Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
lage), erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donaeretag, Saünstazg nud Sonutag. Der A⸗34 u1rment spreis betraägt vierteljährlich 
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48 19411. ESamstaa, den 2. December 1876. 
Deutlsches Reich. 
Berlin, 28. Nov. Eine neue Ecrfiidung Krupp's, die soj. 
Panzerkanone, erregt in militärischen Kressen groß⸗s Aufsehen. Sie 
löt das Problem, den beim shweren Geschütz so störenden Rücklauf 
zu beseitigen, dadurch, daß um den Kopf derselben eine Kugel ge— 
schraubt ist, die genau in das Kugelgelent einer feststehenden Panzer— 
platte paßt. Die Schildzapfen des Geschützes ruhen in einer ein; 
fachen eisernen Lafette, welche mit Rollrädern versehen, auf einer 
sreisschiene läuft. Diese Schiene gestattet in Zusammenwirlung 
mit dem Kugelgelenk eine ausreichende Seitenrichtung des Geschützes. 
Bei Versuchen mit unserm Feldgeschütz (8.7 Cim.) wurden aus 
dem aptirten Rohr 203 Schuß mit 1,5 K. Ladung und 6.8 K. 
schweren Geschossen verfeuert, ohne daß Panzeplatte oder Rohr 
Schäoden gezeigt hätten. Selbst das scheiubar so gefährdete G winde, 
welches stugel und Geschützkopf zusammenhält, hatke nicht gelitten. 
Die Kugel ließ sich nach dem Schießen eben so leicht abschreuben 
wie vorher. Mit dem genannten Geschützt hat man in 60 Schuß. 
die in 15 Minuten abgefeuert wurden, ein geradezu frappirendes 
Refultat erbalten. Das Scheibenbild zeiet sämmiliche 60 S düsse 
eng gruppirt auf der linken Seite der Scheibe in einem Rechtecke 
bon 395 Em. Höhe und 2,20 Cu. Breue. Man schoß auf 
1521 Meter und nur beim ersten Schuß wir gezielt worden. 
Dann hatte man, ohne sich um die Nichtung zu kümmern, weiter 
gefeuert. 
Berlin, 28. Nop. Die Reichstagscommission zur Vor 
»erathung der von Schulzes Delitzsch beantragten Rev-sion des Gesrossen— 
chatsgesetzs hat bisher unter dem Vorsitz des Adg. v. Vahl zwei 
Sitzungen gehalten. Zam Berichterstatter ist der Abg. Oppenneim 
rnaunt. Erne Masse von Pelitionen der eingetragenen Genossen- 
scheften füt Annahmne des ganzen Gesetzentvurfs ist gleich in den 
etsten Tagen beim Reichstaze eingelaufen. Ver Entwurf vösteht 
wer aus sehr verschiedenen Bestandtheilen; einige der vorgeschlagenen 
Aenderungen sind äberwiegend von interpretator scher Tragweite und 
edürfen dairum der steiengelen jurist shen Paufung; andere, welche 
äch auf die Feststellang von Geschäftsantheilen, die Ausschließung 
yvon Procuristen bei der Geschäfsführusg der Genossenschaften und 
namenilich auf eine Umgestaltung des Umlageverfahrens bei Leaqui⸗ 
dationen und Corcarsen beziehen, erheischen die eingehendste sachliche 
Debatte. Die Frage, os und in we weit jur stifche Personen oder 
Handlunzsfirmen an Genossenschasten the'lnehmen können, wurde 
nach einer lärgeren Debatte in ener proviiorischen Weise enischieden, 
velche einer Bertagung auf die zweite Lesung gleichkommt. Der 
»51 Shalze Delitzsch beantragten Fix rung einer minivalen Mite 
zliederzahl (von 7 Mann) hat die Commission in ecuer Lsung 
sugest mutt, ebenso der Fesisetzung minima'er Geschäftsanzheile von 
100 M. für Credit- und Productiv Genossenschaften, und von 30 
M. für Consum- und andre Vereine. Der Ansra,steller, welcher 
ür letz'ere 50 M. vorgesch'agen hatte, schloß sich selbst dem Antrage 
Oppenheim's für die geringere Zahl au. Damit wäre die Frage 
beautwortet, welche auf Anlaß der Ruffeisen'shen Darlebenskassen 
—D00 
eine selbst schon die Nothwendigkeit best'mmter Geschäftsantheil⸗ 
unerkannt. Den Comnissionsberathungen wohren als meg'erungs- 
dertreter de Herren Geh. Rähe Hazgens, Hid und Hiufset bei. 
Berlhin, 29- Nosd. In der heutigen Sazung der Petitions— 
Tomm'ssion dis Reschstags erklärte der Bundescommissar bezüglich 
der Petition umn Aufschiebung des Ternins für Wiederaufhebung 
der Eqsenzölle, daß weder die Reitsregierung noh Preußen inen 
Termin für die Hinausschiebung die Aufhebung der Esenzölle be— 
antragen, auch keinen dahin zielenden Autrag unterstützen würden. 
Der von den Zestungen veröff utlchte Wortlaut decr Vorlage über 
die einzuführende Ausgleichungsahgabe sei richtig, über desen Vor— 
schlag Preußens habe aber der Bundesralh non zu veünnecßen. 
