St. Ingberler Anzeiger.
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M 142. Donuerstag, den 7. September J 1876.
Deutsches Reich.
München, 4. Sept. Das Ministerium des Inneren wird
emnächst eine Entschließung erlassen, daß die Aufertigung der Wähler⸗
isten für die kommende Reichsstagswahl zu bhethätigen und so zeitig
um Abschlusse zu bringen ist, daß deren Auslegung bis zum Monate
October erfolgen kann. Ebenso sollen die Vorb'reitungen für
zie Abgrenzung der Wahlbezirle durch die Bezirksamter Letroffen
verden. N. C.)
Leipzig, 5. Sept. In unserer Stadt herischt ein unge—
jeuer bewegtes festliches Treiben. Sämmtliche Stadttheile glänzen
in reichstem Festschmuck, in manchen Straßen sind die Gebäude
vegen der Massen von Fahnen und Flaggen kaum erkenntlich.
Biele Tausende von Fremden sind schon anwesend, fortwährend
angen auf aller Bahnen Extrazüge an. Gestern Abend trafen
zönig Albert und Königin Carola, am Nachmittag Graf Moltke
und über Nacht mehrere der a gemeldeten fürstlichen Personen ein.
Leipzig, 5. Sept., Abends. Der Kaiser ist heute Nach⸗
nittag halb 5 Uhr in Begleitung der Prinzen Karl und Friecdrich
darl mit Gefolge hier eingetroffen und auf dem Bahnhofe von
dem König Albert und dem Großherzog von Sachsen Weimar em⸗
fangen worden. Nachdem der Bürgermeister eine kurze Begrüßungs⸗
ede an den Kaiser gerichtet hatte, erfolgke unter dem Gelaute
ämmtlicher Glocken der Einzug in die festlich geschmückte Stadt,
n deren Straßen der Kriegerverein, die Kaufmannschaft, sowie die
Innungen mit ihren Fahnen Spalier bildeten. Die Miajestäten
purden von der unzählbaren Menschenmasse, welche den Weg vom
Bahndofe bis zum königlichen Palais erfüllte, mit stürmischem
Jubel begrüßt. Nach der Familientafel wird der Kaiser die Illu⸗
nination der Stadt besichtigen.
Ausland.
London, 4. Sept. Die Zahl der Meetings gegen] die
ßrausamkeilen dee Tütken nimmt zu. Ein Brief Gladstone's ist
zeröffentlicht worden, worin derselbe ankündigt er werde am Sonn-
bend auf dem Meeling in Breeawich eine Rede halten. Er spricht
den Wunsch aus, die Bewegung möge eine nationale werden. —
luf dem Meeting in Rochdale wurde ein Brief Brights verlesen,
votin die Nothwendigkeit betont ist, von der politischen Solidarität
nit der Türkei sich loszusagen. Jede Stadt müsse gegen die Miß—
virthschaft der Türkei protestiren.
Zara, 83. Sept. Seit hente früh wird, zwischen Türken
ind Montenegrinern, bei Kuci eine Schlacht geiiefert. Ausgang
inbekannt. —
Der „N. Fr. Pr.“ wird aus Semlin gemeldet: „In Bel—⸗
zrad herrscht große Aufregung. Russische Offiziere, welche daselbst
ungekommen sind, um an dem Kriege theilzunehmen, insultiren und
nißhandeln friedliche Bürger; unter Anderen haben sie in einem
hotel den Correspondenten eines preußischen Blattes verwundet,
velcher arglos über die letzte Niederlage der Serben sprach.“
Konstantinopel, 4. Sept. Die Botschafter der fremden
Mächte unterbreiten heute der Pforte die Vorschläge zur Verm't⸗
elung des Friedens. Der Sultan empfängt beute die Würdenträger
und hervorragende Banquiers.
Philadelphia, 1. September. Der „Times“ wird
elegraphisch gemeldet: Ausgedehnte indianische Räubereien, durch
erstreute S'oux-Banden ausgeführt, werden gemeldet. Die Post
don Dakota nach Sidney in Nebraska ward am Sonntag ange—
zriffen. Fünfzehn Weiße wurden getödiet und dier andere bei
Buffalo Gap todt aufgefunden. Acht andere wurden an zwei
Stellen nahe Custer getödtet. (A 2
Vermischtes
— Das Zuchtpolizeigerich Zweibrücken derurtbeille kürzlich
»en 483jährigen Christian Rung, Pächter der Weihermühle, und
zessen 530jährigen Taglöhner Peter Kettenring zu je 1 Monat Ge⸗—
aͤngniß, weil Keitenring auf Anstiflten des Mühlenpächters die
dem letztern zuerkaunte Gefängnißstrafe von 10 Tagen unter dessen
Ramen ab ebüßt hatte.
