Slt. Ingberler Anzeiger.
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M 93. Dienstag, den 15. Juni 1876.
Deutsches Reich.
Munchen, 9. Juni. Es darf als festst hend angenommen
verden, daß der Landtag im Monate Juni seine Aufgaben nicht
zewältigen wird können. Umfangreiche und höchst wichtige Budget ⸗
steferate sind noch nicht vollendet, so z. B. jenes über die Staats⸗
isenbahnen, Kultus-Etat, Militär-Etat, über die Einnahmen aus
irekten Steuern, Taxen- und Stempelgefällen, Malzaufschlag ꝛc.
Die B.rathungen im Ansschuß werden voraus ichtlich viele Zert
erfordern, ebenso jene im Plenum. H'ezu tommen die v elen Vor⸗
agen und Petition in Eisendahnsachen, der Gesetzeatwurf üder den
rußerordentlichen Militärktedit, das Wakhlgesetz, circa neun Wahl⸗
hrüfungen —: von Petitionen und Beschweiden und' noch zu; er⸗
vartenden? Vorkagen' gan abgesehen. Zudem bietet der laufende
Monat höchstens noch vierzehn Sitzungslage. Die Dauer des Land
ags dürfte sich demnach tief in den Juli hinein erstrecken.
Die unmittelbare active Kriegsstärke wird im neuen deutischen
Mobilmachungeplane bedeutend höher als früher per Armeeccorps,
nel. Offiziere und Kovolleriedivifion, zu beinahe 39,000 Mann
bisher 32,000), und für die çanze deutsche Feldarmee zu (inelusiv
Offiziere) 708.000 Mann mit 215,000 Pferden, 1800 Geschüten
und 23. 000 Wagen augegeben, wohinter aber noch die gesammte
zandwehr, die erforderlichensalls in Aussicht genommenen Reserve⸗
'ormationen und die Ersatztruppenbildungen in der Stärke von
mindestens ebenfalls 700.000 bis 800,000 Mann, uno incl. der
dandsturmformationen' 1,000 000 bis 1,200,000 Mann zur Ver—⸗
ügung und fernerweitigen Verwenduncç disponipel verbleiben werden.
Der Ausschuß der vereinigten Kammgarnspinnereien Deutsch⸗
ands und des Elfasses hat dem Reichskanzler Fürsten Bikmarck
eine Petition eingereicht, in welcher gebeten wird, bei Erneuerung
der Handelsberträge, insbesondere mit Frankreich, die Hebung der
restehtnden Ungleichheit der Zollsätze diesem Lande gegenüber auf
Brund einer vollständigen Reziprozitat zu erwirken, sei es, daß
Frantreich seine Zolle reduzire, sei es, daß Deutschland seine Zolle
den mit Frankresch zu vereinbarenden- franzöfischen Zöllen gleichftelle.
Deutschland und Italien haben der „Elberf. Ztg.“ zu˖
iolge eine Veclängerung der um 30. Juni ablaufenden Ktüindiqunas⸗
rist. des Handelsvertrages vereinbart.
Aussand.
Lemberg, 10. Juni. „Dzienik“ meldet telegraphisch von
er russischen Grenze von erneuten großen Bauernunruhen. Dreißig
uisische Popen seien ermordet.
Belgrad, 10. Juni. Die Aufforderung des Großveziertß
in den Fürsten von Serbien zur Aufklärung über die serbischen
küstungen lautet in ihren wesentlichen Theilen dahin: „Die Ve—⸗
icherungen, welche Ew. Hoheit gegeben, hatten die Befürchtungen
zefeitigt, welche die bedeutenden Rüstungen hervorgerufen haben.
Indessen werden diese Rüstungen noch immer in großem Maßstabe
ortgesetzt und die serbische Armee ist bereit, in's Feld zu rücken.
Die Pforte kann gegenüber diesem Stande der Dinge, welcher der
stuhe ihretr Provinzen um so weniger förderlich ist, als Streifzüge
on- Serdien die Aufregung vermebren, nicht gleichgültig verharren.
der Sultan hat in Erwägung der Lage, ausgehend von der Ak—
icht, die unvbermindert guten Beziehungen zur fürstlichen Regierung
iufrecht zu erhalten, mich beaufiragt, officiell Ew. Hoheit um offene,
janz genaue und directe Aufklärungen über den Grund und das
»estimmte Ziel der erwähnten Rüstungen zu erfuchen.“
Frankseich wird Ende diefes Jahres (d. h. vom Februar 1871
nis zum 831. Dec. 1876) beinabe 5 Milliarden für Armee, Kriegs⸗
naterial und Festungen verausgabt haben.
Die „Liberte“ erwähnt ein sehr unvahrscheinlich klingendes
Berücht, wonach die ehemalige Kaiserin Eugenie sich mit einem
ebr reichen Lord Dutlan vermählen will.
Herr Thiers vexöffentlicht unter dem Pseudonhm Singu⸗
us“ in dex „Opinion nationale“ politische Briefe, die Aufsehen
Aregen. Singulus sucht darzuthun, daß Frankreich sich der otien⸗
alischen Frage gegenüber vollständig zuwartend verbalten müsse.
