Full text: St. Ingberter Anzeiger

ꝓSi. Inaberter Anzʒeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem ˖ Hauptblatte verbundene —X Sonntags mil illustrirter Vei— 
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M 96. Donnerstag, den 20. Jum. 1878. 
Deutsches Reich. 
Munchen. Wie das hiesige, Fremden 'blalt“ mitteheilt, sind 
m k. Staatsministerium der Justiz folgende Einführungsgesetze zu 
den Reichsjustizgesetzen vollendet: 1) zum Gerichtsverfassungsgesetze, 
2) zum Civilproceß, 8) zur Strasproceßordnung, 4) zur Concurs 
ordnung und 5) zum Subhastationsverfahren. 
Dem „Pfälzischen Kurier“ wird aus Munchen geschrieben: 
Der für Speyer neu ernannte Bischof Ehrler gehört zu denjenigen 
hlesigen Geistlichen, die nur ihrem Berufe leben, sich von allem 
politischen Treiben ferne halten und deßhalb sich auch niemals an 
oolitischen Verfammlungen betheiligen. Da der hochwürdige Herr 
erst im 45. Lebensjahre stehl, so dürfte er wohl der an Jahren 
üngste Bischof in Deutschland sein. 
Berlin, 17. Juni. Als ein erfreuliches Zeichen für das 
Befinden des Kaisers ist es von der Bevölkerung aufgefaßt worden, 
daß heute zum ersten Male seit dem zweiten Juni die Wache für 
das Brandenburger Thor, welche das Kaiser⸗Alexander-Regiment 
gegeben hat, mit klingendem Spiel an dem kaijserlichen Halais 
vorüberzog. Das Mußikcorps spielte die Volkshymne, und das 
Publikum strömtec in dichten Massen herbei, um fichtlich seine Theil⸗ 
nahme zu belcüden. F 
Die heutige Congreßsttzung begann um zibel Uht und 
dauerte bis kurz vor sünfeUhr. Gortschalow nahm on der 
Sitzung Theil. — 7777 
Die Forschungen nach der gesunkenen Panzerfregatte „Großer 
curfürst“, welche bisher von englischen Tauchern vorgenommen 
vorden, sollen ergeben haben, daß die Ueberreste desselben geborsten 
uind daher rettungslos verloren seien. Die Admiraltät will sich 
ndessen hierbet nicht beruhigen, und es ist deßhalb ein deuischer 
Taucher und ein kaiserlicher Maxine-Ingen eur nach Folkestone ge⸗ 
chickt worden, um die. Untersüchungetz zu wiederholen. 
Berlin, 18. Juni, 10 Uhr Vormittags. Sowohl in der 
Oeilung der Wunden, »als zauch in dem Kräftezustand Sr. Majeftät 
—DDD — 
Dr. v. Lauer. Or. v- Langenbeck. Dr. Wilms. 
Die „Nat. Lib.Corresp.“ spricht es als selpstverständlich aud, 
zdaß kein Sozinldemoktat in den Reichslag gewäblt werden dürfe.“ 
Es sei die erste Aufgabe aller Ordnungsparteien, denen, welche 
„die bösen Geister“, mit' denen wir jetzt zu kämpfen haben, herauf⸗ 
beschworen, das Handwerk zu legen. Es sei falsch zu meinen, 
„diese Hand voll Phrasenhelden“ könne im Reichstage gar nichts 
chaden. Man übersehe, daß erst der Reichstag den Agitatoren 
das eigentliche Fundament und zugleich den Nimbus für eine erfolg⸗ 
reiche Wirksamkeit im Lande gewährt habe. Es sei die äußerste 
Zeit, daß diesem Verhältniß einmal ein Ende gemacht werde. Jeder 
Wahlkreis, der foctan einen sozialdemokratischen Abgkordneten in 
den Reichssstag sende, übernehme damit die moralische Mitschuld für 
Alles, was aus der rebosutionären Wühlerei der Sozialdemokratie 
hervorgehe. Und die gesammte deutsche Nation müsse es als eine 
Befleckung ihrer Ehre betrachten, wenn bei deu demnaͤchstigen Wahlen 
luch nur ein einziger Sczialdemokrat den Sieg davon trüge, um 
o mehr, als die in den ittzten Reichstagswahlen gewählten Sozial— 
demokraten nirgends die Hälfte aller wahlberechtigten (1) Stimmen 
zuf ssich vereinigt haben, so daß es nur der Pflichterfüsllung und 
»es einträchtigen Zusammengehens aller nichtsoz'al stischen Elementen 
dedürfe, um ihre Wiederwahl zu verhindern. „Wie immer“, fagt 
die Nat. Lib. Corresp., „sich anderwäris die Parteien befehden mögen, 
in den von der Sozaldemokratie bedrohten Wahlkreisen darf es 
nut Einen Gegensatz geben, den der Freunde der Ordaung gegen⸗ 
her der Revolution.“ Die „Nat.Lib.-Cortisp.“ führt fort: „Die 
Aufgabe in allen diesen Wahlkreisen düngt uns eine sehr einsache. 
