Full text: St. Ingberter Anzeiger

vom 7. November habe ich erhalten und freue mich, daraus zu 
rsehen, daß es Ihnen und Ihren Kindern wohl ergeht. Gewiß 
rinnere ich mich des 6. November 1850 und derer, die bei dem 
zefahrlichen Unternehmen jener Nacht geholfen haben. Mit den 
zesten Wünschen für Ihr und Ihrer Familie Wohlergehen verbleibe 
ich Ihr ergebener K. Schurz.“ — Diesem Schreiben iag eine An⸗ 
weisung auf den Rentier v. Schmitz in Soest bei, welcher dem Herrn 
HBrune gegen Aushändigung derselben 100 Dollars“ am zweiten 
Weihnachtstage auszahlte. Herr v. Schmitz, ein alter Freiheits 
Ampe, stand zur Zeit des betr. Unternehmens mit dem Studenten 
Schurz in Verbindung und hat sich namentlich dadurch verdient 
zemacht, daß er der Familie des Gefangenwärters Brune, während 
der ganzen vrerjührigen Strafdauer allmonatlich den Gehalt ihres 
srnährers zahlite. 
7 Der Oberpräsident von Schlesien v. Puttkammer hatte 
auf der Jagd das Unglück, einen Försier so schwer ju verwunden, 
zaß derselbe starb. Ein Theil der Ladung verletzte ferner einen 
Treiber. v. Puttlammer nahm sich dies Ereigniß sehr zu Herzen 
und beabsichtigte aus dem Staatsdienst auszutreten. Nun hat der 
Kaifer an ihn ein eigenhändiges Schreiben gerichtet, in welchem er 
hn wegen des Mißgeschiks auf der Jagd zu Rothschloß troͤstet 
und ibn ersucht, die Absicht, wegen dieses Unfallz den Staalsdienst 
zu verlassen, aufzugeben. 
F.Von allen Seiten kommen Nachrichten, daß wegen mißlicher 
sinanzteller Verhälinisse Bühnen geschlossen werden müßten. So 
das Théatre lIyriquo in Paris, das Stadttheater in Bremen die 
Kemische Oper in Wien, das Carl-Schulze Theater in Hamburg, 
das Stadttheater in Görlitz. Die Theatermisere scheint allerorten 
hronisch geworden zu sein. Der „Theater-Figaro“ sucht die Gründe 
hieflir in Folgendem: „Schlechte Geschäfte bermindern die Theater⸗ 
lust des Publilums; die nach und nach zu unerschwinglicher Höhe 
emporgeschraudten Gagen vermehren die Last der Direlloren bis 
pur Unerträgligkeit. Die Verminderung des Besuches muß durch 
Verminderung der Ansprüche der ersten Künstler ausgeglichen 
werden. Das Publikum ist verwöhnt worden durch Virtuosen⸗ 
Reisen, Ferien, unerhört koftbare Ausstattungen u. s. w. Zur 
—AD Reinigung des künstlerischen Sinnes 
der Besucher wird man gleichfalls zurüdkehren müssen, um der 
Misere abzuhelfen. Daß die Eintrittepreise aus der Gründerzeit 
azuch nicht mehr der heutigen wirihschaftlichen Lage conform sind, 
vollen wir gleichfalls nicht unerwähni lassen.“ 
F Die „N. Fr. Pr.“ bringt folgendes hübsches Telegramm 
aus Bucha rest, 6. Jan.: „Am Lomfluß erhielten die russischen 
Truppen einige Schlappen.“ Das wird den frierenden 
Füßen der Schildwachen wohlthun! 
Von der polnischen Grenze berichtet die C. Zig. folgende 
„Waffenthat“ eines russifchen Grenzsoldaten. Derseibe traf mit 
wei bei der Feldardeit beschäftigten Mädchen zusammen. Nach 
inigem Hin-⸗ und Herreden meinte der Grenzseldat „Mädchen 
sind auf dieser Welt Uberflüssig, und ich werde Euch deshalb todt⸗ 
chießen.“ Dabei sieckte er in gemüthlicher Ruhe eine Patrone ins 
Vewehr, zielte und schoß das noch immer nichts Böses ahnende 
Madchen todi. Das andere enifloh. Dem tlapferen Mädchenver⸗ 
tilger find für diese Uebung in der Kriegskunst 20 Jahee unict- 
irdische Sibirien⸗Arbeit zudiktirt worden. 
