Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingbert war so zahlreich besucht, daß der geräumige König'sche 
Gartensaul die Besucher kaum zu fassen vermochte. Mit einer 
längeren Rede, der er die Worte: „Schau' um dich und schau' in 
dich!“‘ an die Spize stellle, leitete der Vorstand, Hauptlehrer Leibig, 
die Verhandlungen ein. Es referirte Lehrer Roth von Blieskastel 
hierauf über: „Behandlung des Lesestückes,“ indem er den Sazt 
aufstellte und begründete: „Das Lejestück bietet die Grundlage für 
den Anschauungsunterricht, fowie den Stoff zum mündlichen und 
schriftlichen Gedankenausdruck.“ Mit einer Anzahl von Schülern 
suchte er den Anwesenden dann seine Grundsätze praktisch zu ver— 
anschaulichen. Der zweite Vortrag, von Lehrer Drescher in Wol⸗ 
fersheim — gehalten, behandelte den · Anschauungsunterricht“ als 
besondern, Unterrichtszweig im ersten Schuljaht. In ausführlicher 
und klarer Weise besprach der alte praktische Schulmann die Methode 
und den Zwec dieses Unterrichtszweiges. — Bezüglich eines schon 
seit längerer Zeit unter den Lehrern der Pfalz bestehenden Sterb⸗ 
kassevereins, sprach sich die Versammlung mit geringer Majorität 
dahin aus, die Beiträge pro Sterbfall auf 1 Mark zu erhöhen, 
damit aber auch die Unterftüßzungen von 400 Mark bis eventuell 
1800 Mart steigen zu lassen. — Einem Projecte des Ausschusses 
des Landesdereins, unter den Lehrern Voherns eine eigne Brand⸗ 
versicherung auf Gegenseitigkeit zu gründen, wie cst die Lehret 
Sachsens, Thüringens, Medlenburgs, Brandenburgs ꝛc. mit bestem 
Erfolge schon seit langem gethan haben, wurde einstimmige Zu 
—III— 
4J Kaiserslautern, 10. Mai. (Kaisersl. Ztg.) Gabriel 
Goldschmitt, 40 Jahre alt, Handelsmann in Dreisen, wurde 
heute vom Zuchtpolizeigericht wegen Verbrechens des wissenilichen 
Gebrauches einer falschen Privaturkunde in gewinnfüchtiger Absicht 
zum Zwecdkee einer Täuschung in idealer Konlurrenz mit dem Ver⸗ 
gehen des Betrugsversuchs um 10 fl. zum Naqtheil des Aderert 
Heinrich Hofmann zu einem Jahre Zuchthaus verurtheill. 
F Neustadt, 9. Mai. In der gestern Abend abgehaltenen 
Generalversommlung der Schüzengesellschoaft kam die Einweihung 
des neuen Schießhauses, welche Feier mit einem Preisschießen ver⸗ 
bunden werden soll, zur Diskussion. Es wurde beschlossen, dieselbe 
vom 11. — 13. Juni zu begehen und 2500 Mark für Preise und 
Prämien zu verwenden. Außer der gewöhnlichen drei soll auch einet 
Jagdscheibe, ein lausender Hirsch, zur Berutzung klommen, damit 
auch die Jäger sich veranlaßt sehen, dem Vereine be'zutreten, der 
rhnen nur Gelegenheit gibt, sich für ihre Spezialität einznüben. 
Den passiven, s. ç. Gobelschützen wird sür dieses Schießen die Ver⸗ 
pflichtung auferlegt, eine gewisse Zatl Schüsse zu thun oder thun 
zu lassen, un zwar für 5 Marl. 
F Aus Schifferstadt schreibt man der „Pf. Z.,“ es seien 
bereits vier Personer, darunter drei Sch'ifferstadier, verhaftet, 
welche im Verdacht stehen, den Waldhüter Witt getödiet zu haben. 
Der Eigenthümer des braunen Filzhutes, welcher dei der Leiche ge⸗ 
funden wurde, sei aber noch nicht ermittelt. Die That soll schon 
am Samstag Morgens halb 6 Uhr verlbt worden sein, um welche 
Zeit Leute, die in der Gegend der Stelle wo die Leiche lag, sich 
hefanden, einen Schuß und Schreien dörten. 
Ludwigshafen, 9. Mai. Zur Erleichterang des Besuchel 
der vom 14. Mai ab mit vierwöchenlicher Dauer in Mülhausen 
im Elsaß stastfindenden Ausstellung von Erzeugnissen der Industrit 
des Oberelsasses berechtigen die direcken einfachen, in der Zeit vom 
10. bis incl. 31. Moi cr. bei den pfälzischen Siationen geldsten 
Billets nach Mülhausen zu je einmaliger Hin⸗ und Rückreise in 
den entsprechenden Zügen und Wagenktlassen innerhalb 8 Wochen. 
