Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 55. Samstag, den 6. April * 13878. 
Deutsches Reich. 
Mürchen, 4. April. Nach Mittheilungen aus sehr guter 
Quelle wäre zum Erzbischof von München Freisiug der hiesige Dom⸗ 
prediger Ehrler, Beichtvater J. k. k. H. der Erzherzogin Gisela 
Prinzessin Leopold von Bayern designirt. Derselbe hat seinerzeit 
dem verewigten Erzbischof Gregor von Scherr die Leichenrede ge⸗ 
halten. (Südd. Pr.) 
Das Kultusministerium hat betreffs des Turnunterrichis an 
den Lehrerbildungsanstalten versügt, daß auch bei den Anstellungs⸗ 
prüfungen der Schuldienst - Exspeltanten und Expektantinnen die 
Prüflinge ihrer Kenntnisse in der Systemalik und Merhodik des 
Volksschulturnens, sowie ihre eigene Turnfertigkeit und praktische 
Lehrkefäh'gung nachzuweisen haben und daß den zukommenden 
Finzelnoten eine bei Fesistellung der Haurtprüfungsnoie einfach 
in Anschlag zu bringende Gesammtnote cus dem Tucnen in die 
betreffenden Prüsungszeugnisse auszunehmen sei. — S. M. der 
öniq hat dem kathol. Kasino in München die erbetene Bewilligung 
zur Vornahme von Sammlungen für den Papst mittels Erlassung 
bon Aufrufen in öffentlichen Blättern für das Jahr 1878 ertheilt. 
Bertltin, 2. April. In Reichstagskreisen wird erzählt, 
daß die nationalliberale Fraktion des preußischen Abgrordnetenhauses 
nur durch den Schluß der Session vor einer Sprengung bewahrt 
worden sei. In Betreff des Nachtragsetats nämlich verlangte 
Larter, daß die Abstimmung zur Fraktionssache gemacht werden 
—XV Austritt aus 
der Fraktion auf. Gneist, v. Sybel und Genossen wurden inner⸗ 
halb der Fraktion nicht eben glimpflich behandelt. Gneist soll er⸗ 
tlart haben, daß er überhaupt sein Mandat niederlegen wolle, und 
don dem Sybeüschen Anhange bezweifelt man, daß er im lommen⸗ 
den Herbst sich der Fraknon ferner anschließen wird. Vielfach 
freilich auch nimmt man an, daß Wachler sen. welcher in der frag⸗ 
iichen Fraktionssitzung selbst die einsflweilige Verföhnung herbeisührte, 
e5 auch verstehen werde die Versoöhnung fortdauernd zu machen. 
— Die Budgeitommission des Reichsstages hot die Deta'ls des 
Gesetzenwurfs, betr. die Ersparnisse aus den Verpflegungsgeldern 
der Htkupationstruppen, durchberathen und die bewilligten Posten 
als einmalige Ausgaben in den Eiat eingestellt. — Die Verzöge⸗ 
rung der amtlschen Publikation der Ernennung des Grafen zu 
Stoiberg: Wernigerode zum Vijepräsidenten des preußischen Staats⸗ 
ministeriums ertlärt sich aus rein formellen Rüdsichten, weil die 
Abberufung des Botschafters dorausgehen muß. Daß unlter den 
jetzigen Verhältnissen eine Valanz dieses Postens in Wien nicht 
ralhsam ersche'nt, leuchtet ein. 
Ans ben dem Buͤndesrath zugegangenen Berichten der Reichs⸗ 
schuldenkommission über die Reichsschulden, dann den Invaliden, 
Festungsbau⸗ und Reichstagsgebäudefonds sind folgende Einzelheiten 
crwähnenswerth: An Reichstassenscheinen sind in Umlauf 165 
Millinen M. (ausgegeben waren j. Z. im Ganzen 178 Mill.) Der 
Bestand des Reichsinvalidenfonds betrug am 31. März 1877:Sculd⸗ 
verschreibungen und Eisenbahnprioritätsobligationen 536 946,049 
M. ferner 10,752,150 fl. südd. sowie eine Forderung an den 
Reichsfestungs-Baufonds von 518,015 M., Baarwerthe 4,8837,030 
M., zusammen 560,562,924 M. Der Bestand des Reichsfestungs⸗ 
Baufonds betrug am 31. März 1877: Eisenbahn⸗Prioritäts⸗Obli⸗ 
gationen und Schuldverschreibungen deuischer Bundessiaaten 
120 201, 300 M., ausländische Staatspap'ere 928,550 L. und 
2,5547,300 Dollatrs, Baarwerthe 1,655,050 M., zusammen 
151,958,977 M. Der Zinsertrag der Bestände der drei Fonds, 
wie dieselben Ende Februar d. J. in den verschiedenen Werthpa⸗ 
pieten und den baaren Depots bei den Bankhäusern sich gestellt 
haben, bezifferle sich zu diesem Zeitpuntt a) bei dem Reiche⸗Inva— 
uͤdenfonds auf 4346 Proz, b) bei dem Festungs⸗Baufonds auf 
483 Proz., e) bei dem Reichstagsgebäude⸗ Fonds auf 4,60 Proz. 
Als Grund für die in der Reichstagssihung vom 1. erfolgit 
Vertagung der Interpellation wegen einer Uebergangsabgabe von 
Essig wird von Berlin aus angegeben, daß die Angelegendeit 
* 
Seitens des Bundesrathes noch einmal an die Ausschüsse verwiesen 
ei und dort wahrscheinlich im Sinne der Interpellanten und der 
üddeutschen Interessenten schließlich so werde geregelt werden, daß 
nan von der Uebergangsabgabe zurücklommt. 
