Full text: St. Ingberter Anzeiger

Staalen seien immer durchaus herzlich gewesen und würden auch so 
dleiben. (Lebhafte Zustimmung.) 
Wie sehr das Anfehen Englands in Indien durch die russischen 
Siege geliiten hat, geht aus folgenden Aukzügen indischer Zeitungs— 
arel unverkennbar hervor. So 4. B.: „England benahm sich 
in diesem (tussisch-türkischen) Kriege wie ein furchtsamer Krieger. 
Wir wissen nicht, was unter „brifischen Interessen“ gemeint ist. .. 
Wenn aber der siegreiche Russe jemals gegen Indien arrücken 
sollte, dann würde den Engländern nichts Anderes als schleunige 
Flucht übrig bleiben.“ Oder auch: „Nena Sah'b steht auf dem 
Punkte, an der Spitze einer russischen Armee in Indien einzu— 
hrechen.“ Aehnliche aufwiegelnde Auszüge lagen der Regierung 
uͤber 1500 vor und veranlaßten sie gegen die indische Presse durch 
Finführung der Censur und Cautionen vorzugehen. Die Radicalen 
in England fanden dies bedauerlich, aber doch begreiflich. Bisher 
spotteten sie, wenn von einer Gefährdung des englischen Ansehens 
durch das Vordringen Rußlauds gegen Konstantinopel die Rede 
war. Jeztzt zeigt es fich, daß die Wirkung roscher eintrat, als die 
Meisten erwartet hatten. 
Konstantinopel, 19. März. Ein Telegramm Reouf 
Pascha's aus Petersburg meldet den Austausch der Ratifikationen 
des Friedensvertrages. Reouf Pascha zeigt an, daß er morgen 
mit Osman Pascha die Ruͤckreise nach Konflantinopel antreten werde. 
Petersburg, 21. März. Der russisch-türkische Friedens 
verirag ist heute veröffentlicht worden. Derselbe führt den Titel 
„Friedenspräliminarien, und enthalt anßer bekannten Dingen über 
die Dardanellenfrage dus Nachftehende: Die Dardanellen sollen 
sowohdl im Kriegsfalle wie im Frieden den Handelsfayrzeugen der 
Reutralmächte öffnet bleiben. Die Pforte soll fottan im schwarzen 
Meere keine fitüve Blokade ecrichten dürfen. 
— 
Bermischtes. 
Die Frühjahrs-Kontroh-Versammlungen 1878 finden zu 
Si. Ingbert Freitag den 12. April, Vormittags um 9 Uhr statt. 
FKaiserslautern, 16. März. Bei den hier Statt 
findenden Prüfungen der Volksschule wurde eine Schülerin aufge⸗ 
jordert, auf die Tafel einen Satz über das Bier zu schreiben. Sie 
eniledigte sich ihrer Aufgabe und schrieb: „Das Ber ist ein „Ge“ 
— hier folgte eine längere Pause des Nachdenkens, bis sßi das 
Richtige gefünden zu haben glaubte und ihren Satz noch mit den 
zwei Silben „wässer“ beendigte. Allgemeine Heiterkeit lohnte die 
Fcxamindin für diese Lösung ihcer Aufzabe. 
pKaiserslautern. Die hiesige Actiengießerei vertheilt 
für das Jahr 1877 eine Dividende von 6 Mark auf die Actie. 
Die aus der „Pf. 3tg.“ auch in unser Blatt übergegange 
Notiz, als sei am 17. 6s. ein Eisenbahnzug zwischen Frankenstein 
und Weidenthal in Folge stacken Schneefalls auf der Strecke halten 
geblieben, beruht nach der „Pi. V.“ auf einem Irrthume, indem 
nur die Maschine des Personenzugs, welcher nach 3 Uhr des Nach⸗ 
mitlags hier eintrifft, defet wurde. 
J Den Anlaß zu dem in seinen Folgen so unglucklichen Duell 
der Münchener Siudenten Lahm aus Dürkheim und Wolff aus 
Neustadt gab — das Spiel. Die Neustader „Bürgerztg.“ berichtet 
barüber: „Beide waren mit Kameraden in der Sylbesternacht in 
einer Weinwirtschaft in München. Zultetzt wurde der Wein heraus 
gewürfelt; Lahm bestritt die Richtigkeit der ihm in Folge davon 
Jonrten Beträge, Wolff entgegnete ihm, er jei im Unrecht und 
masse sich der Mehrheit fügen. Es kam darüber zu beleidigenden 
Worten und in Folge davon zu einer Foiderung auf krumme 
Säbel, die von Lahm ausging.“ 
München. Naqh hierher gelangken Nachrichten ist die 
Dokloibäuerin Amalie Hohenester in Mariabrunn höchst bedenklich 
crtcantt. Nunmehr ist der Zeitpunkt gelommen, „sich sesbst zu 
helfen“. 
f Von den in der Stadt 9 of an Trichinen erkrankten Pet⸗ 
—X M. ein zwanzigjähriges Dienstmädchen gestorben. 