Da, wo die Sozialdemokratie das vorige Mal gesiegt hat, dürfte 
z sich empfehlen, alle Stimmen auf den Candidaͤlen derjenigen 
—XV zu bereinigen, welcher der Majorität am nächsten gekommen 
st. Mogen die leitenden Männer der verschiedenen Parteien an 
nen betreffenden Orten sich unverzüglich und loyal mit einander 
as Benehmen setzen; es gilt die Ehre des Vatetlandes zu retten!“ 
Aussand. J 
Aus Paris wird von einer Ende dieses Monats bevor⸗ 
stehenden Reise des Prinzen Napoleon nach Dänemark und Schweden 
zemeldet, welche mit der Möglichkeit einer Verlobung des kaiserlichen 
Prinzen mit der Prinzessin Thyra von Dänemark in Zusa mmens 
hang oeebracht wird. Diese Partie wäre für den Prinzen jedenfalls 
nicht un vortheilhaft, indein er dadurch der Schwager der zukünftigen 
Herrscher bon England, Rußland und Dänemart würvde, Eine 
andere Frage ist allerdings, ob die Aussicht Galtin eines deposse⸗ 
dirten Thronfolgers zu werden, für die danische Königslochter und 
d-ren Familie viel Verlockendes haben wird, 
Bermtschtes. 
fSt. Ingbert, 17. Juni. (tede des Herrn Subrektot 
Barnikel, gehalten gelegentlich der Abfassung der Adresse an 
Se. Maj. den deutschen Kaiser). 
.. ⸗Meine Herren! Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zu 
Theil geworden, unsere heutige Versammlung zu eroffnen“ und 
den Zweck unserer Zusammenkunft in kurzen Worten dar— 
zulegen. Wenn ich mich diesem Auftrage hiermit uunterziehe, so 
zeschieht das mit denselben schmerzlichen Gefühlen, die duch Sie, 
meine Herren, bewegen. Es wor am 11. Ma, als uns der Tic 
zraph die Nachricht brachte, daß ein verkommener Bosewicht einen 
zum größten Glück vereitelten Mordversuch auf unseres Kaisers ge⸗ 
Jeiligte Person verübt habe. Die Entrüstung üher diese Unthat 
var eine großt und allgemeine. Aber auch eben so groß und all⸗ 
Jemein waren die Kundgebungen der Freude über die glückliche 
Errettung des Kaisers aus Mörderhänden und allenthalben wurde 
dieser innigen Freude durch Glückwunschtelegramme an den Kaiser 
n geziemender Weise Ausdruck gegeben. J 
Doch kaum war der Eindruck von diesem Ereigniß eiwas ver⸗ 
vischt, als ain 2. Juni die nief erschütternde Kunde sich verbreitete, 
daß ein zweites Attentat auf den Kaiser verübt worden sei und 
dieses Mal leider m't Erfolg. Vom Hinterhalte aus hatle ein 
eiger Mörder mit kalter Berechnung die Mordwaffe gegen ihn ge⸗ 
sehrt und ihn schwer verwundet. Ein Shhrei dis Enlsehzens und 
des Schmerzes hallte durch alle deutschen Lande. Eine dumpfe 
Betäubung und eine unsägliche Trauer bemächtigte sich aller Her⸗ 
zen. Dem Manne, der unser deutsches Vaterland nach der trau⸗ 
rigen Zeit der Zerrissenheit im Innern, der Unterdrückung und 
Schmach von Außen zur Einheit, zu Ehren und Ansehen führte, es 
zu einem Hort des Friedens machte, der es sich zur schönen Auf—⸗ 
Jabe setzte, des Vaterlandes Wohl in allen Beziehungen zu fördern, 
im Unterricht, im w'ssenschaftlichen, künstlerischen, sitllichen und reli— 
diösen Leben, dem Manne, der in allen Tugenden als ein erhabe⸗ 
nes Vorbild voranleuchtet, dem besten, edelsten Kaiser ist am Äbend 
eines thatene und ruhmreichen Lebens in dieser Weise vergolten 
vorden. Unfer Deutschland, das als das Land der Treue in Lied 
ind Wort gepriesen wurde, wie haben entartete Buben es be⸗ 
ichimpft, befleckt, entehrt! Wie haben sie ihm mit frevelhafter Hand 
den Kranz der Tugenden, seinen Stolz und seine Zierde, bom 
Haupte gerissen und mit Füßen gelresen! Und damn das Maß 
des Unglückes noch voll werde, muüͤ jeden Tage wird es uns kla— 
rer, daß nicht der Bedanke einzelner, sittlich verdorbener Menschen 
sich in den zwei Mordthaten offenbart hat, fondern daß cine ganze 
Partei, die kein Recht, keine Pflicht, kein Gesetz, keine Ordnung, 
keine Religion, kein Vaterland kenni, mit enlsetzlicher Consequen 
und Rührigkeit darauf hrnarbeitet, die Grüundlagen der politischen 
und sozialen Ordnung zu zerstören, die Repräsentanten staatlicher 
Gemeinschaft, sei es quch durch Meuchelmord, zu beseitigen und einen 
Zustand herzustellen, von dem der Dichter sagt: 
„Nichts Heiliges ist mehr, es löfen 
„Sich alle Bande frominer Scheu, 
„Der Gute täumt den Plaß dem Böosen 
„Und alle Loster walten frei.“. 
Wahrlich tief betrübend sind die Erfahrungen, die wie in der letz⸗ 
ten Zeit gemacht haben. — 7 
Meine Herren! Es ist hier weder Zeit noch Ort, Unter⸗ 
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