Full text: St. Ingberter Anzeiger

„H. T. B.“ wird aus Konstantinopel vom 28. ge⸗ 
meldet: „Rußland hat der Pforte zugestanden, daß Adrianopel als 
ffene Stadt im Besitz der Türkei zu verbleiben habe. Die Be— 
festigunaswerle müssen geschleift werden. Philippopel wird die 
Hauptstadt des neuen Bulgarenreichs.“ 
Die „Times“ meldet aus Petersburg, 26. Februar: 
Der Sultan behälk die türkische Flotte. 
2 
—2X 
RVermischtes. 
Sit. Ingbert, 28. Febr. (Die erste Schnepfe.) 
Bestern wurde bei Rohrbach von Herrn Oberhauser hier die erste 
Schnepfe geschossen. 
'In Vambrecht wurde am 26. Februar der seitherige 
2. Adjuntt, Wirth Diltz, zum Bürgermeister und Wirth und Metzger 
Emmerich zum 2. Adjunkt gewählt. 
F Neustadt, 25. Febr. Bei der heute im Löwen dahier 
abgehaltenen Weinversteigerung wurden recht annehmbace Preise er 
zielt und zwar für: 1876er Herxheimer 405 M., Kallstadter 370 
M., Freinsheimer 405 M., Haardter 460 M., Neustadter Vogel— 
jang 5310 -555 M., stonigsbacher 555 M., Wachenbeimer 690 bis 
765 M., Meckenheimer Traminer 665 M., Unßsteiner Herrenberg 
830 M., Durkheimer Spielberg 910 M., Deidesheimer Auslese 
980 und 1095 M., ditto Kieselberg 1030 M., Forster Auslese 
1250 M. und 1360 M., Forster Ausbruch (die Perle der Pfalz), 
prämiirt in Munchen und Philadelphia (ersteigert durch Commissio— 
när Fischer dahier im Auftrag), 8880 M. Für 1874er Forster 
dangenacker 1080 M., 1876er Rhodter 285, 290 und 300 M., 
St. Martiner 270 und 280 M., Alsterweiler 265 und 270 M., 
1878er Kallstadter Rother 5305 M. 
4 Gestorben in Edenkoben der Stadtschreiber P. D. 
Resplandin, 78 Jahre alt; der Verstorbene hat seinen Posten 
als Stadischreiber 54 Jahre lang bekleidet. 
FFriedilusheim, 27. Febr. An der Straße von hier 
nach Dürkheim steht ein Kirschenbaum, der schon um Weihnachten 
hlühte und jetzt, in Folge des gelinden Wetters, wieder neuen 
Schmuck anlegt, wie dies gleichzeitig gesandtes Sträußchen zeigt. 
Ob diese Kinder des Frühlings nicht zu früh gekommen sind? (D. A.) 
'Frankenthal, 28. Febr. Durch das heute verkün—⸗ 
dete Urtheil im Proceß Strieby ist die Strieby zu 6 Jahren Ge⸗ 
fängniß, die Flic zu 1 Monat 8 Tagen, die Hummel (von 
Maunheim) zu 6G Wochen, die Schuster (von Neustadt) zu 1 Monat, 
die Wittwe Salomon (von Mannheim) zu 7 Monat, Sal. Kauf—⸗ 
mann (von Virnheim) zu 4 Monat Gefängniß verurtbeilt. 
fAusder pfalz ist eine mit fast 10,000 Unterschriften 
versehene Petition gegen das Tabakproject der Reichsregierung an 
den Reichssstag abgegungen. 
p München, 25. Febr. Anläßlich der Pariser Weltaus— 
stellung beabsichtigen sämmlliche direkte Routen unterhaltende deutsche 
Bahnverwultungen im Preise wesentlich ermäßigte Tour- und 
Retourkarten mit dreiwöchiger Giltigkeitsdauer auszugeben. — Der 
hiesige k. Maschinenmeister W. Schmid hat an den Eisenbahnwag⸗ 
zons ein Verkuppelungssystem erfunden, durch welches ermöglicht 
it, die einzelnen Wagen nicht mehr durch das Dazwischentreten 
der Bediensieten an einander zu hängen, sondern diese Manipulation 
von der Seite aus zu bewerkstelligen. Nunmehr hat derselbe auch 
ein System kombinirt, durch welches zut Vereinfachung des Rangzir— 
dienstes auch die sogen. Nothketten beseitigt werden können. Durch 
die konstruirte anderweitige Nothkuppelung (dei Abreißung der Haupt⸗ 
uppelung) wird eine weit größere Sicherheit als visher erzielt. 
