Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 57. Dieustag, den 9. April 1878. 
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Deutsches Reich. 
Berbin, 6. AÄpeil. Die Frage wegen Erhebung einer 
UNebergaugsababe von Essig wird den Reichslag noch einmal be⸗ 
schäftizen. Die Abzeordneten Dr. Buhl und Dre vasker haben, 
zahlreich unterstützt von andern Fractionen, folgenden Autrag eiuge⸗ 
racht: „Der Rieichstag wolle besspließen: In Veranlessung der in 
der Verhandlung vom 5. April 1878 von Seiten des —A 
Jemachten Mittheilung, daß derselse beabsichtigt, den Essig, welcher 
Aus den süddeutschen Staaten in die Staaten dter Branntweinsteuer⸗ 
gememschait eingehi, einet Uebernangsabgabe zu unterwerfen, erklärt 
der Reichstag: daß die Einführung dieler Uebergangsabgabe nut im 
Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen tann“. 
Das dem Bundesraihe vorgelegte Gesetz. wegen Veranstaltung 
einer Tabaksteuer-Enquete hat im Reichstag schon bei seinem Er— 
scheinen nicht viel Freunde gefunden. Dieser Widerspruch ist nun 
noch verschärft worden durch die von den Bundesrathsausschüssen 
—XEDD— A. den mit der Er—⸗ 
hedung beauftragten Beamien auch die Einsicht in die Geschästs 
bücher gestattet sein soll. In den Bundesrathsausschüssen war, 
wie verlautet, die Ausicht maßgebend, daß eine Einsicht in die 
GBeschaͤftsbücher nur da verlangt werden solle, wo man aus ircend 
weichen Gründen Zweifel in die Angaben über die Preise der 
Tabalsfabrikate sitze, ohne deren Kennmiß ein Hauptzweck der 
zanzen Erhebung vereitelt wäre; überdies sei eine solche Einsicht 
in die Gischäftsbücher ein Hauptwoment in dem amer kansschen 
Fabrilaisteuersystem, welches augenblicklich so zahlreiche Anhän er 
im Reichsstage zähle. Gleichwohl begegnet der Voischlag seines 
pexatorischen Charolters wegen vielfach enischiedener und berechtigter 
Abneigung. 
Berlin. In den Motiven zu dem dem Bundesroth vor⸗ 
Jelegten Tabakser quetegesetz war, wie ecinnerlid, die Absicht der 
Rteichsregierung ausgesprochen, durch besondere Commisfjare Er— 
Jebungen über die Handhabe und die Ergebn sse der Fabrikatsteuer 
in Amerika anstellen zu lassen. Wie wir bören, ist de Bejeichnung 
dieser Commissare seitens des Reichskanzlers bereins etfolgt und 
sollen dieselben schon in nöchster Zeit die Reise nach Amerika an⸗ 
elen. Somit wäre die Abficht des Reichstags, sich einen Eiufluß 
auf die Auswahl der Commissare wie auf de denselben zu er⸗ 
cheilenden Justrukt onen vorzubehalter, vereiilelt. 
Köln, 7. Apeil. Man telegraphirt der Kölnischen Zeitung 
aus Wien: Die letzten Petersburger Nachtichten zeigen ein eut— 
hiedenes Vorwiegen der gemäßinten Partei an: eine endgültige 
Frklärung Rußlands steht jedoch sowohl hier, wie in London noch 
aus. Die Nachticht, Braliono, der gestern nach Berlin abgereist 
ist, habe hiet in Wien nichis erreidt, ist falsch z. vielmehr erklärte 
Androassy, die Frage wegen Bessarabien gehöre vor einen Congreß, 
weil sie die Signatarmächte insgesacumt angehe. Die Angelegenheit 
des sür die russischen Truppen auf zwei Jahre verlangten Duich⸗ 
zugstechls beirschte er aber auch eben so wie die Dauer der Be⸗ 
setzung der Bulgarei, als eine österreich sche, und werde auf der 
Abänderung der bezüglichen Bestiwmungen des Vertrages von San 
Stefano bestehen. Bisher sind alle russischen Versuche, die Türkei 
für den Kriegsfall zu einem Bürdniß zu bewegen, fehlgeschlagen, 
was England wohl der umsichtigen Thaligkeit Lahard's zu danken 
hat. So lange Achmed Vespek Paschas EKinfluß maßgebend bleibt, 
wird die Prorte mit Rußland keinerlei Veriragsverhältniß für den 
Fall eines neuen Krieges eingehen. 
Ausland. 