Berlin, 3. April.“ Der Reichstag beschäftigte sich heute 
nit Petitionen. Eine Petition, welche dahin geht, daß bei der 
zevorstehenden Reform der Branntweinsteuergesetzgebung die pro⸗ 
oktirte Fabritatsteuer nicht genehmigt, sondern die Raumsteuer bei⸗ 
ehalten werde, wurde dem Reichskanzler zur Berüchsichtigung 
iberwiesen. Der Antrag von Kiepert, den Reichslanzler zu ersuchen, 
zie Zurückzahlung der Branntweinsteuer für allen zu gewerblichen 
Zweden benutzten Alkohol anzuordnen und die Denatarirung desselben 
jach Maßgabe der technischen Benuzung ausführen zu laffen, wurde 
ast einstimmig angenommen. 
Der Reichtkanzler hat dem Bundesratb einen Gesetentwurf 
jorgelegt, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 5 Mill. M. 
ehufs Vervollständigung der Garnisonseinrichtungen in Elsaß⸗ 
dothringen, welche in Folge der im letzien Herbst angeordneten 
Truppendislokationen noihwendig geworden sind. 
Berlin, 8. April. Die Lage der auswärtiçen Politik 
vird in der ministerieilen „Provinzial-Korrespondenz“ kurz ge⸗ 
—X 
Der Gegensatz zwischen England und Rußland in Bezug auf 
die weitere Behandlung der orientalischen Frage hat seit der vorigen 
Woche anscheinend an Schäcfe noch gewonnen, indem die englische 
tegierung sich bewogen gefunden hat hat, die Neserven einzuberufen. 
Dder Beichluß erscheint um so bedeutungsvoller, als sich in Folge 
Hesselben der bisherige Minister des Aeußern, Lord Derby, welcher 
vorzugsweise an dem Vertrauen auf eine friedliche Losung der 
—chwierigkeiten festgehallen datte, veranlaßt gesehen hat, seine 
knlilassung zu nehmen. Die Botschaft, durch welche die Konigin 
en Beschluß dem Parlamente mitgetheilt hat, erllärt die ergriffene 
Naßregel freilich nur damit, daß der gegenwärtige Stand der 
Dienge im Orient und die damit zusammenhängeande Nothwendigkeit, 
Maßregeln zu ergreifen sür die Aufrechterhaltung des Friedens 
ind zum Schutze der Interessen des Landes, einen Fall großer 
Drin,lichkeit biide. Der zum Nachfolger des Lord Derdg berufene 
rotd Saͤlisbury hat alsbald eine Depesche an sänmtliche Vertreter 
knglands gerichtet, in welcher er den Friedensvertrag mit Rußland 
und der Türkei fast in allen Bestimmungen scharf angreift, um zu 
nechtfertigen, datz England nur an einem Kongresse Theil nehmen 
onne, welcher den ganzen Vertrog zum Gegenstand seiner Be⸗ 
rathungen macht. Inzwischen hat Rußland versucht, sich durch die 
Sendung des Generals Ignatieff nach Wien zunächst mit Oesterreich 
veitet zu verständ'gen. Die bezüglichen Verhandlungen scheinen 
zahin geführt zu haben, daß die österreichische Regierung ihrt Auf⸗ 
jassungen und Forderungen in Bezug auf die eigenen und die allge⸗ 
nein europäischen Interessen dem Friedensvertrage gegenüber be⸗ 
stimmter ausgesprochen hat— 
Ausland. 
Wien, 3. April. Die Morgenblätter fordern auf Grund 
des englischen Circulars ein Zusammengehen Englands und Oister⸗ 
eichs. Die „N. fr. Presse“ constatirt, England sei enischlossen, 
venn es zum Kriege komme, dense!ben so lange forlzusetzen, bis 
stußland auf ein halbes Jahrhundert zurückgeworfen sei. Das 
„Fremdenblatt“ meint, England wolle ganze Arbeit machen, An⸗ 
)rassy möge daran theilnehmen, nichts sei gefährlicher, als die 
Wiederholung der Halbheiten des Krimbtieges. Eine volle prinzi⸗ 
zielle Verständigung zwischen hier und London ist zweifellos erfolgt, 
ein Separalabkommen mit Rußland gilt beiderseits als völlig aus⸗ 
zeschlossen. Das Berliner Cabiuet setzt die Vermitllungsversuche 
dezüglich des Congresses fort. 
Londoa, 83. Upril. Ein Telegramm des „Standard“ 
aus Konstantinopel vom 2. ds meldet: „Da die Russen fürchten, 
die Türkei werde im Falle eines englisch- russischen Krieges ihre 
Neutral tät behaupten, so vetlangien sie die Räumung der Fortiß