St. Ingberler Anzeiger.
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Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöhentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Vei⸗
lage) erscheint wochentlich Viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementspreis betragt vierieljährlich
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MGl. Dienstag, den 16. April 1878.
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Deuisches Reich.
Mäünchen, 14. April. In einer gestern Abend abgehallenen
zahlreich besuchten Versammlung unserer Künstler wurde eine Ver—
vahrung gegen das Verfahren in Sachen der Pariser Ausstellung
heschlossen; es wird dieselbe an d'in „Hauptvorstand der deutschen
tunstgenofsenschaft“ in Berlin zue Uebermittelung an die Reichs⸗
egierung abgesendet werden. Ebenfo wurde ein von Professor
Znoll vorgeschlagenes Schreiben an den Reichskanzler angenommen
ind wird dasselbe, sobald es von den Künstlern unterzeichnet ist,
ibgesandt werden.
Ausland.
Wien, 14. April. Der Berliner Correspondent der hoch⸗
offizibsen „Mounlagsredue“ sagt, die Arbeit des ehrlichen Maklers
sei keine ieichte; seine Vermiltlung werde allseitig gebilligt, finde
sedoch nicht jenes Entgegenkommen, auf dessen Grurd eine erfolgreiche
Bermittlung ollein möglich. Fürst Bismarck allein kann nicht die
Joldene Brücke bauen, welche Rußland aus dem Haupiquartier von
San Stefano in den Conferenzsaal führt. England hat echt kauf⸗
männisch sehr viel gefordert, um viel oder einiges zu erlangen;
zAlenfalls muß Enzland seinen Vorschlag präciser fotmiren oder
eine Conferenz ermöglichen, sonst erübrige nur noch ein Appell an
die ultima ratio. (Deutsches Montags⸗Bl.)
Pest, 14. April. Haldamilich wird versichert, die Pntente
rordiale zwischen Wien und Petersdurg sei retablirt. Die Russen
verden die Aluta nicht überschreiten, also die kleine Wallachen nicht
derühren. In diplomatischen Kreifen verlautet, die russische Antwort
ei in jeder Beziehung entgegenkommend. Raßland erklärt seine
Zereitwill'gkeit, eine Grenzrevision füt Bulgarien, sowie rine Ab⸗
rürzung der Otkupation eintreten zu lassen; ferner anerkennt Ruß⸗
and die Berechtigung der öͤsterreichischen Forderung, eine Schutz⸗
jerrschaft im Westen der Balkanhalbinsel auszuüben. Bezüglich des
Fongtesses verlautet, daß Deutschland in der rassischen Erklärung,
aile Fragen zur Diskussion zuzulassen, ein genügendes Entgegen⸗
ommen finde und hoffe eine versöhnliche Haltung Englands herbei⸗
uführen.
Paris, 14. April. Das „Journal ojficiell“ sagt in einem
Fntrefi et, daß die am letzten Sonntag von der „Agence Havas“
deröffentlichte Rote, betreffend die Unabsetzbarkeit des Generalstabschefs
der franz. Urmee, weder aus dem Cabinet des Kriegsministers noch dem
Jes Generalstabes herrührte. Der Artikel fügt hinzu, daß kein Minister
neben sich eine Persönli4keit von gleicher V.rantwortlichkeit dulden
önnte. Der sensutionssüchtige ‚Gaulois“? erzählt seinen naiven
Lesern ganz ernsthaft, Gamdelta habe durch SaintVallier der
deutschen Regierung den Vorschlag machen lasser, Metz an Ftankreich
wieder abzutreten, gegen die Zusicherung der französischen Neutralität
—
Der „Gaulois“ sagt, Bismard habe Anfangs Gambeita's Avancen
zurückgewiesen, jezt aber (höct!), Angesichts der feindlichen Haltung
Englands, häulen die erneuerten Versuche einige Hoffnung auf
Erfolg. (Als Curiosum wirklich nicht übel. D. R. d. D. M.Bl.)
Rom, 14. April. Berliner Privatdepeschen besagen, Fürst
Bismarck habe in London und Wien drei Bedingungen aufgestellt,
che er sich dazu herbeilasse, Rudland zu überreden, einem Congiesse
die Erischeidung zu überlafsen über die Territorialveränderung,
welche der Verrrag don San Stefano ausspricht. Diese Bedingungen
eien: 1) Räckgabe Bessarabiens an Rußland gegen die Dobrudscha;
2) Ausdehnung Rußlands in Asien bis einschließlich Erzerum; 9)
die Kriegsentschädigung ist undiskutirbar, weil dieselbe lediglich eine
ürkisch⸗russische Angelegenheit ist. — Der Papst beabsichtigt einen
zweiten Brief an den deutschen Kaiser zu richten, in welchem zwar
nicht die Aufhebung der Maigesetze verlangt wird, wohl aber der
Wunsch vorgetragen wird, stillschweigend eine Nichtanwendung der⸗
elben eintreten zu lassen. Der Vatikan würde dagegen alle Zu⸗
Jeständnisse in Personenfragen gewähren.
