Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler AAnzeiger. 
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45 99. DDaJaunstan-den 24. Juni 1876. 
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Deutsches Reich. 
München, 20. Juni. Die — zur Zeit noch nicht voll⸗ 
ständig vollendeten — Referate des Abg. Dr. Schmidt über den 
Ztat des Kaltusministerinnus und des Abg, v. Schloer über die 
Finnahmen und Ausgaben der Staatsbabnen können frühestens zu 
Anfang kom uender Woche im Finanzausschuß und deßhalb nidt 
dor der ersten Woche im Jali in der Kam sner zur Berathung ge⸗ 
angen. Dec vollständige Abschluß der Berathung des Budgets in 
der Kammer der Abgeordneten, dürfte nicht vor Mitte Juli mög⸗ 
ich sein, so daß der Schluß des Landtage:? erst gegen Eude des 
nächsten Monats möglich sein wird. — Vei der gestern im Aus- 
chuß für den Jörg'schen Wahl zesetzentwurf stattgeh ibien Schlußab⸗ 
timmung wurde der Entwurf, wie er aus der zweiten Lefung her⸗ 
porging, mit 7 (ultr.) gegen 6 (lib.) Stimmen angenommen. Hr. 
Abg. Lampert war wegen Uawodlsein nicht erschienen, sonst hätte 
sich Stimmengleichheit ergeden. Der Ansschuß genehmigte auch den 
an die Kammer zu erstattenden Bericht, decr jetzt sosort gedruckt 
werden wird. 
Dem „Fräuk. Kur.“ wird aus München geschrieben: In 
.J. Tagen läuft der Termin dis nun schon so oft verlängerten 
Landtages ab, und noch ist nicht mit nar annäheruder Sicherheit 
abczusehen, bis wann die nun mu einiger Unterbrechung drei Vier- 
el Jahre dauernde Session zu Ede kommen wird. Man trug sich 
in den letzten Wochen mit der Hoffaung, daß das Haus in der 
Prannersgasse bis 15. Juli gesblossen werden lönnte, aber in Be— 
rücksihtigung der in letzter Zeit gemachten Erfahrun en ist diese 
hoffnung wieder sehr getrübt und macht man sich darauf gefaßt, 
hier noch Eiwas von den Hundstagen zu genießen. Viel Hitze 
ind Schweiß wird es auch noch bei dem todtgebornen Kinde 
.Wahlgeseh“ genannt absetzen. Doch trösten wir uns mit dem 
Hedanken: daß Alles sen Ende hat; warum sollte dieses n'cht 
nuch dem „Budget-Landtage“ pafüiren? 
München, 22. Jun'. Die Avsgeordnetenkammer gewährte 
eute d'e 442 procentire Zinßgarantie für 251,000 Mark behnfs 
derstellung neuer Sigualvorr'chtungen auf den Pfälzischen Bahnen, 
dann für 7,355,000 Mart Baucapital der Bihn Zweibrücken⸗ 
hornbach-Bitsch. Der Antrag Hafenbrädls, die Zinsgarant'e nur 
ür die Strecke bis zur Landesgrenze zu gewähren, warde abgelehnt. 
Für den Regierungsentwurf sprachen auf's waänmste die Abzeordneten 
deller. Karl Schmidt und Vaillant. 
Abs. b des Art. 2, wornach eine * procentige Zins jarantie 
ur 6,138,000 M. Baucapetlal der Vahn Kaiserslauiern-Lauter⸗ 
cken (mit Abaweigung nach Otterbera) gemährt werdean sollte, wurde 
nit 71 gegen 70 Stunmen abgelehnt. Die Adg. Phelipp Schnedt, 
Bubhl, Vasllaut sprachen für Gewährung. Ait Nein stimmien u. a. 
much die Abg. Molitor und Horn. 
Schließlich wurde der ganze Gesetzentwurf mit 81 gegen 60 
Summen angenommen, wodei die Aꝛg. Mol tor, Hocn. Pjfahler, 
zörg und acht andere Ultramontane mit Ja stimmten. 
De Petitionen um Eifenbahnen von Insheim nach Wörth 
ind von Herxheim nach Wörth sind durch den heutigen Kammer⸗ 
zeschluß als erledigt zu ecachten; die Petitionen um die Linie 
chaleischweitec? andstahl, um die Glanthalbahn und um die Bahn 
domburg-Rehweilet wurden der Staatsr-gierung zur Wurdizung 
nnüberzegeben. 
Aus Berlin, 20. Juni, meldet man der „All'. Z1g.“: 
Die Nachricht der „Voss. Ztg.“ von der beabsichtigten Neuordnung 
vr freiwesligen Getichtsbarteit und des Notatiats anläßlich der 
zust: zgesetzreiorm ist unbegrundet. Preußen hält an dem bizherigen 
zustande der freiwilligen Gerichtsbarkeit fest, während Bayern ab⸗ 
jencigt ist, das Nokatiat aufzugeben. 
