Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M. 26. Dienstag, den 15. Februar 
186. 
Deutsches Reich. 
München, 11. Febr. Se. Maj. der König hat den Reichs⸗ 
rath Dr. v. Cramer-Klett in Nürnberg, in Anerkeunung der Ver-. 
dienste, welche er sich um die bayerische Industrie und um die 
Arbeiterverdältnisse Nürnbergz erworben, in den erblichen Frei⸗ 
zerrnstand des Königreichs erhoben, und diese Auszeichneng deme 
elben id einem sehrr gnädigen Handschreiben mitgetheilt. (A. 3.) 
Berlin, 11. Febr. Der mächtig aufklärende Einfluß, 
velchen d'e vorgestern von dem Fürsten Bismarck im Reichstag ge⸗ 
jaltene große Rede nach den verschitdensten Seiten hin. ausüben 
vird, verstärkt sich noch durch die kurzen, aber unzweideutigen 
Schlußworte, welche der Reichskanzler ceftern Abend an den Reichs⸗ 
ag richtete, ehe er die den Schluß der Session aussprechende kai- 
erliche Botschaft verlas. Wit dem Dank gegen die Verjammlung 
ür ihre hingebende Ausdauer bei den Geschäften verband der Kanz⸗ 
es den Ausdruck der Hoffnung, daß auch im Herbste ds Is. eine 
leichartiges collegiales Zasammenwirken möglich jein werde. Da⸗ 
nit zerstreute er Furcht oder Hoffnung derjenigen, weiche etwa auf 
»eine vorzeitige Auflöfung des Reichstages speculirten, constatirte 
bielmehr die Uebereinstimmung, wenigstens in Hauptsachen, zwischen 
der Reichsreglkerung und der damaligen Majortität des Parlaments. 
Die Erwartungen und die Arbeiten hoher und niederer Gegner und 
Begnerinnen sind wieder einmal getäuscht. Es dlieb nicht unbe⸗ 
mertt, daß Fürst Bismarck in seiner großen Rede auch von un⸗ 
autecen oder getrübten Quellen und Salongesprächen, Briefen u. 
. w. sprach, in welchen' sich sehr hoch gestillte Personen, z. B. zur 
Frzeugung unzeitigen Kriegslärms und Klagen wider den Reschs⸗ 
tanzler, betheiligzen. Personen, deren sociale Siellung viel höher 
ei, als ihr politisches Urtheil, Einsicht und Verständniß. Man 
eht, der eiserne Kanzler weiß zur rechlen Zeit seine Pfeile so gut 
in das Lager der Socialdemokraten wie in das der feinsten, dem 
Reiche abgeneigten sogen. conservativen Gesellschaften zu senden. 
Judem er im Großen und Ganzen keine Uebereinstinnmung mit den 
letzten Beschlüssen der überalen Mehrheit des Reichstages über die 
Strafg setznobelle kundgab, stellte er sich mit der vollen Unbefangen⸗ 
Jeit des klar blickenden Staatsmannes in die Mitte der liberalen 
Majoritäten des deutschen Volkes. 
Berlin, 11. Febr. Die im Reichslage eirgebrachte Reso⸗ 
uution auf Herabschzung des neuen Telegraphentarifs in der ersten 
Zone if zurückgezogen worden. Wahrfcheinlich wird Herr Stephan 
nicht auf der Einführung des neuen Tarifs zum 1. März bestehen. 
. 3.) 
Berlin, 12. Febr. Der Bundesrath —8* seinen 
Justicausschuß über die bisherigen Beschlüsse der Justizkemmission 
des Reichstages bezüglich der Justizgesetze Bericht zu erstatten. — 
Die Just'zkommission beschloß heute die Beibehaltung des bayherischen 
»bersten Gerichtshofes ols Cassationsiustanz in Fragen des bayeri⸗ 
chen Civilrechts bis zur Einführung des deutschen Civilgesetzbuches 
nit 26 Stimmen gegen diejenige Laskers. Der Sitzung der Com⸗ 
aission wohnte der bayerische Staaussminister Dr. v. Fäustle bei. 
(A. 3.) 
Wie die „Tribüne“ meldet, hatte eine Anzahl von ee 
Berliner Industriellen, daruntet die Herren Geh. und Commerciers 
räthe Borsig, Schwarzlopf u. s. w., vor einigen Tagen eine Au⸗ 
dienz beim Handels-Minister⸗⸗Achenbach und erstatteten demselben 
ꝛingehenden Bericht über die Lage der dortigen Indust ie. Durch 
den Mangel an Bestellungen haben sich die Fabrelherren veran⸗ 
aßt gesehen, einen Theil ihrer Arbeiler zu entlassen. Ihr Wunsch 
zing dahin, daß die Staafsreg!erung bei Vergebung von Eisen⸗ 
ahnbauten in eister Linie die einheimische und Berliner Industrie 
egünstigen möge. Die Deputat'on ließ darüber keinen Zweiftl, 
aß im gegengesetz 'en Falle die Fabreken mit we'rteren Entlassungen 
»orgehen müssen. Ter Ministet nahm die Deputation freundlich 
uuf und versprach, alles zu thun, was in seinen Kraften stehe, 
in den berechtigten Wünschen entgegenjukommen. Es wird sich 
in nächster Zeit, wo mit dem Bau der Stadtbahn, der Bahn 
Berlin-Welax ind den Bahnen in der Provinz Preußen ernstlich 
vorgegangen werden wird, für die Staatsregierung Gelegenheit 
zenug bieten, die Wünsche der Großindusteiellen zu befriedigen. 
