Full text: St. Ingberter Anzeiger

zum Ausdrucke gelangen könnter. Aber auch von den Steuerein⸗ — 
richungen wird in der deutschen Thronrede gesprochen, vnd meen 
braucht keinen großen Scharffinn aufzuwenden, um zu erkennen, 
daß hier die Ausfuhrsprämien gemeint ünd, welche sactisch unseren 
Zucker⸗ und Spiritus · Induftrie lsen gewaͤhrt werden. Die Schutz 
uner mögen aus dieser Stelle der deutschen Thronrede erschen, 
ob wir Recht hatten, als wir vorausfagten, daß ihre Beftrebungen 
an der Macht der Thatsachen zerschellen müssen, Wir haben von 
Teutschland genug Zugeständnifse zu fordern und an Teu schland 
genug zu bieten, um wit Energie und Erfolg die österreichischen 
Interessen beim Abschlasse des Vertrages zu wahren. Aber wie 
dürfen nicht wegen tines Häufleins von Tuch- und DrucdkIndu⸗ 
striellen“ Deutschiand zwingen wollen, eine relrog?ade Richtunqg 
unserer Volkswirthichaft gutauheißen. Die Herren Sch z;bilner 
mögen fich jetzt überzeugen, ob ein Staat wie Oesterreich sich auf 
den Isolirschemen setzen könne. Genau so wie Italten feine protec⸗ 
tionistischen Ziele nicht erreichen konnte, ebensowenig werden zum 
Heile Oesterreichs jemals die Bestrebungen umerer Wollburone durch 
nternutionale Verträge besiegelt werden. Von Riederlage zu 
Niederlage! heißt die Zukuaft des Schutzzolles. Die No hwendig⸗ 
teit, mit Ungarn zu pPackren, brachte die Schuß öllner nicht zut 
Besinnung. Sie müssen erft don Auzen über das wahrhaft .Un⸗ 
prattische* ahrer Besrrebungen beletzrt werden. Jetzt tönt das 
Mahnwort aus Deutschland. Vielleich; solgen ähnliche sundgebuugen 
aus anderen Staaten. Aber was kümmert dis die Zwingherren 
umserer Schlosburgen? Mag Oesterreich seine Kräfte müßig ver 
deuden, um iuren eigennützigen, dem Gesammtwohle widersprechenden 
Urtopien machzufagen, mögen wir uns mit der gauzen Welt verfetnden. 
ihre Dwise bleibt dennoch: Thu' nur Geid in meinen Beutel.“ 
In Paris findet man die Stelle der deuntschen Thronrede 
über die dußeren Angelegenheiten nicht sehr berudigend, und zwar 
deßhalb, „weil sie die Lage für ernstlich genug 'halte, um versichern 
zu müssen, dasß Deutschland in der orientalischen Angelegenheit nur 
dann eingreifen werde, wenn feine eigenen Inreressen bedroht seten. 
Vielfuch wies man auch darauf hin, wie sehr sich die Verhältnisse 
geündert, da heute, wo zu Ileicher Zeit die Kammeen in Berlin 
und Paris eroffnet worden, unan sich, selbst in Versailles, fast nu 
mit Berlin beschäftige, während sonst der Tag der Eröffnung des 
französischen Parlaments n'icht allein für Frankreich, sondern für 
ganz Europasals hochwichtiger erachtet wurde. 
Paris, 1. Nov. Der „Ag. Havas“ zufolge ist das ruf⸗ 
sische Ultimatum an die Pforte gestern Abend durch Ignatieff über⸗ 
reicht worden. 
Belgrad, 1. Ott. Die Antwort der Pforte spricht die 
Geneigtheit aus, eine Wassenruhe von beliebitzer Dauer auf zwei 
Monade doder zwei Tage anzunehmen, jedoch will sie vorherige Be— 
fanntgabe der Friedenspunkte, die geeignet seien, einen desinitiven 
Frieden zu garantiren. Die Pforte will Wafsenruhe für den Frieden, 
nicht für den Krieg. 
(Kagusa, 1. Nos. Die Montenegriner haben gestern Pod— 
goritza eingeschlossen und beschießen den Ort mit dn bei Medun 
croberten türkischen Geschützen. Medun ist von den Montenegrenern 
gaänzlich zersidet. Die montenegrin'schen Truppen, welche früher 
Medun cernirten, sind tiefer in Albanien eingedrungen und haben 
vie Verbindung mit Podgoritza abgeschnitlen. 
