Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberler Anzeiger. 
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M 65. Samstaag, den 27. April 1878. 
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Deutsches Reich. 
Mzunchen, 28. April. Nach der fuͤr die Fuß⸗Artillerie 
Brigade erlassenen Zeiteintheilung der Schießübungen auf dem 
dechfelde hat das in Germersheim stehende 2. Bataillon des 2. 
Regiments per Bahn am 8. Mai an dem Uebungsorte einzutreffen 
und dortselbst bis 9. Juni zu verbleiben; die beiden Bata llone 
des 1. Regiments gehen gleichfalls per Bahn nach Ingolstadt und 
Ulm am 4. August nach dem Lager und bleiben dis 31. August. 
Zur Zeit der Anwesenheit des 2. Regiments haben auch die Land— 
vehr⸗Tompagnien der Fuß Artillerie ibre Uebungen vom 18. mit 
25. Mai vorzunehmen. 
Berlin, 23. April. Es beslätigt fich, daß die Reife des 
Zaisers nach Wiesbaden einstweilen aufgegeben ist, obwohl für die⸗ 
jelbe alle Vorbereitungen bereits getroffen waren. Die Abreise 
jollte am 29. April erfolgen und der Aufenthalt in Wiesbaden 
länget als in früheren Jahren ausgedehnt weiden. Die veränderte 
Anordnung hat ihren Grund in der politischen Lage, welcher ge⸗ 
genüber das Verbleiben des Kaisers in der Reichshaupistadt für 
erforderlich erachtet worden ist. Es heißt jetzt, der Kaiser werde 
his zum Beginn der Emser Badereise in Berlin verbleiben. Der 
Ankunft des Fürsten Bismarck wird nach wie vor bis zum 29. d. 
M. entgegengesehen. 
Berlhin, 24. April. Die zur Berathung des dem Reichs⸗ 
tage vorgelegten Entwurfes betreffend den Verkehr mit Nahtungs- 
nitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen eingesetzte Kom⸗ 
nission hat den Beschluß gefaßt, es möchten ihr die sämmtilichen 
zur Zeit in den einzelnen Bundesstaaten bezüglich des Verlehrs 
mit Nahrungsmitteln u. s. w. in Kraft befindlichen Gesetze und 
allgemeinen Verordnungen zugänglich gemacht werden. Da in Folge 
Dessen seitens des Reichsjustizamts auch das preußische Staats⸗ 
ninisterum um Mittheilung der betreffenden Gesetze und Verord⸗ 
nungen ersucht worden, so haben die Minister des Innern und des 
ulius die Provinzialregierungen veranlaßt, eine Zusammenstellung 
der auf die gebachten Gegenstände bezüglichen Vorschriften, die auf 
in Kraft befindlichen Gesezen beruhigen, binnen 10 Tagen eirn— 
ureichen. 
NAusland. 
Wien, 24. April, Abends. Die „Polit. Korr.“ veröffent 
licht folgende Meldung aus Bukarest: Die Befürchtung einer 
easchen Besetzung Bukarest's durch russische Truppen nimmt hier 
nehe und mehr zu. Russische Truppen lagern in einer Eatfernung 
pon 20km von der Hauptstadt. Die Konzentrirung der tumänifchen 
Armee in der kleinen Walachei ist schon bewerlstelligt. 
London, 23. April. Bis zur Stunde ist, wie ich von 
guter Seite erfahre, noch leine Einigung über den deutschen Vor⸗ 
jchlag erzielt worden, demzufolge bekannllich England seine Flotte 
und Rußland seine Truppen aus der Nähe von Konstantinopel 
ziehen sollten; auch in dieser Beziehung scheint man hier Anfor⸗ 
derungen zu stellen, welche von Rußland kaum angenommen wer⸗ 
den dürften. Es gewinnt überhaupt immer mehr den Anschein, 
als ob die Auffassung der Sachlage in hiesigen maßgebenden Krei⸗ 
sen grundverschieden von der auf dem Kontinente ist, namentlich 
auch von derjenigen in Wien; denn man ist hier nur ganz ver⸗ 
einzelt der Ansicht, daß sich wischen Wien und Petersburg ein Eint 
perständniß auf friedlichem Wege werde zu Stande dringen lassen. 
Von einer Vorkonferenz will man hier absolut nichts wiffen. 
