Full text: St. Ingberter Anzeiger

Die traurigen Früchte und die betrübenden Folg'n der social⸗ 
demokratischen Irrlehren sind nur zu bekannt; es ist endlch an der 
Zeit, daß die hiesige Bürgerschaft lich aufrafft, das Weitetumsich⸗ 
jreifen des socialdemokratischen Gifles verhindert und offen erklüͤrt, 
daß am hiesigen Orte, wo ordnungsund rater landsliebende 
Buürger wohnen, kein Platz ist für eine Partei, deren Tendenz den 
Umsiurz alles Besiehenden bezwedt. 
wWier fordern deshalb alle gutgesinntken und ordnungsliebenden 
Bürger auj, in der heule Abend 8 Uhr im Krafft'jchen Saale 
dattfindenden Versammlung zahlreich und puünktlich zu erscheinen, 
um dem wülssten socialdemoktatischen Treiben entgegenzutreten.“ Die 
Versammlung ist denn auch Angesichts des Auftretens des weitaus 
zrößeren Theils der Bürgerschaft, die den socialdemokratischen Agitator 
richts weniger als Lorbeeren erwarten ließ, abgesagt worden. 
F Neustadt, 85. Juni. Am nächsien Pfingstuontag werden 
m Neuftadter Saalbau die sogenannten Jubiluumssänger concet⸗ 
siren, welche seit längerer Zeit bereits in Deuischland und Europa 
reifen und an allen Höfen und in allen Concertfälen mit dem 
zesten Erfolg sich hören ließen. Es sind theils Neger und farbige 
Aobtoömmlinge folcher, ehemalige Sclaven, welche durch den Secessions⸗ 
—XR— Erziehung und Bildußg an 
der fogenannten Fisk Universität in Nafhville (Tennefsse) erhielten. 
Sie siad aber nicht etwa Kunstsänger in unferem diesoceanishen 
Sinne und reisen auch vicht um des Gelderwerbs in persönlichem 
Interesse willen, soudern haben sich aufgemacht, um Miittel zu er⸗ 
verben für die Ecweiterung der Austalt, die sie selbst erzoz, dann 
vomöglich noch andere Anstalten, die zur Ermoöglichung der gehell⸗ 
chaftlichen Hebung der farbigen Race errichtet werden sollen. Ihr 
rrfolg ist noch berall ein guter, seibst oft brillanter gewesen und 
ihrem Zweck haben sie schon ergiebige Summen zugrführt. D'e 
hesellschaft besteht aus vier Hetren und sieben Damen mit größten⸗ 
cheils sehr guꝛen, venn auch erwas fremdartig klingenden Stim⸗ 
men, und die von ihnen ausgeführten Gesaänge sind theils religibs⸗ 
rnsthaften Charalters, theils sind es Lieder, wie sie unter den 
amerikanischen Negersciaven entstanden sind und heimisch geworden, 
die aber von höchst eigenthümlichen Charalter und oft mit wunder⸗ 
ichen Effecten ausg stattet sind. Aber gerade diese Eigenthümlich 
sKeslen in Verbindung mit musterhafter Präcision und Sicherheil 
sind es, die den Saͤngern üderall den Beifall sichern, den sie sich 
auch in diesem Concert erwerben werden. Es ist eine fremde Ge⸗ 
zankenwell, die sich in fremden und völlig originalen musikalischen 
Formen uud Manieren darstellt, aber so aufgefaßt von döchstem 
Interesse ist. 
p'In Edenkoben wurden am vorigen Sonntag Leute, 
welche die Extrablätter mit der Nachricht von dem Attentat herum⸗ 
rugen, von den Sozialdemokroten aus dea Wirthshäusern hinaus⸗ 
geworfen. (Pf. K.) 
In Ludwisshafen jand am Sonntag Vormiitag d'e 
jelerliche Eröffnung der Pferdebahn statt. Die Einrichtung der 
Wagen wird allseitig gelobt. Der Dienst auf der Pierdebuhn 
beginnt hier Morgens halb7 Uhr und schließt Abends hab 10 
Uhr. alle 10 Minuten geht auf der Linie Neckarbrücke-Ludwigs⸗ 
hafon und zurück ein Wagen ab. Die Wagen waren am Sonntag 
dom Publikum statk ir Anspruch genommen . 
Fvgudwigshafen, 4. Juni. Die Direction der Pfälz. 
