Full text: St. Ingberter Anzeiger

Seine, in der Perche, auch bei Sedan und in den dstlichen De⸗ 
hartements, so gänzlich wieder vetwischt, daß man kaum noch die 
Spuren dabon entdeden wird. Man findet fast nirgends gesunde 
Menschen als Bettler, sieht keine zerlumpten, von Elend abgezehr⸗ 
sen Gestalten, dagegen im Ackerbau, bei Bauwerken und in allen 
Fubtiken und Werkstätten und Kaufläden emsigen Fleiß und kann 
sih überall davon überzeugen, wie sehr Handel und Wandel ge⸗ 
deihen müssen. Daher die dedeutenden Zuuahmen der Einlagen in 
die Sparkassen, die wenigen Banteratte, die sich seit 1871 alljähr 
lich mindernden Verbrechen gegen das Eigeuthum und die stets 
srerer werdenden Gefängnisse, Arbeitshäuser und Zuchthäuser, der 
geringere Besuch der Wirthshäuser, Cafes, Theater und besondees 
zuch der so frivolen Concerte. Der Franzose fast aller Stäude 
führt jetzt ein häusliches Leben. Es ist daher in den meisten fran⸗ 
zösischen Provinzialstädten jetzt für einen Fremden ziemlich öde und 
jangweilig; er wird nicht die Hälfte der öffentlichen Vergnügen 
aller Art daselbst finden, wie in einer deutschen Stadt gleichen 
Ranges, und des Abends um 10 Ubr ist Alles wie ausgestorben. 
Selbft Städte wie Lyon, Bordeaur und das so mächtig anwach⸗ 
sende Marseille, eatschieden jetzt weitaus die bedeutendste Hondels⸗ 
stadt des ganzen Mittelmeeres, sind am Abend verhältnißmäßig 
sodt, und wenn man die Vergnügungsanzeiger dieset Stadt mit 
denen 3. B. von Hamburg vergleicht, wird leßleres j den Abend 
gewiß die doppelte Zahl von Theatern, Concerten, Schauvorstellun⸗ 
gen aller Art und besonders von Tingeltangels haben. Schleßlich 
dird dann noch bemerkt, daß der Franzose in Folge seiner Spar⸗ 
samkeit die hohen Steuern und Umlagen leicht tragt, daß das 
deben in Frankceich dabei wohlfeiler ist, als in Deutschland, so 
Faß die Fremden dorthin J'ehen und daß die franzdsische Waare 
an vielen Orlen die deutsche voͤllig verndrängt. — 
Kussand. * 
Die Gesellschaft zur Unterstützung aus zewanderter Elsaß Loth⸗ 
ringer, au deren Spitze der Graf d' Haussonville steht, hat den 
Ueberschwemmten des Eisaß 10,000 Fr. überwiesen. 
Paris, 18. Juni. Auf Beranlassung des Senators Vatemin 
ift in beiden Kammern eine Substription füer die Ueberschwemmten 
des Elsaß eröffnet worden. Die „Republ que francaise“ fordert zu 
allgemeinen Zeichnungen zum Besten von Bevölkerungen auf, „welche 
dieses neuen Ungläcks vicht bedurften, um uns ganz besonders 
theuer und heilig zu sein.“ 
Brüfssel 21. Juni. Nach Berichten aus Löwen haden da⸗ 
selbst größere Uaruhen stattgefunden; in Folge feindlicher Kund- 
gebungen gegen Studire ide, welche der lideralen Partei augehören, 
sind die Universitätsvorlesungen unterbrochen; die Bürgerqa. de ist 
uusammencezogen. 
RVermisqhtes. 
f Zweibrücken.“ (Schwurgerichtsverdandlung vem 21. 
Juni. 83. Fall.) Angeklazt Christian Gampfet, 24 Jahre alt, 
Detonom in Donsieders, wegen Todischlags und Mordversuchs. 