Sqweinfurl, 285. Febr. Als Kuriosum verdient 
zrwähnt zu werden, duß bei einer heute dahier abgehaltenen Zwangs- 
weinbersteigerung 850 Hektoliter Weißwein um 10 M. (100 Liter 
also um 20 Pf.) versteigert wurden. 
p Seit einigen Tagen befindet sich der Gütler J. Sturm 
hon Mooshäusl (Obb.) in der Frohnfeste in Traunstein in Haft. 
Der Unmensich hat seinen 4jährigen Knaden langsam zu Tode 
maltraitirt. Nicht nur, daß er das Kind — angeblich wegen Beit⸗ 
nässens — fast täglich prügelte, wurde das arme Wesen zur 
„Strafe“ des Abends, bei grimmiger Kälte barfuß, im einfachen 
Hemdchen laängere Zeit vor das Haus in den Schnee hinausgestell! 
und mußte 'den ganzen strengen Winter über unter dem Dache 
schlafen, wobei es als Zudecke nur eine alte Joppe belan. Man 
will gesehen haben, daß das Kind, als es sich einmal erbrach, 
von dem Rabenvater unter Schlägen angehalten wurde, das von 
sich Gegebene wieder zu sich zu nehmen. Vor Kurzem wurde es 
nach der gewöhnlichen Prügelei von einer Ede des Zimmers in 
die andere derart geworfen, daß der Tod das arme Wesen von 
seinem elenden Dasein erlöste. Die Leichenschau brachte das Ver⸗ 
hrechen zur Kenntniß dee Behörde. Das Weib des Barbaren (die 
leibliche Mutter des Kindes), sowie die Nachbarschaft unterließen 
es früher, aus Furcht vor dem rabiaten Menschen, gerichtliche An⸗ 
seige zu machen. 
Adele Spitzeeder hat gegen die Gebrüder Castan in 
Berlin, die Besitzer des Panoptikums, gerichtliche Beschwerde erhoben. 
weil sie ihre Figur im Verbrechherzimmer ausgestellt haben. 
fKoͤln, 26. Febr. Die Weitflüge der Brieftauben des 
ornithologischen Vereins ‚Columbia“ werden in diesem Jahre am 
5. Mai von Kalscheuren aus ihren Anfang nehmen. Die Reise 
zeht durch Deutschland bis München. Die letzten Auflossungsorte 
sind Bruchsal, Stuttgart, Umm und München. Von diesen aus 
verden die Preistouren und von München aus ein allgemeiner 
onkurs veranstaltet. Wie man hört, gehen die belgischen Vereine 
in diesem Jahre mit den kleinen Thieren bis nach Rom. (K. Z.) 
F*Lyuqcjustiz. Sonnabend Abend wurde in Elberfeld 
ein Weibsbild, welches ihr Stieftind grausam geschlagen hatte und 
deshalb vor dem zuständigen Richter sich noch zu verankworten 
sjaben wird, bei ihrem beabsichtigten Besuche des Marktes von einer 
Anzahl Frauen gewaltsam mit Schlägen von der Verkaufsstätte 
entfernt. 
F Darmstadt, 25. Febr. Durch Erkenntniß des Bezirks- 
Strafgerichts wurde J. Kadler von Dieburg, Redakleur der „Star—⸗ 
enbueger Provinzial-Zeitung“ wegen Beleidigung der obersten 
»eutschen Militärbehörde, bezw. des preußischea Kriegsministers, zu 
3 Wochen Gefängniß verurtheilt. Es handelt sich hier um die 
Behauptung, daß 2000 deutsche Soldaten nach Bulgarien beordert 
vorden seien. (F. J.) 
F Deutsche Ortschaften gleichen Namens. Jemand hat sich 
der Mühewaltung unterzöogen, zu ermitteln, wie viel Ortschaften 
zleichen Namens es wohl in Deutschland gebe, und hat gefunden: 
deudorf 339, Neuendorf 96, Neuenkirchen 25, Neustaot 28, Berg 
256, Burg 91, Moos 142, Mühlberg 48, Mühlhausen 37, Mühl— 
»ach 538, ühlheim 18, Himmelreich 20, Himmel 2, Hölle 18 
döllengrund 4, Oberhausen 26, Oberbof 52, Vichhausen 27, 
Steinhausen 198, Holzhausen 90, Horst 89, Tiefenbach 52, Tiefem 
hal 22, Fischbach 58, Weißenbach 45, Reit 60, Rheit 86, Rohr⸗ 
»ach 25, Roth u. s. w. Man sieht daraus, wie nothwendig es 
ist, bei Adressen auf Briefen recht vorsichtig zu sein und neben dem 
Drtsnamen auch noch nähere Bezeichnungen hinzuzufügen. 
