Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Vei⸗ 
age) erlscheint wöchentlich vVviermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljährlich 
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M 33. Dienstag, den 26. Februar 1878. 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 23. Febr. Der Reichstag setzte heute die ersie 
Berathung der Slteuerprojekte fort. Abg. E. Richter GFortschr.) 
iprach gegen die Erhöhung der Tabaksteuer, überhaupt gegen die 
Ausdehnung der indirekten Steuern, endlich auch gegen das Tabat⸗ 
monopol; er verlangte, daß ein verantwortlicher Reichsfinanzminister 
ernannt werde. — Minifter Camphausen nimmt Bezug auf eine 
»or einem Jahre von ihm (Camphausen) im Reichstuge gemachte 
Aeußerung des Inhalis, daß eine höhere Besteuerung des Tabaks 
mit dem Endzweck, zuletzt zum Monorpol zu kommen, angestrebt 
verden müsse, in welchem Fall dann andere Verbrauchssteuern, 
namenilich die Salzsteuer, aufgehoben werden lönnte und in Preußen 
zin Theil der direften Steuern den Kreisen und Gemeinden über⸗ 
lassen werden könnte. Camphausen sagte, er sei heute noch der⸗ 
felden Ansicht; er habe wiederholt seine Enilaffung angeboten, 
falls er nicht mit dem Reichskanzler übereinstimme; er würde aber 
auch nicht im Ministerium bleiben, wenn er nicht der freudigen 
Zustimmung der die Mehrheit des Reichstags bildenden Parteien 
bersichert sei. — Fürst Bismarck bestätigte, daß Camphausen wieder⸗ 
holt, zuletzt noch in diesen Tagen den Wunich nach Entlassung 
tundgab, und fügte hinzu, nur aus sachlichen Gründen und mit 
Widerstreben würde er solchen Wünschen nachkommen. „Eine Dif⸗ 
ierenz liegt zwischen uns nicht vor. Daß deshalb für mich nicht 
ein VBioment der Trennung, fsondern das der Hoffnung vorhiegt, 
daß unsere Wege auch weiler zusammenführen, war mir Bedürfniß— 
hier auszusprechen.“ — Abg. d. Vacnhüler befürwortet das Tabak⸗ 
mnonopol. — Windthorst (Meppen) erkläct' sich sehr enischieden 
zegen die Vorlagen, die er sofort adzulehnen bittet. — Abg. 
Freutzsche belämpft die Vorlagen vom socialdemokratischen Stand⸗ 
»duntte aus. — Das Haus beschließt sodann die Verweisung der 
Sieuer-Vorlagen an die Budget Commission. 
Nusland. 
Wien, 24. Februar. Mittheilungen von österreichisch-hoch⸗ 
zffizisser Seite lassen es als gewiß erscheiuen, daß die Zögerung 
imn Abschlusse der Friedensverhandlungen vielmehr von russischer 
ails türtischer Seite verursacht ist und daß die Nachrichten, welche 
ämmtlich aus russischhen Quellen kommen und den Türken die 
Schuld an dieser Zögerung in die Schuhe zu schieben fuchen, wis⸗ 
entlich erfunden und absichtlich verbreitet wucden haupisächlich zu 
dem Zwecke, den Zusammentrit! der Konferen; hinauszuschieben 
ind ihr mit einer vollendelen Thatsache entgegentrelen zu tdnnen. 
Die jdugsten Meldungen der russischen Blätter über ein der Pforte 
ingedlich gestellles Ulumatum betreffend den Abschluß der Friedens 
»erhaudlungen sollen bestem Vernehmen nach, vor allem den Rück— 
zugg zu decken bestimmt sein. Es verlautet nämlich, daß besonders 
das deutsche Reich den baldigen Zusammentritt: der Konferenz 
vünsche, um neue Komplikationen zu vermeiden. Die Konferenz 
dürfte auf Grund vorangegangener fester Vereinbarungen der inle⸗ 
ressirten Mächte verhandeln und dadurch künftigen Berwicklungen 
bon vornherein der Boden entzogen sein. Aus Bexlin liegt positiv 
dichts vor, was za der Annahme berechtigen lönnte, daß man dort 
aicht nach wie vor an dem schnellen Zustandekommen eines allseitig 
zenügenden Friedens festhalte. 
London, 24. Februar. Trotz aller Nachrichten von 
Paris und Wien, daß die Situalion allzu gespannt und die Kon⸗ 
erenz wieder aufgeschoben sei, kann ich auf Grund authentischer 
Hitiheilungen versichern, daß weder England noch Osrsterreich den 
Frieden stören werden. „Die russischen Bedingungen, so hart sie 
sind, müssen angenommen werden,“ so lautete Englands leztes 
Wort. Auch Rumänien willigte in- den Austausch Bessarabiens. 
Konstantinopel, 24. Febr. Die „Ag. Hav.“ meldet: 
Die Friedensbedingungen sind geordnet; der betreffende Prä— 
liminarvertrag wird heute in San Stefano unter⸗ 
zeeichnet. Nach Unterzeichnung des Vertrages stattet Großfürst 
Ritolaus dem Sultan einen Besuch ab. Der Friede wird „Friede 
»on Konstaͤntinopel“ heihen. 