Der Angeklagte verheirathete sich am 29. Okt. v. J. mit 
Magdalena Gampfer von Donsieders und bewohnte von da an 
gemeinschaftlich mit seinen Scwiegereitern zu Donsieders ein Haus, 
das die letzteren im Ethevertrage dem jungen Ehepaar geschenkt 
hatten. Wahrend die ersten Wochen ruhig verliefen, stellten sich 
hald Streitigkeiten ein, deren Veranlassung die Trunksucht des 
alten Gampfer war. Anfangs hielten die Frauen zu dem Ange⸗ 
flagten gegen dessen Schwiegervater; bald traten sie jedoch auf die 
Seule des letzteren über, da idnen de Mißhandlungen desselben 
ducch den Augeklagten mißfielen. Nun ging der Steeit täglich nicht 
meht aus. Mehrfach wurde der Angetlagte bezichtigt, seine drei 
Hausgenossen zu mißhandeln, so daß selbst die Ortspolisei zu Hilfe 
Jerufen wurde. Endlich verließen die alten Leute am 21. Februat 
die Wohnung und bezogen bei Friedrich Gampfer in Donsieders 
eine Dachstube. Die junge Frau solgie noch au demselben Tage 
dahin und zeigte, als der Augeklagte ñe zur Rücklehr aufforderte, 
nicht die geringste Lust hiezu, sondern war in steter Furcht vor 
ihrem Manne. 
Der Angeklagte war kun allein zu Hause und hatte Niemand, 
der sich seines verlasseren Hauswesens annahm. In seinem Un⸗ 
willen hierübet faßte er den Enischluß, seine Frau, wenn sie nicht 
zurüdkehre, zu erschießen. Zu diesem Zwede kaufte er am 23. 
der 25. Febr. einen sechaläufizen Revolver mit scharfen Patronen. 
Alle seine nun sortwährend angestelßtten Bemühungen, seine Frau 
zur Rückkehr zu bestimmen, schlugen sehl, werbalb er vorerst ein 
aAderes Mittel versuchte; er traf namlich am 28. Febr. Vorkeh— 
rungen zur Versteigerung seiner und Verpachtung der Güter seiner 
Frau, worauf er dieser mit: heilen ließ, daß, wenn sie den andern 
Tag Mittags zurücklehre, er diese Maßregeln wieder rüdaanaig 
machen werde. 
Am 29. Febtuar, dem Tage der That, stand er wie gewöhn⸗ 
lich um 7 Uhr auf. Wie er selbst zugibt, hatte er die Absicht, 
in⸗KFrau nochmals zur Rückkehr aufzufordern und sie bei wieder⸗ 
holter Weigerung zu erschießen. Er lud deßhalb feinen Revolver 
und versah fich außerdem mit 5 weiteren scharfen Patronen und 
inem Rasicmmesser. Darauf besuchte er seine kranke Mutter urd 
einen Schwager Weber, dem er sein vorräthiges Geld zum Auf— 
jeben gab. In einer Wirthschaft trank er einen halben Schoppen 
iBein. Ueberall, wo er hinkam, trat er ruhig auf und ließ keint 
Drohungen fallen, und kein Mensch ahnie als er äußer'e, er wolle 
zu seiner Fcau gehen, daß er eine so entsetz'iche That vorhabe. 
Um 8. Uhr llopfte er an der geschlossenen Thüre der Woh⸗ 
aung seiner Frau. Diese oͤffaete ihm und trat auf sein Geheiß 
auf den Vorplatz. Hier forderte er sie wiederum zur Rückkehr auf, 
erhielt aber zur Aniwort, se gehe nicht zu ihm, sie traue ihm 
aicht. Die Schwiegereltern hatten unterdessen die Stube verlassen 
ind sich hinunterdegeben. Der Augeklagte und seine Frau berraten 
run w'eder die Stube in ruhigen Gespräch⸗ so daß die junge 
Frau, ohne etwas Arges zu denken, ihren Mann wieder auf den 
Vorplatz begleitete. Hier erneuecte der Angeklazte seine Aufforde⸗ 
»ung zur Rückkehr, aber mit keinem besseren Eciolge als früher. 
sun griff er in die Hosentasche und mit dem Rufe: „Da sahren 
vir fort!“ oder: „Da fahre ich weiter!“ krachhte der erste Schuß. 
Die Frau fühlte sich gleich getroffen, und wäntend sie sih der 
Thüre zuwendete, gab er zum zweiten Male Fuer. In diesem 
nugenbiicke kam die Schwregermuiter zut Thüre heraus. Ein 
Zchuß streckte sie sojort todt nieder. Jetzt ging der Angeklagte zur 
Thüre hinein, und während er Eiwas am Revolver machte, wie 
zie Frau sagte, hielt diese de Thüre zu. Er riß fie jedoch sogleich 
wieder auf und gabd ihr den vrerten Schuß, worauf sie zu Boden 
ank. Der Augeklagte warf nun den Revolver weg, kniete auf 
eine Frau und fuchte ihr mit dem Rasirmesser den Hals abzu⸗ 
chyneiden, oder, wie er sagt: „Ec fiag an zu säbeln.“ Sein 
Ipfer vehrte sich, so daß er sich selbst am linken Zeigefinger ver⸗ 
vundete, Auf ihre Bitten, er möge sie doch gehen lassen, sie gebe 
zerne mit, erwiderte er: „Ja, wenn du verteckt bift!“ Als sie 
ich nicht meht regle, warf er das Messer weg und steckte den Re⸗ 
ßolver ein. (Schluß folgt.) 