f.Paris, 8. Jan. General Montauban, Graf von Palikao, 
darb diesen Morgen in Paris. (General, Cousin Montauban war 
um 4. Juli 1796 geboren und zzeichnete sich zuerst in Algerien 
als apferer Kavallerie⸗Offizier aus. Im Jahre 1860 erhieit er 
zen Oberbefehl über die französische Expedinon nach China, wo er 
un 21. September den entscheidenden Sieg bei Palikao errang, 
fich durch die Zerstörung des Sommerpalastes vom Kaiser von 
Thina, durch Barbaceien und Plündreeien als richtiger Algerier 
einen schlimmen Ruf erwarb, am 12. Oklober in Peling einrückte, 
zen Frieden erzwang und im Sommer 1861 über Japan nach 
Frankreich zurüdlehrie, um als Lohn das Großkreuz der Ehrenlegion 
—A Januar 
1862 den Titel eines Grafen don Palikao zu empfangen. Am 
22. Juni 1865 erhielt Montauban den Oberbefehl über das vierte 
Armeekorps in Lyon nebst dem der achten Militärdivifion. Montau— 
dan's Rolle im deutsch⸗franzoͤsischen Kriege und sein unheilvoller 
Tinfluß auf Mac Mahon's Bewegung nach Sedan ist in frischem 
Andenlen. Als Soldat war er ein tapferer Haudegen, als Feldbert 
Algerier durch und durch und daher für die Operationen in China 
wie gemacht: im Uebrigen war er weder in der Armee noch im 
Lande jemals beliebt, desto mehr aber der Mann des Vertrauens 
der Tuilerien. Er hat ganz wesentlich zu dem kecden Uebermuth 
and tragischen Ende des zwenlen Kaiserihume beigetragen.) 
tParis. Während der Weltausstellung wird ein Riesen⸗ 
ʒallon, der 850 Personen ju fassen im Siande ist, 800 Meter hoch 
teigen und den Insassen einen prachivollen Ueberblick über die 
A Umgebung verschaffen. 
Wie bereits gemeldet ist am Dienstag der Deputirte Rar⸗ 
ail, das alteste Mitglied der Linken, gessorben.“ Der nahezu 80jãhrige 
Breis hat unter dem Juli⸗Königshum jahrelang als Repubukaner 
nn den Gefängnissen geschmachtet und gleichzeitig als Erfinder der 
damphermedizin in der Foem von Kampher⸗ Cigaretten, Kampher⸗ 
datwergen, Kampher⸗Wein, Kampher-Pillen u. s. w. fich unter 
)er Arbeiter⸗Bevölkerung von Paris einen riesigen Anhang geschaf⸗ 
sen. Sein etwas mystisch⸗ angehauchtes Programm einer sozialistischen 
tepublik hinderte ihn nicht, duͤrch den Verauf seiner Kampher-Prä⸗ 
—XID zwang aber seine Pa⸗ 
ienten, die von ihm verschriebene Aampher⸗Medizin in der eigens 
on ihm unter dem Namen seines Sohnes gegründeten Kampher⸗ 
Wotheke zu entnehmen!) ein steinreichet Mann zu werden. Halb 
»olitischer, halb medizinischer Prophet galt er Jahre lang als der 
Martyrer seiner Ueberzeugung und er wurde vom Volke enthustastisch 
»egrüßzt, als er sich in den ietzten Jahren des Kaiserreichs wieder 
ils Deputirter den öffentlichen Geschäften zuwandte. Einen eigent⸗ 
ich pol tischen Einfluß hat er nie geeübt, wenn auch fein hohes 
Alter und seine chrwürdige Erschemung ihm eine Verehrung bei 
den Massen sicherten, welcher sich die tief gebildeten Parteigenossen, 
wie beispielsweise Louis Blanc, niemals zu erfreuen hatten. 