Bei der Section fand man die untersuchlen Brust· und Bauchmusleln 
reichlich mit Trichinen durchsetzt; auch befanden sich solche im Darw. 
Nürnberg, 18. März. Vor dem Handelsappellations- 
gericht wurde heute ein mit der bekannten Loos⸗Affaire zusammen⸗ 
hängendes Urtheil gegen das Bankhaus Gebrüder Schmitt publicirt. 
ẽhe nämlich diese Affaire zur eriminellen Verfolgung kam, hatte 
fich der Gewinner des Loofes, Wirth Keil von Gerolzhofen, mit 
Scemitt dahin geeinigt, daß ein Theil des Gewinnes fofort aus⸗ 
bezahlt murde, während Schmitt für den Restbetrag Wiechsel auf 
derschiedene spätere Verfalltermine ausstellte. Ais aber criminelles 
Einschreiten gegen Schmitt erfolgt war, hielt Keil seine Forderung 
ür gefährdet und erxwirkte unserm 5. Februar Vorsichtsverfügung 
bon Seue des Direktoriums des Bezirkszerichts. Das Handels⸗ 
gericht aber wies die von Keil auf Grund dieser Vorsich tsberfügung 
rhobene Klage auf Zahlung des Restbetrags von 26,000 M. ab 
und hob die Vorsichtsverfügung auf. Das Handelsappellations⸗ 
gericht, bti welchem die Klage am II. dz. Mis. zur Verhandlung 
am, erklärte jedoch in dem beute verlündeten Urlheile die Vorsichts⸗ 
berfügung für gerechtfertigt und veruriheille Schmitt zur sofortigen 
Bezahlung der 26,000 M. — Gegen Banquier Schmitt sen. wurbe 
heute Abend wegen Fluchtsverdachts Verhaftsbefeh! erlassen. Der⸗ 
selbe war jedoch vorher schon flüchtig gegangen. 
Nenwied, 12. März. Das Walzwerk „Germania“, 
velches bereits im Juli vorigen Jabres zwei Drittel seiner Arbeiter 
entließ, stellte gestern seinen Betrieb vollständig ein, wie es heißt, 
aus Maugel an Aufträgen und weil in der letzten Zeit nur mit 
Verlust gearbeitet wurde. 
F Berlin. Wie die „N. A. Z.“ berichtet, ist einem 
Bonbonfabrikanten, der, vor Kurzem wegen Verkauf von verfälschtem 
TFhocoladenpulver zu 100 Mk. Geldbuße verurtheilt wurde, nun 
nuch der ihm vom Prinzen Karl verliehene Titel eines Hofliefe— 
ranten entzogen und dem en. sprechend am Sonnabend Abend auf 
»olizeiliche Anordnung das Schild nebst Wappen von der Thüre 
ntfernt worden. 
F Ueber einen plötzlichen Todesfall berichtet der 
„Grenzbote“ Folgendes: Der Sohn des Wirths Juyl in Sommer- 
tedt, ein junger kräftiger Raun von 21 Jahren, der erst im 
Nobember v. J. aus Amerika zurückzekehrt war, kam in Begleitung 
ines Weinhänlers aus Flensburg in heiterer Stimmung am 7. 
d. Abends in das Wirtshaus „Tyrehut“, woselbst sie üdernachten 
vollien. Beim Abendessin, an dem auch andere Pexhsonen theil- 
rahmen, sank Juhl, nachdem er vor kurzer Zeit noch ein Lied ge⸗ 
ungen haite, lautlos vornüder und war, als die anderen Personen 
hu helfead zur Seite spcangen, schon verschieden. Eine auf An⸗ 
»rdnung des Gerichts vorgenommene Section ergab als Todes— 
ursache kin in der Luftröhre sitzendes, ziemlich großes, ungelautes 
Zztück Entenfleisch. 