Die Pel'tions-Commission beschloß hierauf inre iennnng dis 
um Eingang des Gesetzentwutrses über de A tezube zu 
vertagen 
Berlin, 29. Nov. Bei Besprechung der gegenwärtigen Lage 
der Reichsjust'zaesetze weist die officisse „Provinzial Correspondenz“ 
darauf hin, daß mehrfach Beschüsse gefaßt worden seien, deren 
Unnadmne für de Bundesregierungen nach deren Ueberzeugung hin— 
ichtlich der Bedinzungen, von welchen dad öffentliche Wohl abhänge, 
ind bei ihrer Verantwortlichkeit für dieses geradezu unmöglich sei. 
Die Regierungen dürften und würden das hohe Gut der nationalen 
sechtseinheit nicht mit Zugeständn ssen erkaufen, durch welche die 
Rechtssi herheit erichüttert würde. Das Eatgegenkommen der Re— 
Jieruagen finde vielmehr unbedingt seine Grenze an ihrer Verant⸗ 
votlichleit für die Wahruag des Staatswohles und der Staats- 
iherheit. Das Blatt gibt schließlich dem Wunsche Ausdruck, daß 
nicht die Punke des Zwieipeltes immer weiter gehäuft würden; 
chon jetzt bedürfe es der ernstesten Arbeit und einer vertrauensvbollen 
Berstä digung vor der entgältig'n Beschlußnahme, um die schließl'che 
Dere nbaruag zu sichern. Der Schluz der Session des Reichstags 
verde kaum vor dem 20. Deeember erfolgen. 
Berlin, 29. Nov. In der heutigen Sttzung der Pelitions⸗ 
om nission erllärte der Bundeskommissär, daß bezüglich der Peti— 
ionen für Wieder Aufhebung der Eisenzölle weder die Reichsregie⸗ 
ung noch Preutz'n einen Termin zur Hinausschiebung der Eisenzölle 
eantragen, auch keinen dahin zielenden Antrag unterstützen würden. 
Der von den Zenungen veröffentlichte Wortlaut der Vorlage über 
ie einzuiührende Auszleichssaugabe sei richtig, über den bezüzlichen 
Vorschlag Preußens habe aber der Bundesrath noch zu beschließen. 
Die Petitionskommission bischloß hierauf, ihte Bera'haug bis zum 
kingaug des Gesttzeaktwarfes über die Ausgleichsabgabhrn zu ver— 
agen. 
Ausland. 
Wien, 29. Nov. In diplomatischen Kreisen verlauket, Graf 
Undrassy habe dem Manquis von Salisbury auf dissen E öffaungen 
infach erwidert, er müusse sih England gezenüber eiac Politik der 
ceien Hand vorbehalten und dabei betont, daß es ihn für seine 
ßerson lediglich auf die Festhallunz des Decikaise bündnisses 
inkomme. 
Nom, 29. November, Abends. Margais Salisbury ist h'er 
eingetroffen. 
Konstantinopel, 29. Nov. Die P'orte ließ die rumä— 
zische Regierung bedeuten, sie könne die Neutraltat Rumäniens 
nur so lange respektiren, als dieselbe von anderer Seite uscht ver⸗ 
egt werd:. 
Konstantinopel, 29. November. Gutem Vernehmen 
iach ist eine Ministerkr sis ausgebrochen, indem der Broßvezier seine 
Zustimmung zu Midhan Pascha's Verfassungs-ntwurf aus princ'piellen 
Bründen verweigerte und auf die Eutscheidung des Sultans drang. 
Konstantinopel, 29. November, Abds. Die französischen 
Bevoll nächtigten zur Conferenz Grafen Ehaudordd und Bourgoing 
ind heute hier angekommen. 
Warschau, 28. Nov. Die beabsittigte Verstärkung der 
Truppen des Warschauer Militärberks ist vorläufi sistert, da zegen 
iind die in Polen eingezogegen Reserven theilwesise schon zu den 
nobilen Truppen abgesandt worden. Voraussichtlich konmmt die 
werte Garde: D vision nach Polen. Als Haupsquartier der „Weichsel⸗ 
Armee“ wird Sklerniew'c, Knotenpuakt dec Warschau, Wiener und 
Bromberger Bahn, bezeichnet. Die erste Garde-Div sion geht nach 
Reval und Riga. 
Petersburg, 29. Nop. Di'e Mittheilungen über den dem 
Marquis Salisbury in Berlin und Wen gewerdenen Empfang hat 
nan hier mit großem Interesse verfolgt. Die Besprechungen, 
welche der Masquis hotte, werden ihm de Gewißheit gegeben haven, 
»aß in den inumen Beziehnngen zwischen den 3 Kasserhöfen keine 
lenderung eingetreten ist. Rußland hat wicht als Hauptforderung 
„Occopation“ auf der Confercenz zu vertreten, aber bestimmt zu er— 
lären, daß die türkische Zerfassung und'stuterdar sei, daß die Aus 
onome licherg stellt werden müsse, daß für diese Sicherung als Mit⸗ 
lel zum Zweck die Occupation ersfordersich erschine. Wollen sich an—