Full text: St. Ingberter Anzeiger

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det St. Ingberter Anzeiger unv das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unlerhaltungssblatt, Sonntags mit illustrirter Bel⸗ 
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4 111. — — ar Samstag, den 15. Juli ee 1876. 
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Deutsches Reich.3... 
Maunchen, 11. Juli. Der Prutionsausschuß der Abgeorde 
netenkammer beschloß in seiner heutigen Sitzung über die dus der 
ßfalz in der Kammer imn elaufenen P-tinonen um Snen bgabe 
uf den Antrag des Pic. Rußwnrmnemik 9gegen 7 Stimmen 
jegen den gemeinschaftuchen Antrag der Referenten Kuvy und Dr. 
Hedz: „Die Pelitionen seien nicht geeignet zut Etdrterung im 
Plenum, nachdem die Frage der Streuabgabe bereits früher im 
ßlenum gründlich erörtert und von Seite der kal. Staatsregterung 
Fdie möglichste Veräcksichtigung der Vandwirthichaft zugesichert 
vorden sei· 424645 
Munchen, 11. Juni. Es ist ganz richtig', daß die ganz 
orzüglichen Werdergewehbre durch die unlängst daran vocrgenommene 
Abaͤnderung eine erhebliche Verschlechterung' erfahren haben. Der 
Zedanke, das Mausetgewehr in der bayerischen Armee einzuführen, 
vodurch die Unzformalität mit der Reichsarmee hergeltellt würde, 
gewinnt immer mehr an Gestalt. 
Aus Müuchen, 11. Juli, schreibt man der „N. Pr.“: 
Wie ich aus sicherer Quelle vernehme, hat sich die k. Staatsregierung 
etzt definitibv entschlossen, die Forstschule in Aschaffenburg aufzu— 
jeden und sie mit der Universität Munchen zu vereinigen. — Die 
jur Reoctganisation üder dieselbe in das Budget der 13. Finai.z⸗ 
Jeriode eingesetzten Postulate sind zurückgezogen. 
Mäünchen, 12. Juli. Wie in militärischen Kreisen ver— 
lautet, soll die Stellung des General-Verwaltungs-Direktors von 
Feinaigle ziemlich erschuͤttert sein. — Nach einer Erklürung des 
driegsministers im Finanzausschusse ind bei Uebernahme seines 
hortefeuille's im Rechnungswesen Unordnungen vorgefunden worden. 
Das „Neue Berl. Tagbl.“ schreibt: In Baiern und Wur⸗ 
emberg haben, worauf mit Rücksicht auf die gegenwärtige Reise⸗ 
zit besonders aufmerkfam gemacht werden muß, die Postwerthzeichen 
der Reichspostverwaltung noch immer keine Geltunge, so daß von 
dort kommende mit Reichswerthzeichen versehene Briefe genau so wie 
infrankirte behandelt und init 20 Pf. Porto bdelegt werden, wobei 
illerdings die aufgeklebte Marke nicht entwerihet wird. Es wäre 
voch endlich an der Zeit, diesem Uebelstande ein Ziel zu setzen, 
za die weniosten Leute wissen, daß innerhalb des Deutichen Reiches 
roch zweierlei Postsysteme bestehen und die Reichtpostverwaltung 
Bnern und Würtemberg nur' nach außen zu verkreten ecmächkigt ist. 
Berlhin, 12. Juli. Die officisse „Prov. Cocresp.“ schließt 
inen Artikel über die Reichstadter Zusammenkunft mit folgenden 
Worten: „Der friedliche Eindruck, den die Nachtichten aus Reich⸗ 
Jadt zunächst in Wien hervorgebracht haben, ist bald überall zur 
Seltuüg gelangt und hat die Zuversicht bestärlt, daß die mächtige 
Friedensgemeinschaft, welche in dem Kaiserbunde ihren festen Mittel 
Jankt hat, auch die Schvierigkeiten der gegenwärtigen Lage üder— 
vinden werde.“ 
Baden Baden, 11. Jusi. Ka'ser Wilhelm ist heute Abend 
im 714 Uhr her eingetroffen. Auf der Reise von Würzburg 
Reher wurde der kaiserliche Zug auf allen Stationen mu enthu⸗ 
äastischn Kuundgebungen empfangen. 
Zaden Baden, 12. Juli. Der Kaiser Wilhelm wird deute 
zen türkischen Botschafter Edhem Pascha, welcher hier eingetroffen 
st, in Aud'enz empfangen und sein Beglaubigungsschreiben, sowie 
)ie officelle Anzeige des Thronwechsels in Konstantinopel entgegen- 
jehmen. Der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, it hbier 
ungetroffen. 
Ausland. 