F Ueber eine Katastrephe in der Pfarrkerche zu Czastro w 
n Böhmen wird aus Pilgram jsolgendes berihtet: Das Unglück 
Jeschah nach beendigter Messe, als eben die Kreuzwez-Andacht be— 
sinnen sollie. Schon wäh end des Sottesdienstes hatte bei einem 
ehr niedrigen Stande des Barometers ein hefliger Schneesturm sich 
rhoben. Es mag gegen 9 Uhr eçew sen sein, als plötzlich mit 
inem starken Donner der Blitz am Thurme gleich einer Feuerkugel 
erniederfuhr·, einen penetranten Schwefel- und Palvergeruch ver— 
xeitete und die Kirche mit Qualm erfüllte. Das Feuer züngelte 
ben hin und her als ein zweiter Blitzstrahl folgte. De Verwirrung 
uinler den Anwesenden — ttwa zweihundert an der Zahl — war 
ine unbeschreibliche. Alles stüczte übereinander, es gab da Todte, 
Berwundete und Betäubte. Vier Mann blieben todt, alle Belebungs⸗ 
)ersuche blieben an ihnen iruchtlos. Von den neun Schwerder— 
vundeten ist seitdem einer, welcher der Erste, der vom Bliztzstrahle 
J.troffen worden, gestorben. Von den 33 Leichtverletzten gehören 19 
zem männlichen, 14 dem weiblichen Geschlechte an. Alle Alters⸗ 
tufen vom 14. bis zum 70 Lebensjahre sind vertrelen. 
Paris, 18. März. In Evreux wurde heute früh das 
über einen jugendlichen Muttermörder, Nameas Louchard, von dem 
horligen Schwargerichte verhäugte Uetheil unter besonders drama⸗ 
üschen Umsländen vollstreckt. Der Prozeß selbsst hatte bei dem 
hierisch biöden Czarakter des Augeklagten klein besonderes psycho— 
ogisches Interesse geboten; erwähnenswerth ist, davon höchstens der 
Uinstand, daß die Leiche der Ermordeten, welche der Thäter in eine 
Mergelgrube çeworfen hatte, durch seinen Hund entdecht oder, wenn 
man will, der Polizei verrathen wurde. Als gestern der General⸗ 
drotkurator dem Verurtheilten noch einen Besuch machte, fühlte dieser 
instinktiv, daß sein Begnadigungsgesuch zurückzewiesen sei und er 
ich auf seinen letzlten Gang vorzusereiten habe. Von Stunde an 
Fzerfiel er in die entsetzlichste Todesangst, hatte beständig Ohnmachten 
ind Erbrechungen und seufzle in verzweifeltem Tone, „so schlimm 
älte er sich die Sache n'mmer vorgestellt.“ Er schloß die ganze 
stacht kein Auge und hatte, als man ihn des Morgens um 5 Uhr 
abholte, die qrößte Mühe, sich nur auf den Beinen zu erhalien. 
In weißem Hemd und das Haupi mit einem schwarzen Schleier 
dedeckt, wie es das Gesetz sür Vatermörder vorschreibt, wurde er, 
chon halb eine Leiche, nach dem Richtplatz gefahren, und dort, 
rachdein man ihm das Urtheil noch einmal verlesen, mittelst Guil⸗ 
lotine hingerichtet. Sein Leichnam glitt von der Maschine wider 
Bewohnheit, nicht in einen Korb, sondern in einen unmittelbar 
davor bereit gehaltenen Sarg, und hier bot sich den Anwesenden 
ein Grauen exregendes Schauspiel: Der des Hauptes beraubte 
Rumpf richtete sich zuckkend noch einmal halb auf, fiel auf die linke 
Zeite, schnellte dann in weiteren Condalsionen noch einmal empor, 
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träubende Erscheinung wiederholte sich noch eia drittes Mal, als 
die Henkersknechte den Kopf zwischen die Beine des Gerichteten 
legten. Ueber 2500 Personen, welche der iraurige Alt herbeigelockt 
halte, waren Zeugen dieser unheimlichen Episode. 
F Brüfsel, 13. März. Der Appellationshof hat heute 
T'Nint definitiv vor den Assisenhof verwiesen, gerade zwei Jahre 
nach seiner Verhaftung. Er ist der wiederholten Unterschlagung 
jon Werihpapieren bis zu einem Betrag von eiwwa 16 Millionen 
angeklagt. Der Brüsseler Senalor und ehemalige Director der