Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wö hentlichj) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei— 
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Donnerstag, den 16. Mai 1878. 
M MWhdMWcheVc 
Deutsches Reich. 
Berkhin, 183. Mai. Ein ipspirirter Wiener Brief der 
Norddeutschen Allgemeinen Zig.“ sagt über das österreich sche Pro⸗ 
zramm zur Lösung der grientalischn Frage: Die österrrichischen 
Interessen diktiren die Aufstellang einer Armee in Ossgalizien, einer 
Urmee in Siebenbürgen und einer Armte im Banat; ferner eines 
KRorps in Süddalmatien, sowie die Okkupation Bosniens und 
der Hrzego vina und allen turkischen Gebietes zwischen dem 
Adriatischen und dem Aegässchen Meere mit den Grenzen im Eü⸗ 
zen vom Golf von Valona bis zum Golf von Salonschi und im 
Osten von der Ostarenzse Serbiens bis zum Busen vor Orfano; 
endlich sei die E«tsendung eines Panzergeschwaders an die Küste 
pon Albanien und eines solchen an die Küste von Macedon'en 
nörh'g. Ferner dürfte der Abschluß von Militärkonventionen, 
Schutz⸗ und Trutzbündnissen, kurz die Einleitung einer Ocganisirung 
Rumäniens, Serbiens, Montenegros und oller von der Türkei noch 
veiter sich loslösenden, die österreichischen Interessen tangirenden 
The'le mit Oesterreich ⸗ Ungarn zu einem Staatenbunde, ungefähr 
nach dem Vorb elde Deutschlands(Lk), kaum weiter von der Hand 
zu weisen sein, wobei die von der Türkei bereits losgelösten oder 
siich noch loslöseuden Theile theils mit Montenegro, Serbien und 
Rumänien zu vereinigen oder als selbständige Bundeszlieder zu 
onstituiren s in werden. 
NAusland. 
Wien, 14. Mai. Der Zusammeuntritt des Kongresses ist 
weifellos, Ort und Zeit aber noch unbest'mmt. Ersterer hängt 
von dem Befinden Bismards, letztere von dem Gortschakoffs ab. 
Wird dicser, wie allgemein angenommen, durch Schuwaloff 
ersetzt, so verzögert er sich wahrscheinlich. Der Kongreß 
hat dann aber um so größere Aussicht auf fsiried— 
iche Beilegung aller Streitigkeiten. 
London, 14. Mai. Der Locdmahor und die Geme nde⸗ 
dertretungen von London üdermittelten dem Deutschen Kiiser tele— 
zraphische Glückwünsche. — „Advertiser“ meldet, dis erste Armee— 
rorps sei beordert, sich zur Einschiffung am 28. Mai bernit zu halten. 
London, 15. Mai. Gestern Abend brachen in Folge ernes 
Arbeiterstcile ernste Ruhestörungen in Bladbur⸗e aus. Eine große 
Masse von Strikenden durchzogen die Straßen, warf⸗n die Feuster 
in den Hauptmühlen ein und zerstörten die vordere Seise des 
Hauses des Arbeitgebers Horndy. Letzterer wurde durch Stein⸗ 
würfe verwundet. Das Haus des Obersten Jackson, des Vor⸗ 
ätzenden der Arbeitergeber-Vereinigung wurde in Brand gesteckt und 
gänzlich zerstört. Starke Abthe lunzen von Infanterie und Cavalerie 
ind angekoumen. Der Tumult dauert fort. 
Konstantinopel, 14. Mai. De Verhandlungen wegen 
Raumung der Festungen von Seite der Türken und gleichzeitigen 
Rüchzugs der Russen von San Stefano sind, wie dem Wiener 
„Telegrapaischen Corresp.Bureau“ gemeldet wird, gescheitert, da 
der Rückzug plan des Generals Totleben in Petersvutg nicht ge 
nehmigt wurde. 
Amerika. Neulich veröffenslichte daz „Frank. Wochenbl.“ 
ꝛinen ihm von einem in Amerika lebenden Frankenthaler zugeko me 
nenen Brief, in welchem alle Aubwanderungslustigen vor einer 
debersiedelung nach Amerika gewarnt wurden. Jüagst ging ihm 
ils Gegenstück der Brief eines anderen Landmannes zu, der also 
iautetz „Chicazo, 23. April 1878. Geehrter Herr! Den in 
Ihrem gesch. Blatte vom 4. April a. c. vrröff ⸗ntlichten Brief eines 
Frankenthalers aus Litne Falls muß ich mir doch etlauben zu 
herichtigen. Ich rathe allen sogenannten Kaufleuten ab, nach 
Amerita zu kommen, ebenso auch Handwerkern, als Schlossern, 
Badern, Metzgern ꝛc., da wir adsolut keinen Zuwachs nach unseren 
zroßen Städten bedürfen; aber boegehrenswertheist auf der anderen 
Seite eine Besicdelung der reichen Ackerbaud ste'cte der Verein. 
Staaten durch eine fleigige, mit der Landwirthschait vertrout⸗ 
Bevöllerung, die Rier in verhälimaßig kurzer Zeit zu einem Wodl⸗ 
dand kommen wird, von dem sie sich nichts trüumen laßt“ 
Vermischtes. 