Diese Billets müssen noch auf der Rückseite mit dem Stations⸗ 
stempel, sowie mit dem Vermerk „zur industriellen Ausstellung'in 
Mülhausen? versehen werden. 
F Darmstadt, 8. Mai. (Gattenmord.) Am Sonn— 
abend Abvend um halb 10 Uhr wurde in der Lederstraße ein Mord 
verübt, indem der Arbeiter Heppenheimer seine von ihm getrennt 
sebende Edefrau durch einen Stich in die Brust vödtete. Allem An⸗ 
schein nach war das Verbrechen lange zuvor geplant, denn Heppen⸗ 
heimer son seiner Frau schon früher widerholt vergeblich aufgelauert 
haben und muß dies auch am Sonnabend der Fall gewesen sein, 
denn die That erfolgte, als die Frau, (dieselbe war Kleidermacherin) 
von der Arbeit heimlehrte uad allein in das Hausthor eingetreten 
war. Die Bewohner des Hauses hörten noch, wie die Frau dem 
Hunde des Hausbesitzers reef und dann einen furchtbaren Schrei 
ausstieß, worauf sie herdeieilten, aber die Unglückliche bereits am 
Boden lietgend fanden. Schon nach wen'gen Secunden trat der 
Tod ein. Der Stich muß mit wuchtliger Gewalt geführt worden 
sein und zeig?e die bis zum Herzen gehende Wunde eine fast 2 
Finger breite Oeffnung. Der Moͤrder, welcher alebald das Weite 
suchse, nahm das Messer mit sich und ist dis jetzt noch nicht auf- 
gefunden. Nach einem in sesner Mehuung jurückgelassenen Zettef 
scheint er ursprünglich die Absicht gehaht zu haben, sich ebenfall4 
den Tede zu geber. doch wurde er gestern Vormittag noch in der 
Naäbe von Niedei-Ramstadt gesehen. Von unserer Kriminalpolizei 
fsänd die umfassendsten Vorkehrun,en zur Habhaftwerdung des flüch · 
tigen Verbrechers getroffeee. J 
Darmstadt, 10. Mai. Rentnet Kling erschoß heute 
Nacht seine Frau und dann sich selbst. Das kinderlose, ßth zärt⸗ 
zich liebende Ehepaar hatte durch unglückliche Spekulationen in 
türkischen Werthen fast sein gaanzes beträchtliches Vermögen ein- 
gebüßt. Alle- Bemühungen Nlings, sich eine entsp echende Stellung 
zu verschaffen, waren gescheitet.. 6r. J.) 
7 Essen. (Zur Krupp'schen Ausstellung in Philadelphiag.) 
Der ausgegebene Ausstellungs Katalog des Krupp'schen Etablisse⸗ 
ments für die Weltausstellung zu Philadelphia bietet namentlich in 
Betreff der von demselben dort ausgestellien Geschütze ein besonderes 
Interesse. An Zahl stehen diese den in Wien 1873 ausgestellten 
GBeschützen zwar nach, dafür aber sind beinahe sämmtliche in dieser 
aeven Zusammenseßzung entbaltenen Geschütze von einer dort noch 
nicht vertreien gewesenen Costruktion. Außer der neuen 35?2 
Cu.⸗Kancne in Küsten⸗Laffette, diesem neuesten Krupp'schen Riesen⸗ 
geschütz, inthält diese Zusammenfassung als das einzige früher 
bercits construitte Geschüß nur eine lange 24 Em.⸗Kanone in 
Nüsten-Laffette, demnächst aber die beiden eben be der deutschen 
Armee neu eingeführten Feldgeschütze, ein neues 8 Cm.- und ein 
6 CEm. Gebirgsgeschütz und noch ein besonderes reich ausgestattetes, 
im Rohr wie in der Laffette polirtes Feld eschütz der oben ange⸗ 
gebenen Art und eine Serie von Geschossen. Daß der neue Tau— 
sendpfünder in Amer'ka, um dessen eigene Geschützfabrikation es so 
schwach bestellt ist, einen besonders wirksamen Ausstellungsgegen— 
stand bilden wird, ist wohl vorauszusetzen. Betrachtenswerth er⸗ 
scheinen demnächst noch die beiden Schiffswellen von denen die eine 
13,500 Kuogramm schwer, unter dem 1000 Center wiegenden 
