Sl. Angberler Anzeiger.
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9 Samstag, den 5. Februar
—2— 20.
Aö
München. Mit Zustimmung des Staatsministeriums der
Finanzen hot das Cultusministerium verfügt, daß die Eutschließung
zom 26. November v. J. sowohl bezüglich der in beschränktecs
Weise gestatteten Bezahlung der Zulagen als in Bezug auf den
Umrechnungsmodus auch auf die den Geistlichen und Volksschul⸗
lehrern in der 12. Finanzperiode bewilligten Zulagen in Anwen⸗
pang zu bringen ist.
Die deutsche Kunst- und Kunstgewerbe ⸗Ausstellung in Müen-—
gen 1876, welche der Münchener Kunstzewerbe⸗Verein anläßlich
einer 25jährigen Jubiliäumsfeier in's Leben gerufen, nimmt nach
)en bereits vorliegenden Aumeldungen (für welche der Termin mit
»em 15. Februar ablaufen wird) ungeahnte Dimensionen an. Der
Irößte Theil det deutschen Fürsten hat die entgegenkommendste Be⸗
reitwilligkeit an den Tag gelegt, die Ausstellung mit den kostbarsten
Werken alter wie neuer Zeit zu verherclichen, und selbst die Pfor-
en des Grünen Gewölbes in Dresden, sonst unerbittlich, werden
ich aufthan um die Schätze dieser berühmten Sammlung in Con⸗
uurrenz treten zu lasseꝛ. Ebenso werden de Dom⸗ und Kirchen⸗
cchätze sich einfinden und überhaupt Dinge sich versammeln, welche
vohl noch niemals vereinigt geschaut werden konnten. Die letzte
eneralversammlung ließ einen Blick in den bisderigen Verlauf
hun und sporunte die Anwesenden an, Alles aufzubieten, daß das
nederne Kunsthandwerk nicht hinter der Repräseutation des älteren
uruckbleibe, wie auch, daß Bayern seine Stelle unter den übrigen
ʒeutschen Pfligestätten von Kunst und Kunstgewerbe mit allen Kräf⸗
en behaupte. Eine darauffolgende Versammlung der acht Comm s⸗
ionen entschied dann endziltig die Frage, wie die Jury eingerichtet
verden müsse, dahin, daß dieselbe in qrantitativem und qualitativem
Berhältussse zu den eingesandten Werten aus Vertrerern von ganz
Deutschland zusammengesetzt werden soll. Eine besondere Förder
ing des Unternehmens ergab sich aus der bewilligten Frahter⸗
näßigunz auf die Hälfte, welche bis jetzt von Preaßen, Bayern,
Bürttemberg, Baden, Hessen und Reichslanden erlangt warde. Im
Slaspalast herrscht bereiiss de größte Rührigkeit. Da bei dem
Amfang der Ausstellung die Gallerieen nicht entbehrt werden kön⸗
jen, werden eben die bisher hölzernen Unterzuzzbhalken mit eiser⸗
ien Sch'enen ausgewechselt, um jede öglichkeit von Gefabrt bei
eder Velastung zu beseitigen. Ferner hat man bereits begonnen,
vott durch Aufstellung von Zwishenvänden die Cabineie zu dilden,
Roöoͤze de begeisterte Theilnahme, welche sih dis jetzt in allen
Schichten der Bedörlerung geäußert, nicht erlalten, damit die Aus—
kellung im besten Singe zu einem Edrentage der deutschen Nation
und nicht blos der Vergangenheit, sonders auch der Gegenwart
vird. Möge man aber auch den Comiteen die Arbeit nicht in
müderlegker Weise erschweten, indem man in principiellem Meiß-
zerftändnisse des Programms Anmeldungen einsendet, die lediglich
industrieller Natur sind, wie von Hanfschläuchea, Tauen, Pflaster⸗
leinen u. s. w. Es bedarf do q eigentlich keine Erklärung, was
uu kunstgewerblichen Erzeugnissen zu zählen sei.
Berlin, 31. Jan. Die Berathung dec Strafgesetz Novelle
n zweiter Lese ist beeadigt, und die Regierung hat, wenn nicht in
illen Punkten, so doch in denjenigen, auf welche der Reichtkanzler
das größte Gewicht legte, ihren Willen durchgesetzt. Der Wider-
tand gegen die Dierer des Gesetzes ist mu verschärften Strafen
elegt, und der Arnim-⸗Paragkaph ist eben so gut wie der Duchesne⸗
baragraph angenommen worden. Auch die Annahme des Kanzel⸗
daragraphen in dritter Lesung wird von Denj⸗nigen mit Bestimmt⸗
eit erwartet, welche die Fraktionsberhältnisse genau kennen.
dennoch spricht man hin uand wieder von großer Unzufriedenheit
er Regiereng, ja, von Auflösung des Reichtages, was offenbar
iin ganz grundloses Gerede ist und schon durh die Vorlagen der
deicheregierung widerlegt wird.