In Berlin sind momentaun fast 23,000 Arbeitee aus ihren dis—⸗ 
zerigen Stellungen entlossen und ohne Arbeit; in der Borsig'schen 
Fabrik sind jetzt nur 700 — 800 Arbeiter beschäfligt, während die 
Zahl früher fast 2000 betrug. Eben so ist dies bei den Fabuben 
der Herren Schwarzkopf und Töhlert der Falll. 
Ausland. 
Ueber die gegenwäriigen Zustände in RNordamerika em— 
nimmt das „Berl. Tagbl,“ einem Schreiben des Pastors Ruperti 
n Newyork, eines Deurschen, folgende wenig erfreuliche Schiider⸗ 
ing: „Die Geschäftslosigkeit, sagt derselbe in diesem Briefe, hat 
ne zunthmende Armuth und wachsendez Vetbrechen im Gesolge. 
Die Armen von Arbeitslosen in den Sträßen war nie größer und 
»ie Autsichten nie schlechter. In allen östlichen Staaten ist dasselbe 
ẽiend. Der Sherif eirer großen Stadt in Massachusetts fand 
üczlich die Räume seines Gefängnisses unzureichend, er teiegraphirte 
eßhalb an alle Befängnikderwaltungen des Staates um Ueber⸗ 
assung von Raum; aber von ollen Seiten kam d'e Antwort, daß 
ye eigenen Räume überfüllt seien; Alleb von betleinden Vagabun— 
en. Und doch kommen noch Tausende monatlich berüber und die 
Neisten ohne Geld, ohne Sprachkenntniß, vielleicht auch ohne aus⸗ 
eichende Koͤrperkraft für schwere Arbeit. Es ist herzbrechend und 
»abei zugleich zum Grimmigwerden, wenn man diese leichtfertigen 
Schaaren beobachtet, die so gedankenlos auswandern und sich und 
ie Familien in das größte Unglück bringen. Es sollten doch Alle, 
sie Eenfluß auf das Volk haben, das arme thoöͤrichte Volk von der 
luswanderung nach Amerika zurüdhalten.“ 
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Vermishtes. 
Der Einnehmer Pensions-Verein der Pfalz haite 
m Jahre 1874 eine Einnahme von 31,741 fl. 11 kr. und eine 
lusgabe 28,860 fl. 10 kr., so daß ein Activarest pon 2881 fl. 
kr. verblieb. Der Vermözensstand am 1. Jan. 1875 war 
07.093 fl. 11kr. und hat sich gegen das Votjahr um 7742 fl. 
22 kr. vernehrt. 
F Sammiliche Beamte und Bedienstete der pfälzischen Bah⸗ 
nien, welche unter 600 Gulden Gehalt hatten, wurden 10 pCt. 
qufgebessert. Diese Aufbesserung wurde vom 5. Jan. 1875 bis 
um gleichen Datum 1876 nachbezahli. Außerdem wird seit 1. 
Jaa. 1876 für sammtli he Beamten der p'älzischen Bahnen wegen 
»er Markwährung der se'therige Gulden in 1 Mark 80 Pfennig 
imgewandelt. 
Nächstens sol eine Veriammlung der pfälzischen Ger— 
her und jener der Nachbarländer abgehalten werden. 
Pirmasens, 12. Febt. In Merzalben gerieth vor⸗ 
jestern ein kleiner Knabe an eine noch beiläufig einen halben 
Schoppen Branntwein enthaltende Flasche und srank dieselbe voll⸗ 
ländig leer. Nach einigen Stunden war das Kind eine Leiche. 
Nöge diejer sowie der vor mehreren Jahren in Winzeln vorge⸗ 
ommene Fall Eltern zur Warnung dienen, Brandiwein und andere 
jeinige Getränke an Orten aufzubewahren, die für Kinder leicht 
ugänglich sind. (P. A.) 
In Ot terstadt wurde der dem Genusse geistiger Getränke 
ehr ergebene Tagner Adermann am 10. ds. erfroren aufgefienden. 
7 Sondeibarer Schwärmer. Ein sehr gut situirter Grund⸗ 
e sißer vor dem Neuen Königsthore Berlins hat die sonderbare 
Nanie, so erzählt das „Neue Berl. Tgbl“, sich des Morgens früh 
inen Strick um den Hals zu legen, lediglich aus Lebensuͤberdruß, 
obald ihn aber sein herrschaftlicher“ utscher, der jedeswal rechte 
eitig das Vorhaben seines Herrn bemerkt, wieder „noch ganj 
varm“ abgeschnitten hat, dann machen die Zwei regeimäßig ein 
Ausfahrt nach oder vielmehr eine Rundre se durch Berlin, dei der 
z8 nicht weniger fidel, alz in Salingre's Posse zugeht. Am Mon—