f(Graf Sandorf.) Am Sonntag Vormittag 11 Uhr 
tarb in seinem Palais auf der Seilerstätte in Wien Moriz Graf 
Sandor, der Vater der Fürstin Pauline Metternich, im 73. Lebens- 
ahre. Graf Sandor war bekanntlich vor Jahren durch kühne 
steiterstücke und mancherlei Originalitäten eine der populärsten Per—⸗ 
ölichkeiten Wiens; er starb an Gehirnerweichung. Graf Sandor 
jählte zu den berühmtesten Sportsmen der Monarchie. Für ihn 
zab es kein Wagstück, das er nicht ausgeführt hätte. Zu den 
»ekanntesten zählen sein Uehersetzen eines hochbeladenen Wagens, 
ein Kunststück, das er in der Leopoldstadt ausfühere, und die Fahrt 
nit einem vierspännigen Wagen von Ofen üher d'e Stiege herab 
zur Donau. Vor dem Jahre 1848 war es sein Bravourstückchen 
hei der Rückkehr aus dem Prater, mit seinem Pferde die Hütte einer 
Debstlerin nächst der Ferdinandsbrücke zu übersetzen. Eines Tages 
vollte er einem seiner Vecrwandten in der Herrengasse einen Besuch 
nachen; er sprengte einfach ins Hausthor, ritt die Treppen hinauf, 
prang vor der Thüre vom Pferde und trat ins Zimmer. Sein 
Aufzug zu den Maifahrten im Prater mit vier, einmal sogar mit 
echs nebeneinander gekoppelten Pferden erregte stets Sensation. 
sticht immer war ihm das Glück treu, er ftürzte oft und mag in 
einem Leben ein Dutzend Bein⸗ und ebensodiele Armbrüche davon 
jetragen haben. In den Sechziger Jahren erkrankie er und gab 
den Sport vollständig auf. Seitdem !ebte er zurückgezogen, bis 
setzt der Tod seinem vielbewegten Leben ein Ende machte. Er 
zinterläßt ein bedeutendes Vermögen, das auf seine einzige Toöter, 
die Fücstin Metternich, übergeht. 
fF Paris, 26. Febr. Gegen die „France Nouvelle“, ein 
un sich wenig bedeutendes klerilales Provinzialblatt, wird ein Preß⸗ 
drozeß angestrengt, weil dasselbe behauptet hatte, Bismardk habe den 
stepublikanern zur Deckung der Kosten ihrer letzten Wablkampagne 
nehrere Millionen zur Verfügung gestellt. Das Blatt scheute sich 
ogar nicht, die Namen einiger republikanischen Abgeordneten an⸗ 
ugeben, welche von dieser augeblichen Freigebigkeit des deutschen 
Reichskanzlers persönlich profitirt hätten. Der Prozeß findet sowohl 
von Seiten der Staalsanwaltschafst, als auch von Seiten der ver—⸗ 
aumdeten Abgeocdneten statt. 
FPariser Bilder. In einem Restaurant, das all⸗ 
übendlich von Gästen überfüllt ist, mußte ein Herr an einem Tische 
Platz nehmen, wo bereits ein anderer saß, der schon sein Diner 
eendet hatte, beim schwarzen Kaffee angelangt, sich eine Cigarre 
uzündeie und dem Neuangekommenen ungenirt in's Gesicht dampfte. 
„Entschuldigen Sie, mein Herr,“ sagte dieser, der Neemand Anderer 
als einer der geistreichsten und witzigsten Feuilletonisten von Paris 
var, „genirt es Sie nicht beim Rauchen, weunn ich esse 7 
F Paris hat die Manie der Vexierbilder geerbt. Die be⸗ 
liebten Fragen: „Wo ist die Katze?“ „Wo ist der Bär?!“ 3. ꝛ⁊c., 
hört man alleathalben auf den Boulevards ausrufen, und diese 
unstwerke zu einem Sous werden zu Tausenden abgesetzt. In 
iinigen Vierteln hat man jedoch vor eia paar Tagen eiwas ganz