Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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MI 189. — Dieustag, den 28. Novem ber J 1876. 
Deutsches Reich. 
Berlhin, 25. Nov. Der „Nationalzeitung“ zufolge wird der 
Bundesrath allernächstenss die Frage wegen Betheiligung Deutsch⸗ 
ands an der Pariser Ausstellung zum Austrag bringen und seine 
Brschlüsse dem Reichstage vorlegen. 
Berlin, 25. November. Die angeblich angeordnete Aus⸗ 
»tägung von goldenen Fünfmarkstücken wird wiederrufen. 
Parlamentarisches. Im Reichskanzleramt wird zum 
Artilel 11 der Maß und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 
in Zusotzartilel ausgearbeitet, dahin gehend, daß im Spiritus⸗ 
»erkehr nur amtlich geeigte Gewichtsalloholometer und Thermometer 
Seltung haben sollen. Die Pelitionsktommission des Reichstages 
etaudelte in ihrer vorgestrigen Sitzung denfelben Gegenständ. Es 
ag ihr eine Petition des Vereins deutscher Speritushündler und 
Spritfabr kenten vor⸗ dieselbe bezieht sich auf die Beschlüsfe det 
Vereins, nach welchem 1) d'ie technischen Vorlehrunzen für die Gin⸗ 
ührung des Spiritushandels nach Gewicht von der kaisetl. Rormal⸗ 
ẽkichungs Comnuision getroffen werden knnen, ohne mehr als einen 
ichtigen Gewichtsalloholometer nörhig zu haben und 2) der Maß-⸗ 
jandel krine Garante bielet, währeud der Gewichtshandei die größere 
steellität verbürgt. Die Commission beschloß, die Petitionen der 
steichsrenictung zut Erwägung zu empfehlen und dem Hause münd⸗ 
ichen Bericht zu erstalten. 
Die Kommission zur Vorberathung. der vom Abgeordneten 
Schultze: elitzich vorgeleaten Novelle zum Genossenschaftsgefetz bielt 
„eute und gesteen eine Sitzung ab. Im 8 2 wurde die naqhh eug⸗ 
schem Muster entlehnte Bestimarung, daß es zur Gründung einer 
genossenschaft der Betheiligung von mindestens 7. Meitgliedern be⸗ 
arf, angenommen. Dem 83 des E twurfs gemäß wurde beschlossen, 
aß bei Credite und Produktiv-Geuossenschaften die Geschäftsanthtile 
uf mindestens 100 Mark bemessen und seitens der Mitglieder 
„urch Boll- oder Theilzahlung in die Kasse eingebracht werden müsse, 
edoh soll die Theilzahrung n'icht uner 5 pCt. des Ganjzen all- 
ägurlich betragen dücfen; dagegen wurde beschlossen, daß bei anderen 
Benossenschaften die Geschäfisantheile auf mindestens 30 Mark 
emessen sein müssen,, wahrend der Entwurf 50 Mark fixirt wissen 
oisl. Als Riferent fungirt Abg. Oppenhe'm, die Regieerung ist 
zurch die Kommisserien Geh. Räthe Hagens, Heid und Hauser 
ertreten. 
NAusland. 
Wien, 25. Nov. Der Marquis Salisbury betonte hier 
jeines Unterhaltungen, England erscheine auf der Konferenz 
eineswegs als p incipieller Gegner Rußlands. Es werde darauf 
inkommen, doß Rußland feine Forderungen, in einer Weise for— 
anlitt, wilche dem. Zvecen, die Rechte der christlichen Unterthauen 
u garantiren, Genüge leißet, ohne die Souveränetät der Pforte 
ufzuheben, Soiche Souvberänelätsverletzung könne nicht darin ge— 
unden werden, wenm die Pforle Enropa gegenüber bestimmte Ver— 
flichtungen rücksichtlich ihrer christlichen Untecthanen übernehme 
ind die Mächte bei den einzufübrenden garantirenden Einxschungen 
elbst an Oct und Stell mitwirken 
Wien, 25. Nop mber. Der Manqis. von Salisbury reist 
aorgen von hiet at und begibt sich nach Nom. DeAussi dten 
uf einen ersprießlichen Crfolg der Konferenz habe sich keineswegs 
erbessert. 
Mit lebhaftem Interesse folgten die Polifiker dem Marquis 
Salisbury auf feiner Reise durch die Hauptstädte Curopa's. 
der „Daily Telegraph“ weiß bereits Näheres über die Unterredung 
wischen ihen und dem Fürsten Bismark zu berichten. Fürst Bis 
ark versicherte den englischen Abgesandkéuf der freundlichen Gefühle 
Deutschlands gegen Cygland, allein er bemerkte, Deutschland sei 
urch Fam lienbande, vertraute Beziehungen und Empfindungen der 
dankbarkeit mit dem Kaiser Al xauder verknüpft. Es würde unter 
en Umständen unmszlich für Deuischland'sjen, sich auf England's 
Se'te zu stellen oder auch nur Rußland Rathschläge zu erlheilen. 
deutschland, fügte er hinzu, wird Fagland herzlich in all' seinen 
Bemühungen zur Erhaltung des Friedens unterstützer.. Allein im 
Falle ein Krieg ausbrechen soute, wird es eine Haltung strenger 
dentralität beobachten. Der Fürst gingso weit anzudeuten, Deutsch- 
and würde keine Einwendungen gegen die Besetzung eines Theiles 
ürkischen Gebietes durch russische Truppen erheben. Frankreichs er⸗ 
vähnte Fürst B'smark mit keinem Worte. Obschon er den Wunsch 
nussprach. daß der Friede erhalten bleiben möge, äußerte er doch. 
eine sonderliche Hoffnung hinsichtlich des Gelingeus der Conferenz. 