Vom Potzberg, 1. Sept. wird der „Rhpf.“ geschrieben:
Vor Wochen bereits kursirte die Mähr, daß in den Waldungen
auf dem Potzberge ein in Kaiserslautern entlaufener Bär jseinen
Aufenthalt genommen habe. In dem vermeintl'chen nordischen
Inholde fand d'ie geschwätzige Fama jedoch bald einen Wolf, auf
velschen auch wirklich schon Treibjagden abgehalten wurden. Zu der
etzten sollen 16 Schützen aufgeboten worden sein. Trotz solcher
Mufmerksamkeit war Freund Isegrimm so unfreundl'ich, sich nicht
sodischießen zu lassen, vielmehr zwischen zuwei kühnen Jägersmännern
dindurch das Welte zu suchen. Der Eine der Jünger Nimrods soll
vor Schrecken zu Boden gestürzt sein, der Andere aus der gleichen
Arsache das Gewehr nicht losgedrückt haben. Zur Beruhigung
vollen wir arch mittheilen, der in einen Wolf verlleinerte Bär sei
ein entlaufener Schäferhund.
Auch in Speyer ist eine Agitalion gegen das Ueber⸗
handnehmen dis Hausirens und der Wanderlager im Gang.
Man meldet aus Kreuznach, 26. Aug.: In der Nacht
jom 24. zum 25. August brach in der Wirthschaft ,Zum Spicherer
Zerg* dahier Feuer aus, welches das Wirthschaftsgebäude, so wie
ine Scheune gänzlich zerstörte. Leider ist hiebei der Neilust eines
Menschenlebens zu betlagen. Ein junger Kaufmann, Reisender
ines Berliner Hauses, welcher aus dem Weye nach seinem Hotel,
zas Feuer zuerst bemerkte und nach der Brandstätte eilte, wurde
jon einer einstürzenden Mauer getroffen, und zwar, ohne daß irgend
Jemand den Unfall bemerkte. Die verkoblten Reste seines Leich⸗
nams sind aufgefunden.
Aus Munchen schreibt wman der Wiener „Prefse: „Döl⸗
inger, der Nestor der deutschen Professoren, der alte, hochberühmte
Theologe, in dessen Hörsaale sich einstens Kopf an Kopf drängte,
essen Worten die Studenten auf den Gängen lauschten, hat sich
eranlaßt ge ehen, seine Vorlesungen aus Mangel an Zuhörern
inzustellen. Das ist wohl das Bitterste, was dem alten geehrten
Naune passiren konnte. Den Candidaten der Theologie war der
tzesuh der Döllinger'schen Vorlesungen untersagt, der Zufluß aus
»en übrigen Facultäten nahm von Tag zu Tag ab, und so geschah
ꝛs, daß Döllinger vor leeren Bänken stand, Professor und Audi⸗
orium in einer Person sein mußte. Da blieb ihm nichts Anderes
übrig, als zu schließen.“
F Nach 8 61 des Strafgesetzbuches beginnt die dreimonailiche
Feist für die Stellung eines Strafantrages bei s. g. Antragsdelikten
nit dem Tage, seit welchem der zum Antrag berechtigte von der
dandlung und von der Person des Thäters Kenniniß gehabt hat.
Iun Beziehung auf diese Bestimmung hat das Obertribunal in einem
krkenntniß vom 5. Mai d. Is. die Entscheidung gesaällt, daß bei
Injurienprozessen der verkiagte Beleidiger, welcher den Einwand er⸗
jedt, daß die Kenntniß der Beleidung seitens der Kläger länger als
drei Monale vor Anstellung der Klage zurückdatirt, diesen Einwand
zu bewe sen hat. „Die Behauptung des Ablaufs der Antrassfrist
hat im Cwilprozeß die rechtliche Natur eines Einwandes. Indem
der Appellationstichter diesen Beweis von dem Vorklagten erfordert,
hat er weder den 8 61 des Strafgetzbuches noch die Grundsätze
von der Vertheilung der Veweislast verletzt.“
F In Saaralben (Elsaß) ist innerhalb den letzten 8 Tare
3 Mal Feuer ausgebrochen und sind im Ganzen 13 Hauser nebst
Zubehör abgebrunnt.
F Köln, 5. Sept. Nach einer hieher gelangten Privatde⸗
desche ist heute Vormittog auf dem Rhein bei Emmerich der
Schraubendampfer „Vereinigung“ mit dem Personendampfboot
„Stadt Mannheim“ so heftig zusammengestoßen, daß beide Schiffe
janken. Leider sollen 2 Kinder, die sich auf dem Schrauber be⸗—
fanden, ertrunken sein.
. Vom Rhein. Seit Jahren ist man am Rhein gewohnt,
daß während der Monate Juni, Juli, August und September nicht
nur viele Fremde den Rhein vermittelst der Dampfboote befahren,
'ondern daß sich auch solche längere Zeit am Rhein aufhaälten.