Aus Petersbuerg meidet ein Schreiben der oificiosen „W. 
Abendpost,“ daß eine besondere Commission zur Regelung der 
Militärztige eingesetzt wurde; serner wurde der Getreidetransport 
ins Ausland bereits ganz sistirt. Dos Commando der Reserve— 
armee in Südrußland übetnimmt der Großfürst-Thronfolger. 
Der „Ruski Mir“ bricht in ein Wehe⸗ und Wuihgeheul da⸗ 
tüber aut, daß gegenwärtig auf dem serbisch:türkischen striegsschau— 
platze Ströme rein russischen Blutes“ vergossen werden, denn jetzt 
„fallen dem türkischen Schwerie nicht Cyhristen üterhaupt, sondern 
uns nahestehende, blutsverwandte, gebürtige russische Mauner zum 
Opfer.“ Rußland sei jetzt nicht mehr bloser Zauschauer des 
Krieges, sondern fuctischir Theilnehmer an demselben. „Was sollen 
wir nun ihun, wenn Russen durch die Türken zum Tode genwrtert 
werden ? Unter solchen Umständen ist es nicht erlaubt, zu sagen, 
daß Rußland nur dann gegen die Türkei einschreiten daff, wenn 
es hierzu voa Europa b vollmächtigt wird.“ So weit das Blatt. 
In der That sucht solche Unverjchämtheit vergebens ihresgleichen. 
Nachdem man die bethörten Leute zur Schlachtbank geschickt,, ver⸗ 
gießt man jetzt Krokodilsthtänen darüber, daß sie wirklich zu Grunde 
gingen, eiwähnt aber dessen nicht, daß ganz Europa dagegen, als 
eine politische Perfidie vom völkerrechtlichen Standvunlte, lau 
protestixt hat. 
In Folze Weisung der rassischen Regierung dürfen in Odessa 
die Schiffe nicht mehr mit Getreide befrachtet werden, obgleich em 
ausdrückliches Getreideauseubr⸗-Verbot noch nivt erlassen wurde. 
Bermischtes 
73weibrücken, 1. Nowr. Die Hauscollette für Bruckenau 
oat weiter ergeben: 
Uebertrag 14740.M 
NRohrbach.. 186,55 
Ernöd⸗ Ingweilet 20,20 
Hornbache, 64 10 
Mitelbach 350 
Medelstheim. 20,50, 
x. Peppenkum. 8,40, 
5. Seyweiler 6,50, 
». Uweiler. 642, 
9. vebelshein. 701 
20. Blieswengen⸗Bolchen 20.14, 
51. pablirchennn.... 190,54, 
22. Wittershein 661 777 
Summa 843 90 V. 
7 Dörrenbach, 28. Okt. Es ist immerhin interessant 
uin der Hard von Urtunden rinen Blick in vergangene Ziten zu 
hun, be welcher Gelegenheit wir dann oftmals staunen über mancht 
uns ganz unerklärliche Verhältnifse der „quten alten Zeit “ wie 
vir auch zum dfteren uns eines Lächelus nicht erwehren konnen, 
venn wir das „Sonst“ mit dem „Jetzt“ vergleichen. Diefer Tage 
durchblätterte ich einmal wieder die im hiesigen Gemeinde. Krchive 
ʒeponitten Gemeinde- refp. Vürgerme sterrechnungen aus der Zeit 
dor mehr als 100 Jahren z. B. eine folche von 1704. Von 
dieser Rechnmig, die aber itzrer Einrichtung nach auf keinen heutigen 
Bemeirde Voranschlag paffen würde, soll nun behufs Vergleichung 
ener Zeit mit der unsecigen besonders bezüglich der Werthrerhält⸗ 
aisse und ganz besonderer Ausgabeposten ein Autzug folgen und 
vitz man dabei die einzelnen Kapitel dec Rechnung jedes insbe⸗ 
ondere behandeln und das Interefsanteste daraus mitiheiten. Die 
cfinnahmen der Gemeinde in damaliger Zeit anlangend, so waren 
dieselben sehr gering, was daraus hercorgeht, daß bei einet Hotz- 
ersteigerung die Summe von 48 fl. erlöst wurde. GJetzu 3 bis 
000 fl.) 2 Eicherstümme uund 1 Buchenstamm gab man um 10 