Sollte es zu einem Conflict kommen, so könnte Frankreich später“
neint Singulus, wenn es feine Kräfte nicht verbraucht habe, als
zchiedsrichter auftreten und so min einem Schlage seine frühere
Stesllung wieder erlangen. J
Maun schreibt der „P. C.“ aus Ragusa, 4, Juni: „Der
lufstand in der Herzegowina wird erst beginnen“, das ist die
slerneueste von der „obersten militärifchen Leitunz“ des Aufstandes
usgegebene Parolt. Damit soll angedeutet werden, daß bie Insure
ection einerseits“ zutr neuen Operation sich anschickt,, andererseits,
»aß man von einem Stehenbleiben auf halbem Wege nichts wissenr
»olle. Und wirklich sollen alle Wojwoden angewiesen worden sein,
ne militätische Bewegung vorzußehmen. Die nächssen Tage datften
n verschiedenen Kümpfen Meldung bringen. Die Schäaren der
Nuffitz bewegen sich in der Richtung gegen Trebinje, und dütfte
3hart bei dieser Festung zu einem Kampfe kvmmen. Ivan
Mussits ist zum Wojwoden der „Untereren Herzegowina“ ernanni
zorden, und verfügt derselbe über eine Schaar don 830 Mann,
ie ziemlich ausgerüstet sidd. I
Konstantinopel, 10. Juni. Serdiea hal in Erwiderung
er Anfrage des Großveziers wegen der Rüstung seine friedlichen
hvesinnungen bekräftigt. Ein höherer serbischer Staatsmann wird
ich nach Konstantinopel begeben, um alle erforderlichen Erklärungen
u geben. J
Mos kau, 10. Juni. Die Verhandlungen in dem Priozesse
egen Strousberg und die Angeklogten von der Commerz Leihdant
ind heute Nachmittag eröffnet worden. In Folge Ausbleibens
nehrerer Zeugen wurde die Gerichtssitzung vertagt. Strousberg's
Zertheidigung kante sich gegen die Vertagung ansgesprochen.
Englands Seemacht und Rüstungen. Die groß⸗
rxtigen waritimen Vorkehrungen, welche England in den ictzten
Bochen getroffen hat, um allen Eventualitäten in den orientalischen
Angelegenheiten gewachsen zu sein, lassen es gerechtferligt erscheinen,
denn wir naächstehend eine kurze Uebersicht über die Flottenmacht
ßroßbritanniens geben. Nach den „Navh-Estimates“ von 1875
is 1876 besteht die Flotie aus 59 Paagzerschiffen, citca 800
Zampfera und circa 170 Segelschiffen. Das Personal für den
Dienst der Flotte in Altivität besteht aub 46,628 Mariuepersonal
ind 14,073 Mann Marineteuppen, sowie aus der 18,337 Mann
arken „Royal-Naval-Reserve“, von denei 387 Offiziere, die
brigen Matrosen sind. Zu dem altven Marinepersonai gehören
915 Offiziere in Dienst, 625 in Halbsold. Von den Miarines
zuppen stehen gewöhnlich nur die Haäͤlste im Dienst. Nach den
euesten Meldungen aus London hat die Regierung auch schon Vor—
ehrungen getroffen, das Marinepersonal im Fall der Noth durch
ne Pensionirten der Marine ansehnlich zu verstärken, indem sie
enselden schon jeßt der Vefehl ertheilt hat, sich für den alkiveu
Ddienst bereit zu halten. Dieser Befehl ist, wie die „Hambutger
zörsen-Halle“ richtig ausführt, vorlaufig nur als eine bei jeder
ußergewöhnlichen Verstärkung der Marine stattgehabte Vorsichts⸗
naßregel zu betrachten.
Das Canalçeschwader ist in Gibtaltar angekommen und wird
orläufig dort in Reserve bleiben, um sich nöthigenfalls sofort mit
em Mittelmeergeschwader verbinden zu können.
Dreihun' ett und fünizig Tonnen Munition wurden am 6.
Juni zu Woolwich nach Gibraltar und Malta verschifft. Dieselbe
st hauptsächlich für die 18 und 25 Tonnen schwettn Geschütze be⸗
dimmt, mit denen die Mittelmeerfestungen 'in letzter Zeit ärmirt
vorden siad. Man darf hier nicht vergessen, daß für die mächtigen
Beschütze auch swere Geschosse erforderlich sind, von denen nicht
drele auf eine Tonne geben.
Die Theilung der Türkei.
Ueber die „letzten Ziele Ruͤßlands“, vor welche die momen—
ane scheinbare Friedenstendenz des Zaren deckend hintrete, bringt
ie „N. Fr. Presse“ eine Art aktenmäßige Bescheinigung, ein
Schriftstück, welches unter der Firma des Generals Jgnatieff den
oeiland Kossuth'schen Plan einer Donau⸗-Konförderation in russi—