Dampfhammer aus einem 30,000 Kilogramm schweren Tiegelstahl⸗ 
bloct ausgeschmiedet worden ist, und die mit ihren drei Kurbeln 
und ihrer Kurbeilscheibe der 2500 Pferdekraftmaschue eines im 
Bau begriffenen neuen Schiffs der deutschen Kriegsmarine ein e⸗ 
fügt werden wird. Aus der diesem Austellungs-Katalog ähnlich 
we schon dem von 1872 vorangestellten⸗Uebersicht über den zeiti⸗ 
gen Betriebsstand des Etablissements erg'ebt sich, daß die gegen⸗ 
värtige Arbeiterzahl defselben, einschließlich der 5000 Hürttenarbei⸗ 
er, 15,500 Koͤpfe beträgt, und daß sich trotz der zur Zeit so un— 
günstigen Verkehrsverhältnisse auf keinem Bettiebsgebiet ein Rück⸗ 
gang, auf mehreren hingegen eine nicht unheträchtliche Steigerung 
der Betriebsmittel ausweist. So ist seit 1873 die Zahl ber Ku— 
pol⸗ und Flammöfen um 19, die der Dampftkesset um 58, die der 
Dampfhämmer um 7 und die der Dampfmaschinen um 8, darun⸗ 
ser eine von 1000 Pferdekraft, gestiegen. Aehnlich verhält es sich 
auch mit dem im Etablissement enthaltenen Essenbahnnetz, das zur 
Zeit 38,92 Kilomeser normalspurige und 18 Klometer schmal⸗ 
purize Eifenbahnen umfaßztt, weiche zusammen mit 24 Lokomotiven 
»efahren werden. Den vielen, zu Gunsten der Arbeiter in den⸗ 
seben enthaltenen Apftalten und Einrichtungen sind 4 Vellkssulen 
nil 21 Klassen und 4 Indufstrieschalen für Frauen und Mädchen 
neu hinzugetrelen. Endlich hat seit 1873 nod dadurdch eine Er⸗ 
weiterung der Betriebsmittel des Etabliffemente ftattgefunden, daß 
dasselbe *4 Tampfer von je 1700 Tonnengehalt besitzt, welche vor⸗ 
zugssweise zum Transport der Erze aus den in Rordspanien bei 
Bildao erworbenen Eiseneczlagern verwandt werden. Ess. Z.) 
F Die Klagenfurter Zig. schreidt: „Wir erhielten beute 
eine Postkarte aus Berlin mit der Ade sse: An N. N. in „Kla- 
genfurt in Baiern“; wir trauten unseren Augen nicht, denn der 
—X— 
neral Sektetär des deutschen J urnalistentages.“ 
Eberfe!d, 7. Ma'. (nufgegebene Hochzeit.) Ei⸗ 
nem Kuilscher welcher gestern feine Hochzeit feiern wollie, ist der 
Entschluß noch in der letzzten Stunde leid geworden. Derselde 
hatte alle Vorsereitungen zur Ehe getroffen, eine Wohnung gemie⸗ 
thet und ein anständiges Möblement asgeschofft; auch hatte er zur 
Feier des Hochzeitẽetages bei einem Konditor bereits die nötbigen 
uchen bestellt. Als aber die Zeit der Tranung herannahte, fehlte 
der Braͤutigam. Nachdem man eine Zeit lang vergebens auf ihn 
gewartet hatte, eilte die Braut sowie die beiden Brautführer nach 
ciner Wohnung. Hier fand man die Geschenke der Beaut, be— 
dehend aus einem paar Hofenträger und einer Kette nebft Uhr, 
sowie einen offenen Brief vor, in welchem der BGesuchte seiner 
Braut eiklärt, daß er fie nicht so l'ebe, um sie heirathea und eine 
zlückliche Ehe mit ihr führen zu können; er gebe ihr die gemachten 
GBeschenke zurück; daßjenige, was sie von ihm befihe, wöze sie, so— 
vie das außerdem noch vorhandene Geld, im Betrage von ca. 
3900 Mark, behalten, er begebe sich in de Ewigleit. Der Kut—⸗ 
scher ist verschwunden, man weiß bis jetzt noch nicht wohin. 
(WGE. 3.) 
F GEatkter'sche Rede⸗Statistik.) Es geht nichts 
Ubec interessante Statistik! So schreibt kürzlich die „D.-E.⸗Z.“ über 
die Lasker'sche Parlamentsthätigkeit: „Seitdem Lasker im Jahre 
1865 die Varlamentsbühne betrelen, bat er am Ddbbosßsplotze iim