Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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M 36. Sonntaa, den 3. März 1878. 
Deutsches Reich. 
München, 28. Febr. Am heutigen Todestage Königs 
Ludwig J. wurde Vormittags in der St. Bonifaziuskirche in 
Gegenwart der höchsten Herrschaften ein Seelengottesdienst abgehalten. 
Der Stiftspropst und Reichsrath Dr. J. v. Döllinger legte 
heute sein 79. Lebensjahr zurück. Gleichwie in den Vorsahren 
hat S. M. der König demselben die herilichsten Glücwünsche aus⸗ 
sprechen lassen. 
Berlin, 28. Febr. Der Finanj)⸗Minister Camphausen 
hat gestern bei Sr. Majestät dem Kaiser um seine Entlassung als 
Finanz-Miniflet und Vice⸗Präsident des preußischen Staats. Mini⸗ 
steriums gebeten. Im Reichstage, wo man hievon genau unterrichtet 
sein will, wird erzählt, das Entlassungsgesuch sei so eingehend be— 
gründet und in so dringender Weise, daß es schwerlich abgelehnt 
werden möchte. 
Die „Zig. für Lothringen“ theilt mit, daß der Gnadenakt 
des Kaisers bezüglich der Rückkehr der Optanten in den Reichs⸗ 
larden von den günstigsten Foigen sei. Sie schreibt: „Kaum ist 
der Gnadenakt des Kaisers bekannt geworden, als auch schon ein 
Theil der s. Z. aus Furcht vor dem Vilitärdienst ausgewanderten 
Elsaß-Lothringer zurückkehrt und sich den reichsländischen Militär— 
behörden stelli. Die Enttäuschung einerseits, die sie in Frankreich 
gefunden, andererseits die Sehnsucht nach der heimischen Scholle, 
die bei dem Lothringer stark ausgeprägt ist, und die Erkenntniß, 
daß die hiesigen Verhältnisse feficefugte sind und die Furcht vor 
dem Militärdienst ein Schredgespenst war, ließen sie schnell die 
Gelegenheit ergreifen, ihren Fehler wieder gut zu machen. „Wir 
wußten nicht, was wir thaten“, hörten wir sagen.“ 
Ausland. 
Wien, 27. Febr. Wollte man den Gerüchten glauben, die 
hier im Umlaufe sind, so wären wir schon mitten im Kriege. Es 
heißt, daß den Reserve⸗Offizieren bereiis die Ordre zugegangen sei, 
fich zum Eintritte in ihre Regimenter bereit zu halten, und schon 
werden die Namen der einzelnen Armee⸗ und Corps.Commandanien 
genannt. Und doch ist hier andererseits nichls von jener Erregung 
zu verspüren, die sich am Vorabend eines großen Zrieges ller 
Kreise bemächtigt. Der Pester „Lloyd“ bezeichnet zwar den 60⸗ 
Millionen: Kredit als nothwendig zur Vorbereitung einer „ernsten 
ent cheidenden Altion“; welches Ziel dieser Altion jedoch gesetzt ist, 
läßt sich unschwer erlennen. Von Berlin ist neuerdings die Mahnung 
hierhergelangt, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen, damit 
auch Oesterreich mit einem fait accompli vor die Conserenz treten 
töznne. In der That mag es jetzt für unsere Monartchie als ein 
Gebot der Nothwendigzkeit erscheinen, festeren Fuß auf der Balkan⸗ 
Halbinsel zu fassen, um so mehr, als Rumänien sowohl wie Ser⸗ 
dien durch die Handlungsweise Rußlands fuͤr einen näheren An⸗ 
schluß an Oesterreich günstiger als je disponirt sind. Wie es heißt, 
ist bereits eine Deputation aus dem bosnischen Insurgenten⸗Lager 
unterwegs, die hier die Annex on der Prohinz durch Oesterreich 
erbitten sou. 
Wien, 28. Febr. Gortschakow's Versuch, den Kongreß 
nach Berlin statt nach Baden-Baden einzuberufen, um Bismard 
dadurch zur Theilnahme und zum Vorsitz zu bewegen, scheiterte, 
abgesehen vom Woderspruch Andrassy's, an der Erklärung Bis— 
maid's, er persönlich wolle überhaupt von Theilnahme an Kongreß 
oder Konferenz, wo immer sie stattfinde, nichts wissen. Fürf 
Gortschakow ist thatsaäͤchlich vier Tage bettlägerig gewesen, doch jeßg 
wieder wohl. Die Lage ist underändert. 
Paris, 28. Febt. „Havas? meldet aus gewoͤhnlich best⸗ 
unterrichteter Quelle, daß die Besprechungen hinßchtlich der Kon⸗ 
ferenz ernftlich wieder auigenommen seien. 