Berlin, 2. Febt. Die „Provinzial-Korrespondenz“ be⸗
aricht die Sirafgesetznovelle und die sozialen Gefahten in einem
geren Artikel und weist auf die außerordentlich erregten, persön⸗
Deutsches Reich.
lichen Angriffe and die leidenschaftlichen Parkei⸗Aeußerungen hin,
ju welchen ein liberaler Redner die Rede des Ministers Grafen
kulenburg über Art. 180 der Novelle benutzt habe. Sie erwähnt
dabei der bei der ersten Lesung von dem Fürsten Bismarck aus-
jespro henen Hoffnung, daß eine ruhige, konfliktfreie Stimmung, die
er für die Behandlung der Frage gesichert erachte, dazu beitragen
verde, der Diskussion einen ruhigen Verlauf zu verleihen, und fuͤgt
dinzu, diese Ankündigung der unbefangenen Stellang der Bundes⸗
segierungen habe die tiefgehende politische Beunruhigung, welche sich
m Voraus an die Berathung gelnüpft, wesentlich beschwichtigt und
die Bedingungen für ein weiteres vertrauensvolles Zusammenwirken
wischen Bandesregzierungen und Reichstag gestärkt. Um so mehr
väre zu bedauern. wenn durch ein Wiederaufleben überwundener
darteiledenschaften die parlamentarische Wirtsamkeit gehemmt und
zelähmt würde.
Der Telegraphentarif, wie er dem Bundesrathe zur Geneh—
nigung vorliegt, hat noch nicht die Genehmigung Baierns und
Vürtembergs erhalten und wird nun, da der Reichstag sich der
Sa he annimmt, noch auf Anstände stoßen, ehte er in Kraft und
Virksamkeit tritt. Der Tersuh, velcher jetzt ge nacht werden soll,
bird sich zuvor noh zu bewähren heabea und die Einführung don
Aenderungen, nachdem einmal etwas Neues sich gestaltel hat, hat
tets Sshwierigkeiten, wie man dies ja bei den Portotaxen gesehen
Jat. Daher ist anzunehmen, daß der Telegraphentarif, ehe er in
Wierksamkeit treten soll, no 9mals einer Redision unterworfen wer den
vird. Vermuthlich werden auch no d Handelskammern und andere
kaufmännische Kör perschaften ihre Vorschläge machen.
De Angelege nheit der Herausforderung der deeißig Gardeoffi⸗
ziere Seitens einiger Franzosen ist nunmehr soweit gediehen, daß
die franzssische Botschaft hierselbst Erkundigungen darüber einzieht,
Ib das Ganze eine alberne Mystifikation ist, oder ob die Urheber
virklich e xistiten und die Sachhe ernstlich meinen. Im leßteren
Falle wird der Ehsenrath des ersten Bacdereziments üher Annahme
odec Adlehnung in Berathung treten.
NAusland.
Das Dunkel und die Wideriprüche in der vielbesprochenen
Angele genheit des von der russischen Regierung aus Odessa nach
Berm (Gouvernementastadt im europäischen Uralgebiey) verwiesenen
Millsonärs Brodsty beginnt sich nun zu lüften. Brodsky ist der
LIrheber der bekannten gefälschten Telegtamme und Nachrichten
iber angebliche russische Truppeurüstungen, neue rujfische Kriegs⸗
inleihen u. s. w. gewesen, die er, behufs Börsea- und Getreide⸗
pelulationen in die Welt geschickt hat. Oznehin ist Brodsky nichts
veniger als eine moralisch-fleckenlose Persönlichkeit, auch sein plotz⸗
licher Reicht,;um nicht gerade lauteren Ursprungs. Indem die ruͤs—
sische Regierung Brodsly aus Od ss, enifernen ließ, verfuhr sie
taft eines alten, noch existirenden, wenn auch vielleicht in Zukunft
ufzuhebenden Gesetzes, das den Juden in russischen Haupt⸗ und
Bouvernementsstädten nur ein bedingungsweises und jederzeit wieder
zufzuhebendes Domizilrech? gewährt. Uedrigens ist Brodsky, nun⸗
nehr auf Bitten seiner Familie von Perm nach der im Innern
des Richs kelegenen Gouvernementsstadt Kaluga geschickt. Jr
Pdessa seldst wird dies gegen Brodsky angewandte Verfahren der
degiernng allgemein gebilligt. Brodsty's falsifikatorische Boͤrsen⸗
naudver haden dort Hunderte an den Bettelstab gebra di.
Während das Interesse der Regier ingen und der Volker
xu'opas fast ausschließlch nur dem Gange der intervenirenden
iplomatischen Thätigkeit und dem zukünfligen Schichsal der ch ist⸗
ichen Slaven auf der Ballanhalbinsel zugewandt ist, wird hier die
dage der in der Turkei ansässigen Europäer von Tage zu Tage
ine bedenklichere, ja fast gefahrdrohende. Die ältesten der hier in
danstontinopel ansässizen Europäer wissen 39 keiner Zeit zu er⸗
anern, wo der muhamedanische Fanatismus so offene Zeichen der
Fendfel gkteiten gegen Gauren und Rajahs kund gethan hat. Noch
arall sitt die Ungewißheit des Kommenden und die zunächst gegen
die jetzige Regierung, ja gegen den Sultan selbst gerichtete Miß⸗