Batzen ab. Und heute? Vom Burgereinzugsgewd wurde die 
Bemeindekafse auch n'cht übermäß g angefüllt. Da zablte z. B 
zin frembder“ 12 Botzen und 12Heller, ene Frau, die von aus⸗ 
värts hieher heirathete, O Heller und ein „rembder“, der eine 
burgerstochter“ heirathte, d Batzen und 6 Heller. — Darnach 
daren auch die Ausgaben bemessen. An Besoldung hatte der 
Dorfdittel“ jährlich 1 Gulden, die „Schuldiener“ 2 fl. 10 
Batzen 15 Heller. Der Bürgermeister erhrelt für Pobier und 
Dinte ꝛc. auch 1ufl. jährlich. Eine besondere heu zutage nicht mehr 
nöthige Ausgabe war die fur daß „ftundenglaß“ des Rachtwächters 
mit 8 Boetzen und 8 Heller, ebenso eine jolche als Enischädigung 
für 150 stereter an den Herrn „Over- Ambtwann“ zu —A 
Botzen 8 Heller. Dabei heißt es, die „Amdis-Kösten“ (Kastanien) 
siudt din natara gelieff⸗ rt worden. Die Herren vom „ambie 
jo sie hier eintehrten, zehrten auf Gemeindeloften, ebenso 
die Gemeinderäihe und Schöffew, so sie im Dienst waren 
vas eine Zeche von 1ufl. 12 — 4 Heller nachweist. Die 
Zosten für die Holzfabrikation anlangead sei hier vur ein Posten 
der Rechnurg erwähnt. Derseibe kautet: Atem dei Ernrichtung des 
gemeinen Holz-Zeduls Golzaccords) in ein Glaß wein auffgangen 
1Baßzen 12 Heller. Bezüglich des Kapitels der Wohlthätigken 
wird aufgezäult, daß einer Frau, so ihren Mann in dir Schlach 
verloren, 16 Hellen, zwei Mannern, welche von den Türtken ge. 
'angen gewssen, 2 Batzen und einem armen „Schuttknecht 12 
Heller Unterftühuͤng verwilligt wurde. — Das merlwürdigste Ka 
pitel ist ader das über die Ausgaden für die Viehzucht und will 
nan hier duchstäblich referiren. Da helßt es z. B. Item atß auff 
Michaelis ein frembder schwein Hirth zur gecreinen Herdt gedingt, 
ju wein Kauff verzehret worden 9 Botzen. Item, werlen obiget 
schwein Hirth nicht eingestanden und darauf Nikolaus Hahn wieder 
umb angenohmen worden zu wein Kauff aufgangen 1fl. 8 Batzen. 
Item Johann Grießingers Sohn für ein Tag, so er die schwein 
„in gemeiner Waldung mit Hüthen helffen zu Lohn zahlt 2 Baßen. 
Jiem als denen Ktüden die Hörner abgeschnitten, an Wein getrunen 
JViertel. Item dem Johdann Bucher, so den gemeinen Herdtfassell 
unterhalten für 1 Simmer Saltz 1 fl. 8 Batzen. Item für den 
gemeinen Herdifassell zu vetsch edene Mahl Hey, Rübe und Ohmel 
gekaufft und dafür zahlt 6 fl. 6 Bazeu. Jiem für Honig und 
Artzueh vor gemeinen Herd fassel uusgelegt 8 Beazen 8 Heller. 
Item Peter Juich dem Waßen-Menster ein Maaß wein gereicht, de 
Fr den Creppitten Herdifaffell verscharret 3 Baten. Item gemeeine 
Fühehitten für sei Müh, daß Er für gemeine Herdtfarren graßen 
iassen zahlt 3efl. — Das aus der ,guten alten Zeit. Pf. Post.) 
F'Aus der Nordpfalz. Wie die „Landwirthschaftlicher 
Blätter“ in Nr. 18.5 mittheilen, dat Hr. Gutsbesizer K. Spiet 
duf dem Schmalfelderhofe zu Gunsten des pialzischen Diensthoten— 
ziftes auf die A nahme des ihm auf dem Preiszuchtviehnwrlte zu 
Atsen, jüngsthin für eine Kuh zuertannten ersten Preises von 70 
M. verzichlet. Diese ansehnliche Zuwendung verdient neben vollste 
Anerkennung eine um so grötzere Beachtung, als man darin wob