Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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M 145. Dienstaq, den 12. September 1876. 
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Deutsches Reich. 
München, 6. Sept. Die vorgestern stattgefundene Ver— 
ammlung der Lehrer der bahyerischen Lehrerbilduagsanstallen war 
on ca. 60 Mitgliedern besucht. Ueber die eiste These des Pro— 
zramms: „Ist es besser, wenn Präparandenschule und Seminar 
»xganisch mit einander verbunden sind, d. h. Eine Anstalt unter 
cinem Vorstind bilden, oder eippfiehlt es sich, die Trennung beider 
eizubehalten ?“ referirte Seminarlehrer Böhn (Altdorf). Nach 
ingehender Debatie einigte sich die Versammlung dahin: 1) Es 
su wünschenswerth daß Seminar und Präparandenschule in eine 
nnigere Verbindung treten, als bisher. 2) Zur Durchführung 
mpfiehlt sich die Vereinigung der Anstalten, die sich an ein und 
»emselben Orte befinden, unter einem Vorstand und die ausjließ⸗ 
iche Beaufsichtigung der isolirten Präparandenschelen von Seite des 
einschlägigen Seminars. 83) Es sollen die Schullehrer-Seminarien 
als Fachschulen gesondert von din die allgemeine Budung vornehm— 
ich vermittelnden An ialten, ebeaso 4) die Präparandenschulen als 
Anstalten, füt Aneignung der allgemeinen Bildung gesondert be⸗ 
tehen bleiben, und 5) sollte, um die Bildungsgelegenheit zu mehren, 
die allgemeine Vorbildung für das Seminar, wie schon bisher, auch 
rnuf Gewerbe⸗ und Lateinschulen erworben werden können. Eben⸗ 
o nahm die Versammiung den Antrag an, daß gemeinsame Con⸗ 
jerenzen der Seminar- urd Präparandenlehrer wünschenswerth 
vären. Hierauf referirte Seminarinspeltor Dr. Andrä (Kaisers⸗ 
autern) uͤber die Frage: „Ist die bisherige Uebung, der Lehrer 
)»er Präparandenschulen und der Seminarien aus der Zahl der 
Volksschullehrer zu eatnehmen, gut zu heißen, oder entspricht es der 
Bedeutuug dieser Bildungsanstalten, daß die Lehrer derselben ihre 
Weiterbildung an einer Universität oder polytechnischen Hochschule 
u suchen und ihre Befäh'gung durch Bestehen einer besonderen 
Früfung nachzuweisen haben?“ Die Versammlung einigte sich über 
oolgende Thesen: 1) Das Streben des Volksschullehrerstandes nach 
entsprechender Weiterbildang und dadurch dedingter Theilnahme an 
zer Verwaltung und Leitung der Schule ist berechligt. 2) Es ist 
vünschenswerth, daß die seminaristisch gebildeten Lehramtscandidaten 
ür das höhere Volksschullehreramt ihre Sseiterbildung durch Studium 
m einer Hochschule suchen, wozu die besset qualifizirten Abikurienten 
zach einem praktischen Biennium und pädagogischen Studium das 
stecht erwerben. 3) Es ist wünschenswerth, daß dieser Bildungs- 
jang seinen Abschluß finde durch eine Prüfung, welche die Be⸗ 
ähigung für das höhere Volksschullehreramt, auch Kreisschulin- 
pection nachweist. 4) Da der Weg zur Hochschule gewöhnlich in 
jer Regel nicht durch das Schullehrerseminar führt, so muß auch 
)en humanistisch und realistisch vorgebildeten Canditaten nach Etr⸗ 
ällung der vorgenannten Bedingungen der Zugang zur Prüfung 
ffen sehen. Hiemit schlossen die Berathunzsgegenstände. Vei dem 
zemeinsamen Diner brachte Seminarlihrer Heigenmoser (München) 
in Hoch auf SZe. M. den König aus und wurde an den König 
in Telegramm abgegeben, worauf die Antwort Abends noch ein⸗ 
raf. Auf die Herren Cultusminister Dr. v. Lutz und Minifierial⸗ 
ath Dr. Huller wurden gleichfalls Toaste ausgebracht. (Südd. R.) 
München, 9. Sept, Se. kais. Hoh. der Krosprinz des 
Deutschen Neichs hat betreffs der nunmehr zu Ende geführten dies⸗ 
aährigen Inspizirung der Kavalerie-Division sowohl hinsichtlich der 
Führung der Truppen, als deren Leistungen und taktischen Aus—⸗ 
zildung nach jeder Richtung hin seine vollste Zaufriedenheit und An⸗ 
erkennung in einer für die bayer'siche Armee höchst ehrenden Weise 
undgegeben. (Der Kronprinz soll ein diesbezügliches Schreiben an 
insern König gerschtet haben.) 