Der Wasserstand der Seine im Innern von Puris hat 
ich feit einigen Tagen nicht merklich verandert, wahrend ihre Reben— 
lusse, die Yonne, Oise, Marne u. a., noch immer im Steigen 
egriffen sind. Die kleinen Schraubendampfer versehen den Dienst 
zach wie vor, nur hahen sie ihre Schornsteine, um unter den 
Brücken durchzukommen, verkürzen müssen. Dagegen ist den Waaren⸗ 
chiffen das Befahren des Stroms untersagt. Zu Berch, dem Wein⸗ 
Entrepot von Paris, sind die nöthigen Vorsichtẽ maß regeln für den 
Fall einer Ueberschwemmung getroffen; in den Kellerue der beider⸗ 
eitigen Uferstraßen schafft das Einsickern des Wossers große Noth 
und die Abzugslanäle der Stadt fungiren nur theilweise 
Archibald Forbes, der berlihmte Kriegskorrespondent 
der „Daily News“, hat auf seiner Rückreise von Petersdurg Berlin 
nassirt. Als Forbes vom Kriegsschauplatz nach London zuruͤcktehrte, 
ahlten thm die Besitzer der Dailh News“ zuförderst eine Extra⸗ 
Bratification von 2000 Pfund oder 40 000 Mart. Dann gaben 
ie seint Berichte in Buchfortm heraus und wandten den Netto⸗ 
krtrag ihm und seinen Mitarbeitern zu. Außer diesen Vortheilen, 
vel he die „Dailh News“ Herrn Forbes zuwendeten, wurde dem⸗ 
elben noch von Amerika aus das Anerbieten gemacht, in den großen 
Städien der Union Vorträge zu halten. Ein Impresario dot ihm 
für einen Cyelus von Vorirägen 5000 Pfund oder 100,000 N. 
in. Archibald Forbes scheint entschlossen zu sein, dieses Anerbieten 
anzunehmen, und er darf dann die ganze Ernte, welche ihm aus 
em einen Feldzug erwächst, auf ewa 200,000 M. anschlagen. 
Die deutsche Presse gab den englischen Berichierstaller beharrlich 
ür einen zur Disposition gestellten Capitän oder Majot aus. 
Diese Annahme ist irrig. Forbes war niemals Soldat und er 
zarf stolz darauf sein, daß er als einfacher Journalist in Bezug 
muf klare und anschouliche Schilderung alle Bericterstaller von 
nilitärischer Bildung überflügelt hat. Forbes kam in Petersburg 
im Tage vor dem Einzuge des Kaisers an und iroß der scharfen 
dritik, welche er gerade in seinen letzten Berichten an einigen Korpz⸗ 
ommandanten und der russischen Armee übie, fand er in Hofkreifen 
zine übecaus freundliche Aufnahme. 
Remex. 
—BB 
Ei A t enischiedener Gegner aller sogenannten Ge⸗ 
in 13 5. heimmittel, hafte in jinem bedeulenden 
Wirkungskreise seht oft Gelegenheit, die verschiedenartigsten Haus⸗ 
ind Heilmittel kennen zu lernen und darunter sehr viele, welche 
ängst verschollen sind. In den letzten Jahren traf er haäufiger, ja 
o haufig die wohl keinem Aezte dem Namen nach mehr unbekannten 
Dr. Airy'schen Specialitäten an, daß er stutzig wurde. Anfangs 
zlaubte er, die überraschend schnelle Aufnahme deu Annonecen zu⸗ 
chreiben zu müsssen, sah aber bald ein, daß die meisten seiner den 
hessert. Ständen angehörenden Patienten nicht in Folge der Annon⸗ 
zen, sondern auf Empfehlung don Belannten hin, die Airy'schen 
Kemedien in Gebrauch genommen halten. Dieser Umstand und die 
hm entgegengetretencn überraschenden Resultate deranlaßten ihn, 
ene Specialitäten am Krankenbeite selbst zu prüfen. In 
einem einzigen Falle konnte ereine absolut schädliche 
Wirkung diesen Mitteln Schuld geden, in sehr vielen aber 
zinen so entschiedenen Umschlag zur Besserung des Kranl⸗ 
seitsfalles, daß der Arzt selbst in eigner Familie diese 
Iiry'schen Specialitäten als Hausmittel einführte und seither kein 
nißbilligendes Urtheil über dieselben mehr gelten läßt. Wer sich 
ähere Kenntniß über die Raturheilmeihode des Dr. Airy verschaffen 
vill, beziehe das instructive Buch welches llare Abhandiungen üder 
zie meisten Krankheiten, sogar mit belehrenden Illustrationen für 
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Kichter's Verlags⸗Anstalt in Leidzig. 
Für die Redachlon verantwortlich: —