Hahnen gibt bekannt, daß die Giltigleit der Reltourdillete zut Pariser 
Weiltaussiellung auf 30 Tage festgesetzt wor den ist. 
Frankenthal, 4. Juni. (F. W.) Heute wurde 
das Urtheil gegen den berüchtigten Herbrecher Hornung und Genossen 
derkündigt. Derjelbe erhielt als wiederholt rückfälliger, unver⸗ 
zesserlicher Dieb wegen verschiedener schweren Diebstähle mirtelst 
Finbruchs eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren nebst Verlust der 
bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer vvn 10 Jahren. Louis 
don Kirchheim a. E. welcher dem Hocnung, nachdem er aus dem 
Zuchthause in Kaiserslautern enisprungen war, Unterlunft gewaͤhrt 
und sich verschiedenet Hehlereien der gestohlenen Gegenstände schuldig 
nachte, erhielt eine Gegängnißstrafe von 1 Jahr 1 Monat, dessen 
Thefrau edenfalls wegen Hehlerei eine Gefängnißstrafe von 9 Monaten, 
dessen Tochter Katharina wegen desselben Reates eine jolche von 9 
Mionaten bnd die Eheleute Haas von Freinsheim ebenfalls wegen 
Hehlerei Gefaͤngnißstrafen von je 9 Monaten. 
patéeinfischlingen, 5. Juni—⸗ Heute Morgen 
pwischen 5 und 6 Uhr wurde die i Sjahrige Tochter des Joh. Georg 
don Nieda von Kleinfischl ngen neden dem KNirqhofe erschossen, todt 
mufgefunden. Der Liedhaber derselben, Carl Woif von hier, hatte 
sich wahrscheinlich auch das Leben nehmen wolen, denn er hatte 
ach in seinem Beite liegend einen Schuß gegeben, aber unrichtig 
zurch die Wangen getroffen. Derselbe is noch bei volligem Be— 
wußisein. Das Nähere wird si9h bald herausstellen. 
J Munchen, 3. Juni. Die Landrichterswittwe Fr. K. 
hadt dahier zeugt heute an, daß mit dem „Gioßen Kurflitst“ ihr 
sehier Sohn, der Patrose Adolf Hädl, 1912 Jahre alt, in den 
Dcean versunken ist. Acht Jahre vorbet statb im gleichen Alter 
A Bruder den Heldentos in der Schlacht bei Wörth. — Uater 
den bei dem Schiffsuntergange Verunglückten befiadet sich auch der 
stapitän⸗Lieutenant Ludewig, Bruder des hiesigen k. Professors 
—X— 
p'Mänchen, 3. Juni. Nach den Bestimmungen über die 
dlesjährigen Herbstübungen hat die bayerische Besatzungsbrigade in 
Metz (Infanterie Regimenter Nr. 4 und 8), sowie das Jägerbataillon 
NRr. 5 ihre Regiments⸗, bezw. Brigade⸗Exercitien auf dem großen 
Exercirplatz bei Metz, das Chebaurleger⸗Regiment Nr. ð seine 
Regimentsuͤbungen dei Saargemünd und die Brigade⸗Exercitien mil 
der 31. preußischen Cavallerie-Brigade bei Hagenau vorzunehmen. 
— Vor einiger Zeit waren wiederholte Klagen über die vielen 
Versager des neuen deutschen Armee⸗ (Mauser⸗) Gewehres in die 
Deffentlichleit gedrungen. Bei dem Informalions⸗Schießcourse für 
Ziabsoffiziere in Spandau hat sich nun auf das A 
jerausgestellt, daß die Ursache der v'elen Versager einzig und allein 
in der Patrone zu suchen ist. Die in dieser Richtung angestellten 
Proben und Versuche haben absolute Gewißheit ergeben, daß mit 
er Aenderung in der zukünftigen Patronenfabrikation der veregte 
Mißstand schwinden oder doch auf ein Minimum redurirt wird 
wie dieses bei leinem anderen Militärgewehr bisher erreicht wurde, 
so daß der deutsche Soldat ein festes Vertrauen zu seiner Feuer⸗ 
waffe haben lann. 
pBaden-Baden, 5. Juni. Der Schah von Perfien 
ist gestern hier eingetroffen und hat im Englischen Hof“ Abstei g⸗ 
quartier genommen. Derselbe gedenkt, einige Tage hier zu verweilen. 
p'ntan uheim, 1. Juüni. Die „N. B. V.-Zig. schreibt 
Gestern Nachmittag wurde der Wirth Gebhard aus der Land⸗ 
tutsche“ wegen Verdachts der Brandstiftung verhaftet. 
