Full text: St. Ingberter Anzeiger

Theil des Festes besteht aus einer landwirihs Haftlichen Producken⸗ 
und Geräthe-Ausstellung, aus Vorführung und Prämiirung aus⸗ 
gezeichneten, im Lande gezüchteten Viehes und Pferderennen. Dem 
fesilichen Aufzuge der Preisthiere und dem Rennen, das sich darin 
anschleßt, wohnt regelmäßig der Künig mit dem ganzen Hofe in 
rinem idniglichen ZJelte anu, während das Volr auf den um die 
Rennbahn errichteten Tribünen Platz nimmt. Der „Woͤslen“ ist 
ein reizend gelegener, hinter der Stadt Cannstatt am rechten Neckar⸗ 
ufer sich hinzi⸗hender Wiesengrund, dessen Haupischmuck während 
der Festzeit die „Festtribüne“ mit der „Festsäule“, ein riesiges, mit 
Tannengrün verkleidetes, mit Baumfrüchten, Mais, Melonen ⁊c. 
oerziectes, von einer Säule aus Früchten gekröntes Portal bildet. 
Das Weiter ist bei uns um diese Jahreszeit meist beständig, heller 
Sonnenschein und klare Herbstluft. Dazu bilden gutes altes Bier, 
das für das Volksfest ausdrücklich von den Brauern aufgespart wird 
und der erste neue Wein Anziehungspunkte, denen Arm und Reich 
schwer wiedersteht. Versuche, den gesstigen Gehalt des Festes zu 
Jeden, sind schon gemacht worden, haben aber keinen sonderlichen 
xErfolg gehabt. Im Uebrigen ist das Caunstauer Festleben bei allem 
därm der aus den Produttion schauerlicher Musikbanden und dem 
Gejohle zechender Menschen entsteht, ein gutmüthiges und harmloses. 
indlich⸗ fröhliche Menschen tummeln sich schaarenweise in leidlich 
guter Ordnung; Betannte aus dem ganzen Lande schütteln sich die 
Hände; nicht auf dem Volksfeste gewesen zu sein, gilt als fühlbare 
kntbehrung. Hat der König einen fürstlichen Gast, so kann er ihn 
an diesem Tage dem ganzen Volke vorstellen. So waren der Kaiser 
Ricolaus und Ludwig Napoleon einst gleichzeitig Gäste des Cann⸗ 
statter Volksfestes unter König Wilhelm. Kommt diesmal der 
deuische Katser, den sich die Schwaben auf den französischen Schlacht⸗ 
jeldern mit erstritten, so wird der Jubel ein unbegrenzter sein, im 
hollen Sinne des Wories wird das ganze Land sich aufmachen, 
den Kaiser zu sehen. (C. 3.) 
Gegen Ende September erscheint im Verlage bon J. G. 
Fotta in Stutigart: „Nach dreißig Johren. Neue Dor fgeschichten 
von Berthold Auerbach. Drei elegante Bände à 15— 17 Bogen 
in Oltavp. Broschirt M. 10 — ord.“ Diese drei Bände bieilen 
drei neue dorfgeschichtliche Romane des Dichters, jeder Band ist 
für sich abgeschloffen und enthäält: Band 1: Des Lorle's Reinhard. 
Zand 2: Der Tolpatsch aus Amerika. Band 8: Das Nest an 
der Bahn oder: Die Kinder der Sträflinge. — Diese Reuen DTorf⸗ 
geschichten sind in gewisser Beziehung die Fortsetzung und der Ab⸗ 
schluß dreier der desten ällesten Dorfgeschichten Berthold Auer⸗ 
zach's. 
Obertribunalsentscheidung. Die Ueberschreitung 
der Nothwehr ist nach einem Erkenntniß des Obertribunals vom 
17. Juli d. J. nur dann straflos, wenn die Vertheidigung, deren 
renen in Bestürzung, Furcht ader Schrecken überschritten worden 
(g 333 des St.G.B.) eine gebotene, d. h. eine solche war, die 
erforderlicher Weise einen gegenwärtigen, rechisw drigen Angriff von 
ich oder einem Underen abwenden sollte. — 
In Beziehung auf die gesetzlich zulassige Fahrgeschwindigkeit 
von Fisenbahnzügen und leerfahrenden Locomotiven hat der Straf⸗ 
senat des Ober⸗Tribunals in einem Erkenntniß vom 7. Juli d. J. 