f—Zweibrücken, 22. Juni. In unserm Nachbarort Mittel⸗ 
—XE 
all. Der Herr Buͤrgermeister Heinrich Schneider nahm in seiner 
Zcheuer zwei Marder wahr, welch; sich über die Hühner herzemacht 
hatten. Rasch entfernte er sich, um seine Flinte zu holen, und 
etzte seinen Nichdar Hen. Jakohß Sutter in Kenntniß, welcher 
vann ein Gleiches thai. Beide machten nun auf die Marder, 
velche inzwischen die Scheuer verlassen halten, Jagd, und eins der 
Thiere wurde auch sofort getroffen; dasselbe derkroch sich in einen 
iaden Heckeuzaun. Um nun urgenirt nach'ehyen zu können, ob der 
Marder tödtuͤch getroffen worden, legte Herr Schneider seine Flinte 
nuf den Zaun Spater ergriff er dieselte weeder, leider aber an 
deimn no geladenen Lruuf, der gespinnte Hahn, an einer Hecke 
Widerstind findend, ging loz, uid der Shuß traf Irn. Schnerder 
anglüclicher Werse in die linke Seite des Untecle:bs und verursacht e 
eine, wie wir hoͤcen, lebensgefahrliche Verwundung. (3. 3.) 
f Lambrecht. Tec 10. Verbandstag der pfälz. Benossen⸗ 
ichaften wird hier am 10. und 11. Juli abgedallen (Vorversam.n⸗ 
ung am 10., Haupwersammlung am 11.). Der Anwalt der 
Genossenschaft, Schulze⸗Delitzsch, wird derselben anwohnen. Vor 
aufiz, umfaßt die Tagesocdnung jolgende Gesenstände: Bericht 
des Verdandsdirektors, Berichte aus den einzelnen Veceinen, Referat 
üher d'e Beantwortung der Frazgedogen wegen der Realccedit⸗ 
zenosseujchafien, die Handhabung der Controle in den Vereinen. 
Prüfung und Genehmigung der Verbandsrechnung, Wahl des Ortee, 
in welchem der nächste Verbandstag statifinden soll, Wahl des 
Verbandsdirektors und seines Stellbertretets, Wahl eines oder 
mehrerer Abgeordnesen zum allgemeinen Vereinstag. 
Neustadt. Der am 18. ds. hier abgehaltene Delegirten⸗ 
tag der piälzijchn Gewerbevereine hat sich eingehend mit der 
Frage des Hausirhandels beschäftizt. Es wurden die entgegengesetzten 
Standpunkte mit Ledhaft'gkeit vertrelen; am entsch edensten gezen 
die Hausirer und die Wanderlage sprach Fadrikant Siern von 
Zweidrücken, während Kaufmann Mann ven Grünstadt de freie 
Erwerbsthätigkeit auch in dieser Richtung vertheid gte. Zu einem 
Beschluß kam es nicht; es wurde deu einzelnen Bercinen anheim⸗ 
zestellt, sich bem Verbandstage über den Gegenstand und die damit 
susammenhängenden Frazen zu äußern. — Besprochen wurde fernet 
dre Adkürzung der Zahlungsfristen. Stern von Zweibrücken ver— 
augte kurzweg, es sollte durg Gesetz verboten werden, Uber drei 
Monate zu creditiren, und solle weiter durch Gesetz „eboten werden, 
innen vier Wochen nach Aolauf der dier Monale Klage zu stellen, 
vid tigensalls jeder Anspruch verloren ginge; eer stieß aber auf ent⸗ 
sch edenen Widerspruch, indem ihm bemerklich gemachht wurde, es 
väre sehr traurig, wenn der Handels-und Gewerbestand sich in 
dieser Sache nicht selbst helfen könnte. Man einigie sich schließlich 
hahin, diese Frage den Gewerbevbereinen zu gutachtlicher Aeußerung 
Jurzulegen und fie dann auf dem nächsten Verbandstaqe weiter a