Vermischtes.
7 St. Inabert, 15. April. Wir brachten in unserer
Nr. 54 vom 3. ds. eine kutze Notiz, daß die hiesige Ocarino⸗
Besellschaft“ in nächster Zeit ein Concert auf diesem neuen italie⸗
aischen Musikinstrument geben wolle. Heute sind wir im Stande,
ziese Nachricht bestätigen zu können, da dasselbe, wie wir aus
Acherer Quelle vernahmen, bereits auf Sonntag, den 28. ds., den
veißen Sonntag, festgesetzt ist. Das Programm verspricht ein
zeichhaltiges zu werden und soll größtentheils aus Ocarino· Piecea
bestehen.
Wer die Schwierigkeiten kennt, unler denen die hier aus 11
Mann, meistens Dilleltanten, bestehende Gesellschaft zu Stande
tam; wer ferner weiß, wie schwer es für die Arrangeure war, die
Stimmen so richtig zu vertheilen, daß eia wohlklingendes Ensemble
auf dem doch gänzlich unbekannten Instrumente zu Stande kam,
vird die heutigen Leistungen der jungen Gesellschaft für die kurze
Zet ihrer Uebungen nur bewundern. Wir hatten kürzlich in einer
Zrobe Gelegenheit, uns davon zu übderzeugen und müssen dabei
ioch gestehen, daß die Ocarina im Zusammenspiel eine liebliche,
arte Musik, ähnlich der, einer größeren italienischen Orgel ergibt.
Wenn uns das Programm bekannt sein wird, werden wir an
dieser Stelle weiter über das Concertprojekt, dem wir im Voraus
in gutes Prognostikon stellen, berichten. Schließlich sei noch be⸗
merkt, daß es durch Clabier⸗ und Violin⸗Vorträge z veier auswär⸗
iiger, hier bekanaler Künstler, sowie durch einige Gesangvorträge
hiesiger Herren unterstützt sein wird.
— Die Pollichia, ein naturw'issenschaftlicher Verein
der Pfalz, gedenkt am Donnerstag nach Ostersonntag ihre diesiährige
Wanderdersammlundg in unserer Stadt abzuhalten. So
ziel uns bis jetzt bekannt ist, hat sich bereits ein Lokal Comitee
gebildet, das sich zur Aufgabe gesetzt hat, die hdiezu nothwendigen
Arrangements zu treffen. Die Verhandlungen follen von Vor⸗
nittags 11 Uhr an im Grewenisg'schen Saale stattfinden, an
ziese soll sich ein solennes Festdiner in dem jetzt vergrößerten Saale
des Conra d'schen Hotels reihen und Abends soll die Gesellschaft
„Harmonie“ zu Ehren der Festgäste ein von der rühmlichst be⸗
'annten Burkhard'schen Capelle ausgefühttes Concert mit ausge—
vählsen Programm in Aussicht gestellt haben. Wir zweifeln nicht,
»aß das Comitee Alles aufbieten wird, am den Gästen den Aufent⸗
zalt in unserer Stadt so angenehm als möglich zu machen.
fSt. Ingbert, 186. April. Wir wollen nicht versäu⸗
nen an dieser Stelle die Aufmerksamteit auf ein Kinderspiel
zu lenlen, das in seinen Folgen oft eine er nste Gefahr
ür Gesfundheit und Leben der Kinder dirgt. Das Spiel, welches
vir im Auge haben, ist das „Seilspringen'“, das beson⸗
)ers von 6— 12jährigen Mädchen auch in unserer Stadt mit
zroßer Vorliebe gelbt wird. We wir hören, war längere Zeit
in Mädchen dahier (Namen wollen wir keine nennen) an den
Folgen des Seilspringens erustlich krank gelegen. Sogar der vor
iniger Zeit eingetretene Tod eines andern Mädchens wird auf
as Seilspringen zurüdgeführt. Auch aus Saarbrücken wird der
Tod eines Kindes als Folge dieses Spiels gemeldet. — Es seien
ziese Fälle allen Eltern eine ernste Warnung, dem Seilsprungen
hsei ihren sindern, etwa durch den Kauf eines Seiles, keinen
VBorschub zu leisten, es vielmehr mit allem Nachdruck zu vecbieten.
FZweibrücken, 15. April. Gestern (Sanndag) Vor⸗
nittaz gegen 3 11Uhr entsprang aus dem hiesigen Bazirksgerichts⸗
efängniß der wegen Nothzucht in Untersuchung gezogene Ludwig
Beber von Hornbach. Er setzte über die Mauer am Exercierplatze,
jog dann um die katholische Kirche, eilte durch die Schulallee, die
jeue Vorstadt und den Kreuzbeig hinauf, von dessen Höhe er sich
ann rechts in die sog. Bombach wandie, wo er in dem dorligen
WBäldchen von der ihm nagsetzenden Gendarmerie unter einem
Feljen versteckt aufgefunden, arrelirt und in Gewahrsam zurück—
rRebracht wurde.