jolgende Sätze ausgesprechen: Die höͤchst zuläͤssige Fahrgesc windigkeit 
einer leer fahrenden Locomotive mit dem Teuder voran regelt sich 
nach der im Bohnpolizei-Reglement vom 4. Januar 1875 gegebein.en 
Voischrijt über die höchst zulässige Fahrgeschwindigkeit von leer 
gehenden Locomotiven ohne Tender voran (30. 45 resp. 60 Kilo⸗ 
meler pto Stunde). Die im 8 24 des erwähnten Reglements 
vorgeschriebene höchste Fahrgeschwindigkeit von nicht mehr als 24 
stilometer pro Stunde bezieht sih nut aus die Fahrt der Locomotive 
nit dem Tender voran bei Arbeitszügen und bei Güterzügen 
wischen den Slationen und den gewerblichen Etablissements, sowie 
auf Bahnhöfen. 
— In den deutschen Münzstätten sind bis zum 19. August 
1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,087, 813,8300 M. Doppel- 
lronen, 828,879,330 M. Kronen; hiervon auf Privatrechnung: 
171345, 164 M.; an Silbermünzen: 64,279,355 M. beMark⸗ 
slücke, 15,648,876 M. 2. Marlstücke, 143, 412, 166 M. 15Mart⸗ 
ftücke, 33,740,47 1 M. 50 Pf. 50Pfennigstüde, 30,553,674 M. 
40 Pffg. 20. Pfenniostücke; an Nickelmünzen: 19,951,110 M. — 
Pfc. 10-Pfennigstücke, 10,749, 134 M. 98 Pfg. 8.Pfenniastücke; 
an Kupfermünzen: 5,742, 198 M. 48 Pf. 2:Pfenn'gstucke; 8,256,015 
M. 10 Pfg. 1-Pfennigstücke. Gesammtprägung: an Goldmünzen: 
L416,692, 630 M.; an Silbermünzen: 287,634,241 M. 90 Pfg.; 
an Nidelmünzen: 30,700. 244 M. 95 Pfg.; an Kupfermünzen: 
8,998,213 M. 58 Pfg. 
4 Eine zcologische Merlwürdigkeit wird aus Wesel gemeldet 
In dem s. g. Dämmerwalde befindet sich ein Nestpaar ausgewachsener 
schwarzer Störche. Schou seit Junf Jahren nisten diese äußersl 
seltenen Thiere in diesem Revier, jedoch kehrt nur immer ein Paar 
im Frühjahr zurüch um daselbst zu visten. 
Aus Szegedin wird Pester Blätkern —X 
gräßlicher Mord, dem vier Menschen zum Opfer fielen, setzt die 
Ztadt in ungeheuere Erregung. Als nämlich vorgestern Mittags 
vdie ziemlich wohlhabemde Bauersfrau, Wittwe Emerich Hajdu, vom 
Zarioffelgraben nach Hause kam. lag ihr 14jähriger Sohn mit 
gräßlich klaffender Halswunde todt im Keller, ebenso ihr zweiter 
Sohn, während zwei Töchter im Alter von 12 und 2 Jahren, 
sodt im Brunnen gefunden wurden. Geraubt wurde nichts. Als 
dringend verdächtig wurde der 28jährige Oukel Fraaz Haidu ein— 
zezogen, welcher die That wegen Erbgelüsie verübt haben soll. Die 
Munher der vdier Opfer ist im Verscheiden. 
f Auf dem Velociped. Das Bois de Boulogne (Paris) ist 
am vorletzten Dienstag der Schauplatz eines bisher noch nicht da⸗ 
Jeweseaen Aufzugs gewesen. Eine Gesellschaft von Velocipedisten 
eierte eine Hochzeit und bediente sich ihrer schwanken Fahrzeuge 
zur Verhertlichung des Festes. Jeder der Herren hatte eine Dame 
dinter sich auf seinem Velcciped. Nur der Riolinspieler, der den 
Zug erdffnete, fuhr allein. Während er mit den Beinen das 
helociped in Bewegung setzte, spielte er unaufhörlich auf seinem 
Instrumente weiter. (4PO0 Ihm folgte der junge Gaͤtte, welcher 
rine sehr hübsche junge Frau führte. Dann kamen junge Herren 
nit den Brautjungfern in elegantester Toilette, die beiderseitigen 
rxllern und kleine Knaben und Mädchen machten den Beschluß. 
