zu werden. Deselbe hat nämlich ihrem verdienstvollen und geach⸗ 
eten Lehrer Georg Crolly aus Anlaß seines vierzigjährigen segens⸗ 
reichen Wirkens in der dortigen obern Schule als Zeichca ihrer 
Dankbarkeit eine jährlicht Gratifikation von 100 fl. festüesetzt.. 
r Bezuglich der Heidelberg-Speyerer Bahn heißt es in dem 
Bericht der Kommission zum orkentlichen Budget der bad. Eisen⸗ 
dhu⸗Betriebsberwaltung: Die Heidelberg⸗Speyerer Bohn, eröffnet 
im Jahre 1873, deckte bis jetzt die Betriebkkosten nicht und ergab 
m Jahre 1873 ein Defizit von 7977 fli, im Jahre 1874 ein 
olches ven 35,009 fl. 
7 Müanchen, 10. April. Frhr. v. d. Tann hat seinen 
inzihen Sohn, der Chevauxlegerslie utenant a. D. war, durch den 
Tod verloren. 
f München, 5. April. Wie aus Bayreuth gemeldet wird, 
verden zu den Haupt-Aufführungen der Wagner'schen Opern dort⸗ 
elbst neben dem König Ludwig II. von Bayern, der deutsche Kai⸗ 
'er und 10 bis 12 weitere regie ende Fürsten erscheiien. 
fF Am 11. April feierie Anastasius Grün (Gtaf Anton 
uersperg) seinen 70. Geburtstag: er wurde aus diesem Anlaß 
zurch zahlreiche ehrende Kundgebungen erfreut. 
F Man berich!et aus der Rechtssprechung des Reichs-Ober⸗ 
handels zerichtz: In manchen Lebensversicherurgs Policen findet sich 
die Klausel, daß der Forderungsberechligte den Tod des Ver⸗ 
ächerten binnen einer gewissen Frist bei Verlust aller Ansprüche an 
die Gesellschaft melden müsse. Nun war eine solche Police mit Ge⸗ 
iehmigung der Gesellschaft an einen Gläubiger des Versicherten 
edirt worden; der erste wohnte in Berlin, der andere in Leipzig 
)er Tod des Versicherten blieb dem Policeninhaber zufallig einige 
Wochen unbekannt — also konnte er die Anzeige nicht rechtzeitig 
rstatten, obvohl er sich damit möglichst beeilte. Trotzdem waren 
zie 4000 Thlr. Versicherungzssumme verloren und die Gesellschaft 
jatte viele Jahre hendurch die Prämien ohne Gegenleistung ge⸗ 
oonnen. Es ist traurig, daß solches Gebahren der Versicherungs⸗ 
Besellschaften vom Gesetze nicht verpönt ist. — Die Kaufleute 
»Urfen untereinander für fällige Forderungen ohne Mahnung 6 
»Ct. Zins ansetzen; dies findet aber keine Anwendung auf die Zu⸗ 
rückforderung einer aus Irrthum geleisteten Zahlung, weil eine 
Forderung vor ihrer Geltendmachung gar nicht ex'stirt. 
Stuttgart, 8. April. Die Nachricht wird bestätigt, daß 
im September d. Is. Kaiser Wilhelm Württemberg besuchen und 
ine Truppenschau zwischen hier und Ludrvigsburg halten wird. 
Der Besuch des Kaisiers erfolgt auf ausdrückliche Einladunz des 
dönigs. Das wärttembergische Armeccorps soll in einer Stärle 
yon 25,000 Mann zusammengezogen werden. 
F Essen. Am Samstaq wurde vor dem hiesigen Cr'minal⸗ 
zericht über eine Hexengeschichte verrandelt, welche auf den Bil⸗ 
»ungsgrad der vielfach vom finsteren Aberglauben befangenen unte⸗ 
en Classen unserer Landbevölkerung ein recht trauriges Licht wirft. 
Im Mai v. erkrankten in Bordeck in einigen Familien die Kinder, 
und man gläubte in einer alten Ftau, welche sich dort aufgehalten 
zatte und sich von Almosen nährte, die Urheberin der Krankheiten, 
„eine Hexe, welche die Kinder behext habe“, gefunden zu haben. 
Es begaben sich zwei Männer mit staüppeln zu der Alten in der 
Absicht, ihr den Teufel auszutreiben, welches sie denn auch so 
nachhdaltig thaten, daß ihr der eine Arm gänzlich zerschlagen wurde. 
Zur Sirafe wurden die Beiden zu 18 und 15 Monaten Gefäng⸗ 
ni, verurtheilt. 
F Bünde, 7. April. Ein Hocheitshinderniz ist hier heute 
porgelommen, das jedenfalls neu ist. Einem hier Eingesessenen 
vird, als derselbe für den anderen Tag den Standezamts-Alt de⸗ 
tellen will, die Eröffnung gemacht, daß das Aushängen des 
Aufgebotes vergessen sei und daß er deßhalb die Hochzeit verschie⸗ 
den müsse. 
(Lebendig verbrannt.) W'e wir den Haumb. Nachr.“ 
entnehmen, hat ein früherer Organist und Lehrer in Elmshoen, 
welcher sich in der letzten Zeit vielfah mit de Leihe verbrernuugs⸗