Petersssburg, 23. Febr. Der „Bolos“ betont in einem 
ehr scharfen Artilel gegen die Verzögerungen der russisch kürkischen 
Verhandlungen, daß es Zeit sei, den sich in die Laänge ziehenden 
Berhandlungen ein Ende zu machen. Entweder soll sich das eag⸗ 
ische Geschwader in die Besilahai zurückzichen, oder die Pforte solle 
inen handzrefflichen Beweis erhalten, daß sie vergeblich auf die 
Unweßenheit der britischen Monitors im Marmarameer sehe. Man 
olle der Türkei ankündigen, daß, falls der Frieden an einem ge⸗ 
vissen möglichst baldigen Tage nicht unterzeichnet werde, die Feind⸗ 
eliakeiten wieder aufgenommen werden. 
PVermischtes. 
RSt. Ingbert, 258. Febr. Die Gemüthlisch— 
*eint“ hatte gestecn Abend ihren Mitgliedern und vielen eingele denen 
Nichtmitgliedern im Jung'schen Saale eine rechtgemüthliscche 
lnterhaltung bereitet. Gesang, Theater und Tanz — das war 
as vieldecsprechende Programm des Abends. Der Saal war 
ollftändig besetzt, und das berührte schon angenehm und rief eine 
echt animirte Stimmung hervor, die sich dann natürlich während 
er Ausführung. des genannten Programms noch steigerte. Die 
»eiden Lieder, welche von den Sängern der „Gemüthlichkeit“ ge— 
angen wurden, wurden recht gut vorgetragen, was um so mehr 
nzuerkennen ist, als dieselben erst seit Kurzen zusammen singen. 
ẽn Lustspiel „Zwischen 9 und I1“, wurde von den Spielenden 
refflich gegeben und versetzte vielfach seines humoristischen Gedankens 
vie der drastischen und charakteristischen Darstellung wegen die 
dachmuskeln des Pudlikums in längere Thätigkeit. Wir erlauben 
ins nicht eine Kritik über die Leistungen der Mitwirkenden im 
rinzelnen zu schreiben, trotzdem diese dieselbe nicht zu fürchten hälten. 
Ihr Zusammenspiel war recht gelungen, die Wirkung darum eine 
idrzügliche und öfters hörten wir: „Sie haben Alle ihre Sache 
recht gut genacht!“ Es wurde viel gelacht, und das ist der beste 
geweis, daß Damen und Herren im Spiel ihre Schuldigleit thaten, 
denn ihnen dieses das lebhafte Applaudiren und Hervorrufen am 
Schlusse nicht schon bewiesen hätte. Kaum war der Vorhang ge⸗ 
allen, so wurden Tische und Stühle bei Seite gestellt und nun 
ing es zum Tanze. Daß unsere tanzlustige schöne und starke Welt 
gemüthlch“ und wacker das Tanzbein drehte, versteht sich von 
elbst. — So verliek, die Unterhaltung aus's angenehmste und 
iefette abermals den Beweis, daß die ‚Gemüthüchkeit“ ihrem Namen 
alle Ehre zu machen veirsteht. 
*Sit. Ingbert, 28. Febr. Am Samstag Abend wurde 
u Schnappbauch einer der geachtetsten und ruhigsten dorligen 
Bürger, Glasmacher Cherist an Siegwardt, beim 
Nachhausegehen von einem 17 —18jährigen Burschen aus Sulzbach, 
damens Mohrr, plötzlich angefalen und mit einer Eisenstange 
erartig am Kopfe vetletzt, daß er in der größten Lebensgefahr 
chwebt. Die Rohheit und Brutalität dieser That ist um so größer, 
veil der Thäter dieselbe ausführte, ohne auch nur im Geringsten 
von dem Verletzten gereizt worden zu sein. Mohr ist verhaftet 
uind wurde gestern gefänglich hier eingebracht. Dabei blickte er so 
srech und ungenirt um sich, als ob er sich seine abscheuliche That 
als ein Verdienst anzurechnen hätte. 
F. Aus den oberfränkischen Weberdistrikten lauten die Nacheichten 
vieder traurig; die Arbeit wird reduzirt, und in manchen Gegen⸗ 
den ist der Verdieast auf ein Minium herabgejunken; in Naila 
erhalten die Weber für die Elle Baumwolltuch (halbe Breite) 3 
vfg. Weberlohn. 
In Bamberg slarb in voriger Woche ein Säcdler, wel— 
her von der Armenpflege Kost und Kleidung erhielt und in der 
Stadt bettelte, wo er nur ankam. Bei Oeffnunz seines Zimmers 
and man eine Werthjunmme von 1500 fl., ferner in einem Kasten 
inen Sack Geld mit 1000 fl. in verschiedenen Münzsotten. Der 
»ettelnde Geizhals hinterließ somit ein Vermögen von 2500 fl. 
Für die Redaction verantwortlich: J. X. Dem