London, 24. April. Ein Telegramm der „Times“ aut 
Pera vom 28. April meldet: Der Aufstand der Muselmänner in 
Rumelien nimmt große Dimensionen an. Dreißigtouseud Russen 
sind mit der Bekämpfung desselben beschäftigt. Der Aufstand um⸗ 
jaßt das Gebiet zwischen Tatarbasardfchik und Philippopel bis 
Bumuldschina und Tschirmen und wurde verursacht burch den 
Drud des neuen bulgarischen Regimes und beschleunigt durch Ex⸗— 
zesse der Bulgaren. In einem blutigen und unentschiedenen Ge⸗ 
echt bei Demotika am 18. April betrug der Verlust der Russen 
300 Mann, darunter 8 gelddtete Offiziete. 
In Warsihau ist dieser Tage, wie die „Deuische Zeitung“ 
mittheilt, von einer geheimen russischen Nationalregierung, welche 
nus der Fusion der verschiedenen russischen revolutionären Parteien 
jervorgegangen ist, eine Proklamation erlassen worden, worin das 
ussische Volk zum Ergreifen der Waffen gegen die Regierung des 
Zaren aufgefordert wird. Ja allen Städten und Dorfern des 
weiten Zarenreiches hat eine Augesehene Hand diese Proklamation 
vie aus einem Füllhorn reichlich ausgestreut. Das revolutionäre 
Schrifistüuckk trägt die Aufschrift: „Revolutionäre Auseinander⸗ 
etzung“ und das Datum: 7. April 1878. Ein großes blutrothes 
Siegel, an dessen Peripherie die Worte zu lesen sind: „Union der 
nationalen Befreiung“, befindet sich am Kopfe des Schriftstückes? 
Robespierce's Spruch: „Erdrückt durch Terrorismus die Feinde 
des Volkes, und die Ehre der Errichtung der Republik wird euch 
zebühren“ und ein Citat aus einem Gedichte Nekrassoff's: „Unsere 
Zache steht fest, denn sie basirt auf Blut“ dienen als Motto. 
Die Proklamation fängt also an: „Treuherziges Volk, erwache, 
zreife zu den Waffen gegen die Tyrannen und räche deine Kne⸗ 
elung! Jetzl ist dazu der günstige Zeitpunkt gekommen, denn die 
Zussände in Rußland sind unerträglich und unhaltbar geworden. 
luf der weiten Strecke, von einem Ende unseres Landes bis zum 
uindern gibt es nicht Einen Ort, wo der Mensch sich vor den Hel⸗ 
ershelfsern des Zaren sicher fühlen bönnte.“ Dann folgt eint 
zrelle Schilderung der russischen Regierungswirthschaft, und mit 
dem Aufruf zu den Waffen schließt die Proklamation. 
Rermischtes. 
Tf St. In gbert, 26. April. Gestern hielt die „Po b⸗ 
sichia“, ein naturwissenschaftlicher Verein der Pfalz, ihre dies⸗ 
ãhtige Wanderversammlung in unserer Stadt ab. Nachdem laut 
Programm, das den Lesern d. B. aus dem Donnerstagsblatt bekannt 
st, die Festgäste durch das Lokal ˖Comité empfangen worden waren, 
vurden sie in den festlich geschmückten Greween i g'schen Saal 
zeleitet, wo um 11 Uhr die Verhandlungen und Vorträge der 
„Pollichia“ vor einer zahlreichen Versammlung hiesiger Bürger 
hren Anfang nahmen. Leider war es einem der Herren, denen 
)er ehrenvolle Auftrag geworden, als Sprecher aufzutreten, Hrn. 
Dr. Mehlis von Dürkheim in Folge eines eingetretenen Hin⸗ 
ernisses nicht vergoönnt, uns mit seinem jedenfalls lehrreichen und 
pannenden Vortrog: „Aus dem Gebiete der Anthropologie“ zu 
erfreuen. Die beiden anderen, auf dem Programm verzeichneten 
Vorträge des Hrn. Prof. Recknagel von Kaiserslautern über 
Wetterprognoser und des Hrn. Dr. Dittrich von Dückheim 
„Das Reich der niedrigsten Otganismen“ deren jeder in seiner Art gleich 
helehrend und sprachlich vollendet war, hielten die Zuhörer in un⸗ 
unterbrochener Spannung und befriedigten gewiß vollständig. 
Ehe wir jedoch zu den Vorträgen der beiden Herren übergehen, 
wollen wir die Ansprache des Hrn. Subrectoe Beck von Dürkheim, 
der als Prasident der „Pollichia“ fungirte, und die des Hrn—. 
Bürgermeister Cusst er von hier vorausschicken. 
Hochverehrte Vecsammlung! Es sind ungefähr 14 Dezennien 
verflossen, seitdem in einem engen Kreise wissenschaftlicher Männer 
der Pfalz det Gedanke angeregt wurde, die uatürliche Beschaffen⸗ 
jeit des Bodens, den dieselbe bewohnt, zu durchforschen, die Pflanzen 
ind Thierwelt kennen zu lernen. Aus diesem Verlangen wissen⸗ 
chaftlicher Männer der Pfalz erwuchs unser Verein und wenn er 
ich nach dem berühmten Botaniker Pollich „Pollichia“ nennt, 
o war auch in den ersten Jahren seines Bestehens die Pflege des 
„otanischen Studiums die überwiegende; daß jedoch die deiden 
inderen Richtungen picht vernachlässigt wurden, das zeigt unz ein 
Blick auf die reich Sammlung in Dürkheim. Der Verein begann 
hald ein thätiges Leben und entfaltete seine Wirlsamkeit. Als 
edoch schmerzliche Lüden in den Verein gerissen wurden, als tüch⸗ 
ige Kräfte des Vereins durch den unerbittlichen Tod hinweggerafft 
vurden, da lag die Gefahr nahe, daß die Thätigkeit der „Polichia? 
tlahme, nun es galt, Mittel zu schaffen, um ein neues Lehen in