T Am Abend des leßtoerflossenen Sonntags hat ein junger 
Zursche in Habkirchen einen andern nach vorausgegangenem 
Wortwechsel erstochen. Der Thäter hat sich der k. Gendarmerie 
in Zwerbrücken freiwillig gestellt. 
FHomburg, 13. Mai. (Nord versuch.) Ju der 
Pecht vom 12. auf den 13. ifd. Mts. feuerte ein Bursche von 
dirkel mehrere Revbolverichüsse auf seine frühere Geliebte von Ab⸗ 
tühlerhof ab; mädrend sich dis Madchen in Begleitung ihres 
Bruders und eines andern Burschen von der Tanzmusif kowmend 
nah Hause begab. Die Verletzungen sollen nicht erhend sein. 
H. A.) 
fwaiserslautern, 14 Mai. Der Stadtrath 
jat geftern de Absendung des nochstehenden Telegramms beschlossen: 
„Seiner Majestat dem deutschen Kaiser, Berlin! Mit lief⸗ 
ter E trüstung wurde von der Bürgerschaft der Stadt Kaisers, 
autern die Nachticht von dem rudlofen Attentate vernommen, wel— 
hes am Samstag gegen Eure Majstät, unsern eurwürdigen Kaiser, 
erübt worden ist. Mit dem Ausdruck der Freude über das Miß— 
ingen dieser Frevelihit verbenden wir den Dank gegen die Vor— 
chung. die Eure Majestät so fichtlich beschützt hat, und heaen den 
Wunsch und die Hoffaung, daß uns unser Karser noh lauge Jahre 
ꝛrhalten bleiben möze zum Wohle und zur Ehre des Varlandes. 
In tiefsler Ebrfurcht Der Stadtrath von Kasserslautern. Im Auf⸗ 
rag: Goerg, Bürgermeister.“ 
F Am Nachmittag des 13. Mai schlug der Bliß in den 
Thurm der kath. Kirche zuOt ter sta det ohne zu zünden, richtete aber 
un Altar und Orgel große Verheerungen an. 
Die Neust adter Squtzengesellschaft hält ihr dies jãh⸗ 
rises Preisscießen am 16. 17 ünd 18. Juni. Die Preise repraͤ⸗ 
jsentiren einen Werth von 2000 Mark. 
Nierstein, 14. Mai. Der Burgermeister Vohwinkel 
vurde heute Nacht beraubt und ermordt. 
T Dem Hrn Adjunkten Rutz ouf dem Sta ffelhof, bei 
Birmasens erep eie sein Pferd, welches ihm vor fünf Wochen ein 
Fohlen geboren. Um dieses Forlen zu erhalten, laßt ec es von 
einer Zieege, wilche auf die Krippe gestilli wird, säugen; die Ziege 
ꝛält ganz ruhig und das junge Fohlen findet sich ganz wohl dabei. 
Vom Gebirg, 14. Mai. (Pf. ) Velanntlich wurde 
der Atientäter Hödel von einem jungen Herrn, Namens Gustav 
Ubbrecht zuerst festgehalten, in Folge dessen er von der Schutz 
nannschaft in sichern VBewahrsam gebracht werden konnte. Wr 
ind id der Lage, coustatiren zu können, daß dieser junge Herr 
Niemand anders ist, als der Sohn des kyul. Oderförstets Albrecht 
auf Jodanniskeeaj in unserer Pfalz. 
Frammersbach (Uncerftanken), 10. Mai. Am 5. 
38. Mts. wurde ein zehnjähriges Madchen von hier von einer sehr 
zroßen Kreuzotter in die Finger gebissen. Nach Verlauf von 
venigen Stunden war der ganze Ärm dedeutend angeschwollen. 
Brauntwein, dekannt als Gegenmit'el bei Orterbissen, zeigte auch 
in diesem Falle seine interessante Werkung. Das Mädchen trank 
n wenigen Minuten einen viertel Luer, ohne im geringsten berauscht 
su werden. Seit heute besucht es wieder die Schule. (LC. A.) 
t,Aus Bayern, 12. Mai. Wie das „Bayreurher Tag⸗ 
latt“ schreibt, ist ein im Feldzuze 1870,71 in fran zösische Gefangen⸗ 
chaft gerat jener und von seinem Weibe längst als todt bewe nter 
Detonomiebesitzer aus einem Dorfe der Oberpfalz kürzlich unverhofft 
n seine Heimaih zurücktekehrt, wo er nur von seinem Reupferde 
ind seinem Hirde, welche beide beim Anblide ihres Herrn ihrer 
Freude Lebhaften Ausdruck verliehen, wieder ertannt wunde. Das 
Weid des Heimgekehrten hatte sich muttlerweile wieder verehelicht 
und sind aus dieser zweiten Ehe wei Kinder vorhanden. Während 
der letzten acht Jihre war der Todtalauble in Gefangenschaft in 
Algier zucückzehalten worden. 
tEtlangen, 10. März. Der Premierlieulenant Hirsch von 
zem hier aarnisonirenden 6. Idaerbataillon ist heute früh in