Ich döre, meldet der Berichterstatter weikter, daß Lord Salisbury 
ie Aufiten des Kaifers bezüglich des Friedens als weit günstiger 
scun die des Fürsten Biswark aufgefallen sind. Beide indessen er— 
viesen fich stark in dem Entschlusse, die strengste Neuttalität zu wah⸗ 
en. Sollte die Mittheilung auch auf Kombination beruhen, so 
arechen doch alle Anzeichen dafür, daß die Politik der deutschen 
deichsregierung in der That eine solche ist, wie sie oben angegeben 
nurde. 
Paris, 25. November. Gestern fand in der Deputirkenkam—⸗ 
ner zu Versasles eine sehr stürmische Situng stalt. Triftan Lambert 
in enthusiastischer Bonapartist, rief in offener Sitzung: „Vive I'Em-— 
sreur!“ Der Praͤsident sprach sofort die übliche Verwatnung gegen 
hu aus. — Prinz Napolcon dielt eine antillerikale Rede, in welcher 
ruder ultramontanen Kamarilla vorwarf, im Jahre 1870 die 
Allianz Italiens-mit Fraukreich hintertrieben zu haben. Gambetta' 
enutzte sofort diese. Aeußerung des Schw'egersohnes des Königs 
zictor Emanuel, indem er gegen die verderbensvolle „Spanierin“ 
ttans rin Eugenie) donnerte, 
London, 23. November. Die hiesizen Zeitungen wollen 
em. Ehrenwort des Kaisers Al-xander,, womit er seine friedliche 
zesinnung und. Useigen — bekräftigt hat, nicht recht ttauen. 
zie erinnern daran, daß ———— Schuwaloff extra zu dem 
weck nach London kam, um im- Namen des Czaren zu versichern. 
kußland denke nicht mehr an die Eroberun; von Chiwa — nach⸗ 
er aber wurde Cyiwa doch annectirt. Sie erinaecn daran, daß 
ngeblich „wingende Nothwendigkeiten“ die schössten Versicherungen 
dußlands schon zu wiederholten Malen habenvin Rauch aufgehen 
assen, ud sie meigen, wenn einmal die Russen in' Bulgarien 
anden, könnte sich leicht wieder eine solche „wingende Nolhwen— 
igkeit fi nden, welche sie nöthige, es zu behalten und gar; um ihrer 
Zicherheit wilen auch, noch Konstantinopel zu nehmen, trotz der Ver⸗ 
icherung des Czaren und natürlich sehr wieder Willen, 'aber weil— 
die „Verlältnisse“ sie eben dazu drängen wücden. Ein solches 
drängendes Verhältniß“ sei jetzt auch die Volksstimmung in Ruß— 
and, welche sich die russische Regierung nach Bedarf hergetichtet 
abe, und welche sie schon als-, zwingende Nothwendigkeit“ gegen 
)ie anderen Regierungen auszespelt hate; cs sei aber zu permuthen, 
daß sie sich gern „wingen“ lasse, zumal sie sich den Zvang offen— 
bar bestelli habe. 
London, 23. Nop. Daß Rußlands und Englands Inte— 
ressen nicht allein am goldenen Horn, sondern auch in Centralasien 
und an der britischeindeichen Grenze aufeinanderplatzen, lehrt die 
erregte Sprahe der dem indischen Amte besonders nahe stehenden 
Bläuer, Pall Mall Gazette nnd Manchester Gunardian. Tet hiesige 
Berichterstaiter des lezteren gibt an, daß dem indischen Auie gerade 
aus der éllerletzten Zeit neue, sprehende Beweise dafür dvorliegen, 
jaß die russijge Politik in der Richtung gach Indien hin mit den 
riedlichen Versiberungen des Kalsers durchaus ucht im Einklang 
teht, daß russische Agenten den Emir von Kabal gegen Eogland 
baebracht haben. Das indische Amt hat Beweise dafür, daß Ruß— 
und tein Bündniß mit Afghanistan aubahut, welches Eugland 
xhaden bereiten müßte, und der genannte Korrespondent ist in 
er Lage zu versichern, daß das indishe Amt auf Grund diefer 
Zeweise sich zur Aufgabe seiner bisherigen rein abwartenden und 
»assiven Politik entschiossen hat. Es hat sich für die Sicherheit 
»es Bolaupasses entschieden und beabsi htigt eine Expedition gegen 
zje Afridis, um eine bessere Deckhung für den Kaiberpaß zu erlangen. 
Wenn Rußland seine Kräfte in Asien mit keinem mächtigeren