ẽs waren im Ganzen 30 Personen. Die sonderbare Cavalcade 
machte, gefolgt von zahlreichen Equipagen, mehrere Touren um die 
Basfins und begab sich sodann nach dim Chalet de la Cascada. 
— wieder auf ihre Velo— 
nipede und zog in derselben Ordnung nach einem Restaurant au 
der Porte Mallot. Nur hatte der Musilant statt seiner Violine 
eine brennende Fackel in die Hand genommen. 
F Ein ertappter Sicherheitswachmann. Kürzlich wurde auf 
dem Bahnhofe in Mailand einem Herrn Antonades eine Reise⸗ 
tasche gestohlen, welche fur 529.,000 Lire Werthpapiere, Baargeld 
und Pretiofen enthielt. Der Dieb ist jedoch beteits ermittelt und 
cast die ganze Summe herbeigeschaff! und zwar auf folgende Weise: 
Zwei Tage nach dem Aufsehen erregenden Diebstahle und ehe noch 
Fie Mailaͤnder Polizei eine Spur von dem Thäter hatte, erbat 
ich ein Sicherheitswachmann beim Polizeidirektor einen zehntägigen 
Arlaub, um seine kranke Munter in Modena zu besuchen. Der 
Polizeidirektor fragte erst telegraphisch in Modena über das Befinden 
zer krauken Mutter an und erhielt die Antwort, daß sich dieselbe 
zer besten Gesundheit erfreue; er erfuhr üherdies, daß derselbe 
Zicherheitswachmann seinet Schwester eben 500 Lire durch eine 
Bosianweisung zugesender habe. Daruuf hin wurde bei dem zärt⸗ 
lichen Sohne und Bruder eine Durchsuchung vorgenommen und vor⸗ 
erst die ieere Handtasche des Antoniades aufgefunden. Dieser 
Fund führte dann auch zur Entdsckung des geraubten Inhalts der 
Tasche. Der Sicherheitswachhmaun st bereits dem Gerichte über— 
gehen. 
Das San-⸗Franzisko-Bulletin theilt mit, daß die diesjährige 
Weizenernte in Kaliforaten vach den genauesten Schätzungen 
ne Millson Tonnen bettägt, wovon 700,000 Tonnen exportirt 
werden. Zur Beförderung dieser ungeheuren Masse von Geireide 
rach Europa — sagt dasjelbe Blatt weiter — bedarf es 700 
Sch ffe von je 1000 Tonnen Gehalt. Würde jedes dieser Schiffe 
n einer Entfernung von 20 Seemeilen vom andern segeln, so 
vürde sich diese Flotte auf 14,000 Meilen, fast *4 des Erdum⸗ 
'anges erstrecken. In Wagenladungen von je 2 Tonnen Gehalt 
hefördert, würde die dazu nothwendige Wagenreihe, den Windungen 
der Central-Pacific-Bahn folgend, die ganze Länge der Bahn von 
Zan Franzisco dis Newpork einnehmen, wenn Wagen an Wagen 
gereiht ist. 
Mis. Robb in dem Orie Corpus Christi in Texas 
tönnte sich mit Recht den Namen einer „Heerdenkönigin“ beilegen. 
Dieselbe besitzt 785, 000 Tagwerk Land, wovon 23.000 Tagwerk 
eingezüurt sind und worauf jährlich 156,000 Ochsen gefüttert werden. 
F Nach einer in Newyork veröffentlichten Liste fanden in der 
ersten Häifte des gegenwärtigen Jahres 4600 Bankerotie in den 
Bereingten Staaten statt. Die Verbindlichkeiten betrugen die Ge⸗ 
ammtsumme von 108,415,429 Dollars. In Kanada waren 858 
Bankerone mit einer Summe von 12,694,236 Dollar. Verglichen 
dit der entsprechenden Hälfte des letzten Jahres zeigt die Zahl der 
Hankerotie in den Vereinigten Staaten eine Zunahme von 1037. 
Aber der Ausweis hat das Tröstliche, daß im Jahre 1876 die 
Bankerotte des zweiten Vierteljahres um tausend weniger betragen 
cis sie des Ersten; ein ähnliches Verhältniß ist in Kanada und so 
scheint das Schlimmste überstanden. 
dienstes nachrichten. 
Der k. Bezirtsgerichtsraih Bauer in Landau wurde auf An⸗ 
suchen zum k. Landrichter daselbst ernannt, zum Landrichter in 
Waldmoht wurde der zweite Staatsanwalt Seubert in Zweibrücken