London, 285. Febr. In allen Werften, Zeughäusern, 
G'ießereien u. s. w. herrscht rastlose Thätigkeit. Wohl eine der 
bedeutungzvollsten Meldungen aus Woolwich bezieht sich auf das 
Anlangen von Schienen, die für e ne zwania Melien lange Eisen— 
bahn bestimmt sind. Eine erste Lieferung ist am Ost⸗Werft des 
Zeughauses bereits abgeladen. Die in gewoͤhnlichen Zeiten mit so 
vielen Schwierigkeiten verbundene Recrutirung geht seit Wochen 
zur äußersten Zuftiedenheit der Behörden von statten. Wie Be— 
richte aus Militärkreisen sagen, gehört die angeworbene Mannschaft 
durchweg einer körperlich sehr tüchtigen, morglisch vortheilhaft von 
dem gewöhnlichen Reeruten⸗Troß absiechenden Volisschicht an. Der 
Zudrang von Werblingen ist auffallend groß. Unler den Frei⸗ 
willigen mehrerer Städte ist eine Bewegung im Gange, die den 
Zweck hat, der Regierung eine größete Zahl dieser gesetzlich nur 
ür den inneren Vertheidiguüngsdienst bestimmten Bürgerwehr nach 
außen hin zur Verfügung zu stellen. Listen zur Unterschrift sind 
zereits in London, Bristol und anderwärts bei mehreren Regimen⸗ 
tern aufgelegt. (Allg. 3.) 
Sondon, 28. Febr. Die Regierung trifft mit Osientation 
driegerishe Vorbereitungen; nach den Berechnungen des Kriegamtes 
lönnen 60,000 Mann in kürzester Zeit eingeschifft werden. 
London, 28. Febr. Die Ernennungen Napier's of Mag⸗ 
dala zum Oberbefehlshaber des Expeditionskorps und des Generais 
Wolseley zum Generalstabschef werden offiziell bestatigt. Die Garde⸗ 
zrigade ist auf den Kriegsfuß gesetzt, die Arsenale entfalten ver⸗ 
doppelte Thätigkeit. Das Material für tenporäre Eisenbahnen 
vird beschafft. Das Kriegfamt inhibirte bis auf Weiteres den 
ebertrut in die Reserbe. Das Journal glaubt, diese Maßregel 
jei nothwendig geworden, weil England die russischen Bedingungen 
nicht sanktioniren köͤnne. Falls Rußland nicht Zugeständnisse mache, 
werde England das Schwect ziehen müssen. 
London, 1. März. „Daily Telegraph“ läßt sich melden, 
daß die englische Regierung den Fürsien Gortschakow informirte, sie 
verde ihren Botschaster in Petersburg, Lord Loftus, abberusen, 
venn die Russen mit oder ohne die Zustimmung der Pforte in 
donstantinopei einrücken sollien. Eine anderwäͤtige Beftätigung 
dieser Nachricht liegt nicht vor. 
Petersburg, 28. Februar. In hiefigen bestunterichteten 
Kreisen werden die Londoner Miitheilungen über die Friedensbe⸗ 
dmgungen als in wesentlichen Punkten unrichtig bezeichnet. — Der 
„Regierungsbote“ verdffentlich einen kaiseclichen Ukaz bom 22. d., 
velcher den Finanzminister ermächtigt, Anweisungen des Reichs⸗ 
chazes von Zeit zu Zeit auszugeben, und zwar je für eine minde—⸗ 
tens dreimonatliche und höchstens einjährige Frist, wobei die Zinsen 
nur für die entsprechende Frist zahlbar sind. Die Obligationen 
iollen einen Nominalwerth von mindestens 100 Rubel haben; die 
ährlich auszugebende Summe derselben unterliegt der kaiserlichen 
Bestätigung. 
Bermischtes. 
fKlaiserslauternn, 28. Febr. Heute war der am 
21. ds. gewälte neue Aufsichtsrath der hiesigen Actienbrauerei hier 
bersammelt, um die zur Reorgaaisation des Unternehmens nöthigen 
Schritte einzuleiten. In Zusammenhang hiermit steht das heute 
erfolate Ausscheiden des Directiors der Brauerei. Herrn Karl Gräf, 
aus seiner bisherigen Stellung. 
rKaiserslautern, 28. Febr. Dem städtischen 
Budget pro 1878 eninehmen wir folgende Daten: Das Gemeind e⸗ 
permögen ist abgeschätzt auf 4, 082,000 M. Die Gemeindeschulden 
bettagen im Ganzen 287,041 M. 48 Ppff. Die Seelenzahl der 
Stadt wird aus rund 24,000 angenommen. 
Neustadt, 26. Febr. Hochgeborene und hochwillkom⸗ 
mene Gäste sind heute Mittag zwischen 3 und « Uhr hier einge⸗ 
troffen, nämlich das Storchenpaar, welches auf dem Exter'schen 
Haus in der Kellerestraße zu nisten pflegt. 
f Die „Karlsruher Nachrichten“ schreiben: Gegen den Eigen⸗ 
thümer des Hotel Germania dahier, Herr Ritter v. Schmädel in 
München ist nunmehr dort die Gant ertannt und das hiesige Amts⸗ 
gericht um Aufstellung des Massepflegers für die hiefige Liegenfchaft 
eriucht worden. Es werden zöablteiche hiesige JIaduriell nicht