Aus Elsaß. Ueber die durch den Orkan vom 24 
Mai in Gambsheim angerichteten Verheerungen erfährt das „Els. 
J.“, daß 7 Häuser niedergerissen, gegen 90 abgedeckt und fasl 
200 große Obstkäume entwurzelt oder abgebrochen wurden. Der 
Schaden in Gambsheim und dem dazu gehoͤrenden Weiler Betten⸗ 
sofen wird auf 80,600 M. geschätzt und beitrifft 90 meistens armt 
Familien. 
pWeißenburg (Etsaß), 5. Juni. Das seit Jahren am 
Pfingstmontag üoliche Weißenburg⸗ Schleithaler Pferderennen wird 
dieses Jahr an genanntem Toge nicht staltfinden, sondern bis auj 
weiteres verschoben. 
Mainz, 4. Juni. Das Attentat auf den Kaiser scheint 
den hiesizen Gerichten reiche Beschäft: gung liefern zu sollen, indem 
gestern nicht weniger als 5 Personen hier in Haft gebracht worden 
find, die bei öffentlicher Diekutirung des Vorfalls Majestatsbe⸗ 
ie digungen begangen haben jollen. 
4 Für den kolossalen Rückgang aller finanziellen Ver⸗ 
hält'a isse spricht u. a. die bisher noch niemals beobachtete 
Th utsache. daß bei der am 4. Juni begonnenen Ziehung der dritten 
Ziasse 158. preußischer Klassen-Lotterie mehrere Tausend Viertel⸗ 
doose als unbegebbar an die General Loiteriedirektion zurücgeschict 
perden mußten, weil die bishecigen Inbaber die Erneuerung der⸗ 
jelben verweigerten. 
p Erst bezauhlen! konnte der Titel für ein lleines Genre⸗ 
—XV Tage des Attentats inmitten der all · 
gemeinen Aufregung auf dem Taͤegraphenamte in Berlin sar 
rine durze Zeit all zemeine Heiterleit verbreitete. Zu dem allse tig 
bestürmten expedirenden Beamten triti am Nachmiltage des genannten 
Tages ein loöniglicher Kammerlakai mit einem Sioß Depeschen, 
welche, wie er dem Beamten mitiheilte, telegraphische Grüße des 
S hah's in d'e Heimath tragen sollten. Der Beamte überflieg 
flüchtig die Depeschen, macht dann aber plötzlich mit dem Daumen 
ind dem Zeigefinger e'ne charakieristische Bewegung, die ohne 
Zweifel die Frage enthielt, oh der „Konig der Könige“ auch das 
röthige Kleingeld mitgescict habe. Als dies verneint wurde, de⸗ 
uerke der Beamte das Geschäft nicht abjchlietßen zu önnen; ver— 
gebens rewonstrirle der Lakai und verwies auf das Hofmarschallam 
zjur event. Bezahlung; der Beamte blieb daben, daß im Stephan'jcher 
Resort das „erst bezahlen? das Loosungswort sei und so wanderten 
enn die Papiere unerledigt zurück zum Schah, der sich schließlich 
vohl oder übel zu dem landesüdlichen Telegrabden Odolus derstanden 
hbabden dürfte. 
pSchnelle Justiz. Das Kreisgericht zu Spandan 
hat bereits am Dienstag den —E 
Ftohne aus Birlin, welcher am Sonntag Nachmittag in einem 
offentlchen Lokale Spandaus sein Bedauern über das Mißlingen 
des Noblling'schen Attentats auzsprach, zu 22 Jahren Gefaͤngniß 
berurtheilt. (In Berlin waren schon am Montaz wezen Unjuge 
und uñehrbietiger Aeußerungen 87 Personen verhaftet worden.) 
pRaffinirie Rache. In Alessandria (Norditalien) hat 
sich vor einigen Tagen folgender empörende Vorjall ereignet: Ein 
junger Italiener, der spät in der Nacht aus einem Cajö chantan 
deimtehrte, wurde auf offener Straße von einigen, ihm auflauernden 
ermummten Strolchen überfallen und in ein entlegenes Vorstadt⸗ 
Jaus geschleppt, wo man ihn mehrere Stunden gefangen hielt und 
abrend dieler Zeit tätowicte. Letztere Prozedur bestand darin