Berhin, 21. Juni. Der „Re'chz-Anzeiger“ schreibt: „Nich 
aner amtlichen Meldang aus Peking haden die bei der chinesi⸗ 
chen Regierung in der Angeregenheit des deutschen Sshiffes 
„Anna“ gethanen diplomatischen Schritte den beabsichtigten Erfolg 
ejabt. Die Strafanträgt gegen die Mörder des Kabttäns und 
des Steuermanakß, gegen die strandräuberischen Fischer der Insel 
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zegen die kompromitirten chinesischen Beamten sind genehmigt. Die 
'ür d'ie Interessenten reklamirte Entschädigung ist zum Theil aus-⸗ 
jejabstt, zum anderen Theil zugesagt worden. Außerdem hat die 
hinesijiche Regierung zur moͤglichsten Verhütung ähnlicher Falle von 
„trandraub eine für gauz China giltige Strandungsordnung er⸗ 
assen, von welcher man sich gute Wirkung verspricht.“ 
— Hexte kursirten die ersten neugeprägten 2-Markfücke unter 
den Abgeordneten; sie zeichnen sich im Gegensatz zu fast allen bis⸗ 
jer'gen Reichsmunzen durch eine besonders gute Prägung aus. 
In Beziehung uuf die Strafbarkeit einer Ueberversicherung 
rines Waarenlagers ꝛc. oder anderen beweglichen Vermögens hat 
das Odertribunal in einem Erkenntniß vonn 18. Mai d. J. fol- 
gende Sätze ausgesprochen: 1) die Ueberversicherung von Waaren⸗ 
agern um 30 Procent und von sonstigem beweglichem Vermögen 
um 50 Procent ist rechtlich als eine wissentliche und somit straf⸗ 
vare so lange zu erachten, als der Versicherungsnehmer nicht das 
Begentheil beweist; 2) der Procentsatz der Ueberversicherung ist 
vom Strafrichter nach den e'nzelnen Rubriken des versicherten Ver⸗ 
nözens, wie sie in ihren Einzelwerthen im Versicherungsvertrage 
angezeben sind und nicht nach dem Gesammtbetrage der Versicherungs-⸗ 
umme festzust llen. 
Wie aus Barlin gemeldet wird, ist Sultan Murad nmia— 
nehr von jämmtlichen Großmächten durch die Botschaft anerkannt. 
Ulso hat aud General Ignatieff den saueren Gang thun müssen, 
wmchdem Gortschatoff's Vorschlag, den Akt von Vorbedingungen 
abhängig zu machen, von den anderen Mächten als „unpaässend“ 
sutückgewiesen wurde. In einem Briefe des Wiener Correspondenten 
der deutschen „Petersburger Zeitung“ wird die Haltung der Nord⸗ 
machtegegenüber der Lage, wie folgt, stizziet: „Die Maͤchte werden 
die Pforte in ihren pac ficatorischen Schritten thallräftigst unter⸗ 
dütßen und zunächst die Auerkennung. des Sultans aussprechen. 
Den Wasollenstaaten und den insurgirten Provinzen aber wird man 
iahelegen, daß es der ernsteste Wille Europas ist, den Frieden 
richt länger stören zu lassen, und in Belgrad wie in Cettinje zeigt 
ich bere ts, daß man sich dort über den Ernst dieses Willens nicht 
äuscht. Die Pacificationsarbeit der türlischen Staatsmänner wird 
yadarch wesentlich gefördert, sowie andererseits das Bestreben der—⸗ 
euigen lahmzelegt wird, welche noch immer bemüht sind, das 
utensivste edißtrauen gegen Rußland zu verbreiten. Der Pforte 
oll Zeit gelassen werden, das Reformwerk zur Durchführung zu 
bringen, und man will eine neue Arußerung erst von dem weileren 
Bange der Ereiguisse abhangig machen.“ 
Baden-Baden, 21. Jun. Die Kaiserin Augusta ist 
Jeute Morgen uach Jugenheim abgereist. Bon da geht die 
da serin nach Koblenz. 
Der Esbaroßheizog von Oldenburg kritt am 1. Juli als 
Zeloide⸗Lieutenant in das J1. Garde-Dragoner-Regiment ein. 
Wickede gibt in der „stöln. Z.“ ein Bild von der Stimmung 
ind Lage Fraukreichs, das wir nicht ohne ernste Gedumilen be— 
schauen fönnen. Er sagt, der Feanzose sei gegen den Deutschen 
etzt höflich, aber kalt, glatt verschlossen. Von Politik rede er nicht 
nit ihm, aber er lasse darcholicken, daß die Zeit der That herbei— 
ommen werde. Kur, um es leüchte aus seinem Verhalten gegen 
uns ein födtlicher Haß heraus. Wickede faͤhrt for:: „Die Franzo⸗ 
ien haden üderhaupt in jeder Hinsicht im letzten Kriege sehr viel 
Jelernt. Ernst und Entschlossenheit, Abneigung vor den Uebertrei⸗ 
»nngen deb Vuxus, angestiengte und mit Nichdenken gepaarte 
Thätickeit ist in die Mehrheit der Bevölkerung eingekehrt, und 
überall machen sich auh die Folgen dieser intellicenten Arbeitsam- 
keit bemerkbar. Bezünstigt durch den seltenen Reichthum des Bo— 
duns, die größkentheils seyr guten Ecnsen der letzten 5 Jahre und 
die velen natürlichen Hilfsmittel des Landes sied die Spuren des 
drieges 1870, selbst in den Theilen Frankreichs, welche am meisten 
eiden mußten, bei Dijon, Orleans, Patis, an der Loire und