Wirn, 7. April. Die Deutsche Zeikung melder: Genetal 
JIgnatiew habe Oesterreich zu dessen Gewinnung im Falle eines 
anglo⸗russischen Kriegs die Theilung Rumäniens vorgeschlagen und 
war so, daß die Wallachei für Oesterreich, die Moldau für Ruß— 
land abfiele. Die Mission Brationos habe nebenbei auch bezweckt, 
sich Informationen über diesen Plan zu verschöffen. — Die hiesigen 
Journale polemisiten gegen die „Norddeutsche Allaem. Zig.“, welche 
die Entwichkelund des orientalischen Krieges kendenzös entstelle. Nur « 
in Folge Deutschlandz Politik konnte der heutige Stand der Dinge 
ꝛniste hen. Fürst Bismarck sebe jetzt auch die Gefahr jur Deutsch- 
land. Durch Vorwürfe gegen Andere suche er jetzt de Wendung 
einer Polink zu masliten und Rußland anzudeuten, daß es im 
Falle eines muen Krieges ke ne Hilfe von Deutschland zu erwarten 
sabe, um Rußland zur Nachg'ebigkeit und zur Ermöglichung des 
Congresses zu preisiren. 
Bud'apest', 7. April. England erklärte sich bereit, gleich⸗ 
wie Oesterreich, seine dem Frieden von San Steiano entgegenzus 
tellenden Forderungen in Petersburg bekanntzugeben und in die 
Diskussion derselben einzutr ten, betonte aber ausdrückl'ch, daß es 
)ie Ergebnisse dieser Diskussion nur als werteres Material für 
Tntjcheidnng Europes betrachten könni, die zu accepriren jeder eine 
elne Staat sich verpflchten halten müsse.“ 
Aus Sit. Petersbünrg erhält das, Deutsche Mont.Blati“ 
olgende Mittheilung von höchster politischer Trag veite: 
Weder hat England dis jetzt ertlärt, es müsse zur Wah⸗ 
runz seiner J terrssen tückisches Gebdiet besetzen, noch hat 
Gorischikow erklärt, nah Salisburys Noce könne selhst ein 
Congreß die Stre tfragen nicht meyhr lösen. Es gewinnt 
bielmehr hier die Ansicht immer mehr Boden, daß in den 
nächsten Tagen ein Courier von hier ein Handschreiben des 
staisers Allxander an den Kaiser Wilhelm überbringen dürfte, 
mit dem Ersuchen an den letztern, daß dirch seine Vermitt⸗ 
lung eine Vere nbarung über die Orienifrage zwischen den 
europaischen Mächten zu Stande kommen möge. 
Diese Vereinbarung soll auf einer Grundlage stattfinden, 
velche wie folat skizzirt wird: 
1) Rußland gestattet die Vorlegung des gamzeen Friedens⸗ 
vertrages auf einer Conferenz. 
2) Rußland willigt in die Abänderung der Punkte, welche 
die Parner Traktatmächte fur nothwendig halten; da 
der Vertrag von San Stefano wohl daz Maximum der 
russischen Forderungen der Türken gegenüber enthält, aber 
durhaus nicht dæe Interessen der Üübdrigen europäischen 
Mächte verletzen soll. 
Behufs Wahrung dieser Int ressen gestattet Rußland eine. 
Modifikation des Vertrags, namentlich der Punkie, welche 
Bulgarten beteeffen. 
Auf dieser Gesudlage hält man die friedliche und allseitig 
zefriedigende Löung der orientalischen Frage für unzweifeldaft. 
Dee Initiatibe dazu wird jedenfalls von Petersburg ausgehen, da 
ich annehmen läßt, daß die russische Friedenspartei dauernd die 
Oberhand über die vanslovistischen Keieaschwärmer gewonnen hat. 
E 
Blieskastel, 7. April. Heute (Sonntag) vor 14 
Tagen ging der Ackerer Johann Kohl von Blickoeiler des Nachts 
im halb 12 Uhr umn berrunkenem Zussande, g führt von einem 
ungen Burschen, bis ungefähr 200 Schritte von seinem Hause 
veg, wo er dem Burschen lästig und von demselben hingelegt 
vucde. Der junge Führer hatte jedoh der Ftau Kohl Kenntniß 
zavon gegeben, welche auch sofort. na h ihtem Maun gegangen war; 
aber als sie auf den Plaz kam, wo Kohl gelegen, sand sie Nichts 
als zeine Mötze. Kohl war verschwuinden und man hat auch jetzt 
noch keine Spuc von demselben aufgefunden. Es vecvbreiten sich 
hietüber verschudene Gerüchte. 
In Bahllwernler starben mit e'nander in einer Stunde 
ain verflossenen Saustag vor 8 Tagen die Eheleute Jakab Groh 
und sind am verflossenen Viontag beide mit einander in ein Grab 
brerdigt worden. Die Verewigten haben 51 Jahre in zufriedener 
ẽhe gelebt. 
F Vor dem Landgerichte Kaisersslaufern wurde am 
Sanstag die Beleidigungsklage des dortigen Lehrers Weiß gegen den 
siedakteur der „Pf. Volksztg.“ verhandelt. Im soqg. Haunewackel 
war Hrn. Weiß vorgeworsen worden, in der Giflägelausstellung 
ein Ei gestohleu zu haben. Die Lerhandlungen ergaben nach der