München, 9. Sept. Die oberbaherische Handels- und Ge— 
derbekammer hat an das Staatsministerium der Justiz eine längere 
Fingabe Betreffs Abkürzung der Verjährungsfristen mit dem Petitum 
jerichtet: Hochdaselbe wolle dei Berathung des deutschen Civelge— 
etzbuches dahin wirken, daß die Verjährungszeit für Forderungen 
uex Handelsleute wegen Bezahlung der Waaren, die sie an Nicht 
sandelsleute abgegeben, sowie für Forderungen der Künstler, Hand— 
wverkler uad Gewerbtreibenden wegen Bezahlung ihrer Lieferungen, 
Arbeiten, Dienste oder Verrichtungen auf ein Jahr festgestellt 
werde. 
—A 
nach ist Pater Ambrosius, Prior der hiesigen Karmeliler, vom Mini⸗ 
terium zum Bischof von Würzburg ernannt. Pater Ambrosius ist 
ꝛein seht würdiger Priestet. Seiner politischen Richtung nach gehört 
er, wie schon seine Ernennung anzeigt, zu den Gemäßigten und steht 
allem Parteileben ferne. 
Berlin, 9. Sept. Der „Reichsanzeiger“ schreibt: General⸗ 
Feldnarschall v. Mauteuffel hat sich gestern bei dem Kaiser in 
Nerseburg gemeldet und ist heute hier durchgereist, um sich nach 
harzin zu bdegeben. (Manteuffel war im kaiserlichen Auftrag in 
Watschau bei dem Kaiser von Rußland.) Der „Reichsanzeiger“ 
neldet ferner, daß d'e von der Türkei gezahlte Entschädigungssumme 
»on 300,000 Fres. der Wittwe des ermordeten deutschen Konsuls 
Abbot übergeben worden sei. Dieselbe habe in einem Schreiben 
in den Reichskanzler ihrten Dank dafür ausgesprochen. 
Ausland. 
Zara, 10. Sept. In Folge des Eindringens der Türken 
n Montenegro fliehen die in der Nähe von Grahovo sich auf⸗ 
saltenden Herzegowinesischen Flüchtlinge und viele Montenegriner auf 
sterreichisches Geb'et. 
Die „Ag. Hav.“ will wissen, die hohe Pforte verlange als 
Friedensbedingung u. a. die Schleifung der Festungswerke von 
Zelgrad und Semendria und die Beschräukung der serbischen Armee 
iuf 20,000 PNann. Aus Wien hingegen wird der „Allg. 3.“ 
jemeldet, die Pforte habe die Bekanntgabe ihrer Friedensbeding⸗ 
ingen für den 11. Sept. verheißen und zugesichert, keine absolut 
mannehmbaren Forderungen stellen zu wollen. 
Vermischtes. 
F Die „B. Zig.' schreibt aus Neustadt, 8. Sept: Der 
zremde, der sich in Folge Selbstverwundung im Hospital dahier 
efindet, ist keineswegs so Stockfranzose, daß er der deutschen 
-Prache unkundig set, wie mehrfach verlautete; er spricht nicht 
illein das Deutsche geläufig, sondern sogar mit Anklang von pfälzer 
Dralekt. Nachdem er durch falsche Angaben mehrfach versucht hatte, 
rre zu leiten, vielleicht in Erwartung eines baldigen Ablebens, hat 
ꝛc sich endlich zu Mittheilungen verstanden, die richtig zu sein 
cheinen. Danach heißt er G...ch und ist der Sohn eines 
»fälzer Landmannes aus Weingarken bei Germersheim, der sich in 
xrankreich als Bierbrauer verheirathet und ansässig gemacht hat. 
Er selbst ist Buchhändler und war zu Paris in einer Firma an 
der Chausse d'Antin in Condition, woselbst sein Bruder jetzt noch 
in Diensten. Er ist mit der ausgesprochenen Absicht, Selbstmord 
uu begehen, aach Deutschland gereist. Seine Ankunft soll unter 
inderm einer Heidelberger Buchhandlung avisitt gewesen sein. Sein 
zustand ist keineswegs ungefährlich, wenn auch die Hoffnung auf 
heilung nicht ausgeschlossen ist. Die Kugel sitzt im Felsenbein an 
»er Basis der Gehirnwölbung, konnte aber nicht ausgezogen werden. 
Das Gehör ist auf der rechten Seite zersstört. 
F Aus der badischen Pfalz. Hier kamen fremde Obst⸗ 
äufer an, welche Unterhändler anstellten und ihren Bedarf auf 
nehrere tausend Centner Aepfel aller Socten feststellten. Da die— 
elben seht hohe Preise in Aussicht stellen und ihren starken Bedarf 
zinnen vierzehn Tagen ausgeführt haben wollen, so ist anzunehmen, 
aß die seitherigen Preise sich sehr steigetn, und wer in unserer 
Hegend kein eigenes Obst hat, auf dasselde verzichten muß. 
Luch nach Württemberg werden mehrere tausend Centner Aepfel 
ind Bernen verlingt. 
F Aus dem Oberelsaß, 8. Sept. In den Orte Nieder⸗ 
nusbach spielte sich in voriger Woche eine heitere Scene ab. Ein 
zauer wollte einem andern ein Pferd abkaufen, worauf dieser er⸗ 
särte: „Ich verkaufe das Pferd nicht, lieber verschenke ich es.“ 
Dies geschah im Wirthssause, und es trat dann der Pierdebesitzer