Wien, 12. Juli. Das Telegraphen-Correspondenz⸗Bureau“ 
neldet aus „bssonde:eer Queller von Sexrajewo, 11. Juli: 
gei Wessegrad fand heute ein größerer Kampf zwischen Serben 
ind Tüͤcken statt, dessen Auszang noch unbekannt ist Die Serben 
eschießen Rovibazar anhaltend; ferner von Skusati, 11. Juli: 
Hheute fanden zwei größere Gefechte zwischen den Montenegrinern 
Id den Türken statt, eines bei Kernica, in der Kraina, ein zweites 
dei Podadricza. Die hier einlausenden Nachtichten lauten weniger 
günstig für die Türken, welche stärkere Verluste erlitften haben sollen. 
ar en, 13. Juli. Das Tageblatt will wissen, Fürst Milan 
habe sich vorgestern an das St. Petersburger Kabinet gewandt, 
Inn die Vermittelung Rüßlands zur Erlangung eines Waffenstill⸗ 
dandes nachzusuchen..— 
Der „Gaulois“ klagt, daß ihm in-Zeit von einem Vierteliahr 
sechs an ihn gerichtete Depeschen auf hoͤheren Befehl, namentlich 
zuf die Weisung des Kriegsministers, vorenthalten worden sind. 
Als Probe iheilt er eines dieser Telegramme, das ihm dann b rief⸗ 
ich zugestellt wurde, mit. Es ist von Marseille, 8. Juli, dalirt 
und lautet allerdings bunt genug.wie folgt:—— 
In Marseille sind 21 ellaß-lothringische Soldaten angekommen, 
welche aus deuischen Regimentern desertirt sind. Unter ihnen be⸗ 
indet sich ein Feldwebel, zwei Sergeanten und einige Korporale. 
Sie sind alle bleich, adgemagert und in einem unbeschreiblich elenden 
Zustande. Der Eine von ihnen trug an seinem Leibe noch furcht⸗ 
hare Spuren von Grausfamkeit, mit welcher die preußischen Offi⸗ 
ziere bei der Ausbildung der Rekruten vorgehen. () Diese Deserteure 
werden der Fremdenlegion einverleibt werden. 
VLondon, 10. Iuli. Mehe als hundert Mann der Miliz 
bon Armaph (Irland) sind von ibrem Regiment desertirt. Das 
Regiment sollte in Gemäßheit des Mobilisirungsplanes heute (Mon⸗ 
jag) nach England abgehen. Die Deserteure waren, wie es heißt, 
iu dem Wahne, daß ihr Regiment nach dem Orient beordert sei. 
Feinet derselben ist bis jetzt eingefangen worden. 
London, 12. Juli. Lord Derby wird, einer Meldung des 
Reuter'schen Bureaus“ zufolße, am Freitag eine aus vielen Mit- 
Jliedern des Unterhauses bestehende Deputation empfangen behufs 
lebetreichung eines Memorandums, welches die Regierung zur 
Aufrechtechaltung vollkommenster Neutralität gegenüber den Ereig⸗ 
nissen im Orient bestimmen soll. 
Belgrad, 13. Juli. Eine vificielle Meldung spricht von 
inbedeutenden Zusammenstößen. Im Uebrigen ist die militärische 
„ituation unverändert. 
Ueber de Greuel, welche die irregulären türklischen Truppen, 
zie Baschi⸗Bozuks und die Ticherkesfen in Bulgaren sich neuerdings 
jaben zu Schulden kommen lassen, bringt ein Brief in der Times 
iderraschende Aufschlüsse. Die Rezierung des Sultans wird direkt 
ür diese Ausbrüche des Fanatismus verantwortlich gemacht, weil 
je die Eutwaffnung der ganzen bulgarischen Bevölkerung befohlen 
ind dann die Tschertessen und Baschi Bozuks bewaffnet und auf die 
vehtlofen Döcfer losgeiassen hat. Was thaten diese Wilden? 
1. Mehr als hundert bulgarische Dörfer sind von Grund 
nus zerstort worden, obgleich ein Verdacht der Theilnahme an der 
evoluͤtionären Bewegung nur gegen 5 oder 6 bestand. 
2. Weuigstens 25,000 unbewaffnete Personen sind kaltblütig 
nassakcirt worden. In den türkischen Zeitungen von Konstantinopel 
vitd diese Summe sogar auf 40,000 angegeben. 
3. Mehr denn 1000 Bulgarenkinder sind geraubt und in die 
Ztlaverei verkaust worden. Man hat sie in den Straßen von 
Adrianopel und Philipoppel öͤffentlich feilgeboten. 
A.' Denen, die nicht ermordet sind, wurden schreckliche Martern 
aller Art auferlegt. 
Bf. Die an den Frauen begangenen Schandthaten übersteigen 
in Gräßlichkeit und Brutalität alles bisher Dagewesene. Die 
Breuel sind um so empörtender, als die Bulgarinnen höhere Begriffe 
von Tugend uad Keuschzheit haben, als die Frauen irgend einer 
inderen orientalischen Völkerschaft. Wüßten Englands Frauen das 
Veschehene, so würde ein folcher Schrei der Entrilstung losbrechen, 
zaß ganz Europa fich erheben würde, um Rache zu nehmen. 
6. Wenigstens 600 Bulgaren schmachten jetzt im Gefängniß 
uind erdulden Foltern, die größtentheits so furchtbar sind, daß 
Futopa seit dem Mittelalter nicht Aehnliches mehr erlebt hat, und 
doch ward die Aufhebung der Tortur in der Türlei durch den 
Zultan Abdul Medschid feierlichst prollamirt. 
7. Viele Tausend Flüchtlinge sind in den großen Städten