St. Ingberler Anzeiger.
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A 102.
Sountag, den 80. Juni. 1878.
Deutsches Reich.
Berlin, 27. Juni. Die Ausarbeitung der Gesetzvorlage
betreffend die Bekämpfung der Ausschreitungen der Sozialdemokratie
ist so weit vorgeschruten, daß der Entwurf demnächst dem Staals⸗
ministerium zugehen wird.
Der Handelsminister hat die k. Eisenbahn-Direltionen ange⸗
wiesen, darüber zu wachen, daß vor Annahme von Arbeitern, welche
beamtenähnliche Stellungen ausfüllen, insbesondere bahnpolizeiliche
Funklionen ausführen sollen, die betreffenden Dienststellen auf sorg⸗
sältige und zuverlässige Weise sich über die fittliche und politische
Führung der Anzunehmenden vergewissern, nöthigenfalls sich mit
der Polizeibehörde vorhtr in Verb ndung setzen. Anlaß zu dieser
Verfügung hat die Thatsache gegeben, daß auch im königlichen
Fisenbahndienst beschäftigte Arbeiter sich schwere Majestätsbeleidi⸗
zungen haben zu Schutden kommen lassen.
Berlin, 28. Juni. Bulletin von 10 Uhr Vormittags..
Das günstige Besinden Sr. Maj. des Kaisers und Königs dauert
an. Die Wunden sind bis auf zwei sämmtlich geheilt.
Berlin, 28. Juni. (Die Dauer des Congresses.) In
Folge der am Mittwoch Abend stattgehabten Besprechung im rus⸗
sischen Boischaftshotel, welche zu keinem Resultate führte, wurde
die nächste Congreßsitzung auf Freilag verschoben. Trotzdem hofft
man schon demnächst mit den principiellen und schwierigsten Ver—
dändigungen vollkommen zu gedeihlichem Ende zu gelangen, so daß
man den Rest verschiedenen Spezialcommissionen zur Regelung über—
lassen kann. In der That beabsichtigen die ersten Vertreter Frank⸗
reichs und Englands, wenn es irgend angeht, schen Montag, 1.
Juli, Berlin zu verlassen, so daß dann den zweiten und dritten
Bevollmaͤchtigten die Foriführung der Spezialarbeiten überlassen
werden könnte. Schon heute ist festgestellt, daß für Frankieich
Herrn Desprez, für England Lord Odo Russell diese weitere Thätig⸗
leit übertragen werden wird. Fürst Bismarck hofft noch immer,
daß er am 4. Juli seine Badereise nach Kissingen werde antreten
sönnen, wo seiner schon seit Wochen d'ie ihm vom Könige von
Boyern zur Verfügung gestellten Pferde und Wagen, nebst Diener⸗
schaft, harren. Sherzweise ist in der Diplomatie das Gerücht
verbreitet, der Reichskanzler werde rach Abschluß des Berliner
Traktats den Herzogtitel erhalten. Thalsoche ist, daß gewisse diplo⸗
matische Persönlichteiien vom Fürsten Bismarck schon jsetzt als
„Herzog“ zu sprechen lieben,
In Congreßkreisen circul'rt folgendes anouyme Schreiben,
welches sämmiliche Boischafter in Konstantinopel erhalten haben:
„Die türkische nationale Partei hat beschlossen, sich an der Regelung
der Geschicke des Reiches zu betheiligen. Es ist möglich, daß Un—
ruhen in der Hauptstadt cusbrechen werden; wir versichern schon
jetzt Ew. Excellenz, daß die Person und die Sicherheit der Eeuropäer
sowie aller Christen nicht werden bedroht werden“. Man befürchtet
eine große revolutionäre Bewegung. Der Sultan ist eingeschüchtert
durch die in Umlauf befindlichen unheimlichen Gerüchte und soll
bereit sein, Midhat Pascha zurückzuberufen. In diesem Sinae
aͤußerte sih der Sultan dem englischen Boischafter gegenüber.
Ausland.
Paris, 27. Juni. In einem nicht unlerzeichneten Ariikel
greift das „Journal des Debats“ heftig die Haltung Englands
und Oesterreichs auf dem Congresse an und bestrebt sich, klar zu
machen, daß auf einen Erfolg des Congresses kaum zu hoffen sei.
Das Blatt fügt hinzu, daß man diesmal die Rechnung ohne di⸗
Turkei macht, und fragt, was wohl geschehen würde, wenn die
Türken sich mit den Rumänen verbündelen und sich weigerten, sich
den Beschlüssen des Congresses zu unterwerfen. — Die Bonapartisten
bauen große Pläne und Hoffnungen auf ein Projeck bezüglich einer
Verheitathung des Sohnes Napoleons des Dritten, über welches
man sich Näheres leise zuflüstert. Diese Gerüchte entspringen un⸗
weifelhaft aus seiner beabsichtigten Reise nach Dänemart. Man
sagt, wenn er erst durch- Verwandtschaft (als Schwager) mit den
zutünftigen Souverainen Englands und Rußlands verbunden sel,
o werde die Wiederherstellung der kuiserlichen Dynastie nicht mehr
ange auf sich warten lassen.
Rermischtes.
F Zweibrücken, 26. Juni, Vormittags. (Schwurgericht.) Anklage gegen
Latharina Lindenmayer, 35 Jahre alt, ledige Dienstmagd aus Dirm—
tein, wegen Kindsmords, Vertheidiger: Rechtskandidat Eugen Kieffer. Am
Morgen des 12. April abhin fanden zwei Arbeiter in einem Keller des
Fabrikgebäudes von Kuhn und Adler in Ludwigshafen die in eine Frauen—
acke eingenähte Leiche eines neugebornen Kindes, welche nur von außen durch
in Kellerloch hineingeworfen worden sein konnte, da der Keller stets ver⸗
chlossen gehalten wurde. Bei der gerichtlichen Sektion zeigte es sich, daß
das Kind nach der Geburt gelebt und durch Erwürgung seinen Tod gefunden
hatte. Die Spuren von Fingern waren an dem Halse des Kindes deutlich
ichtbar. Die angestellten Nachforschungen führten zur Ermittelung der An—
eklagten als der Mutter des todten Kindes. Sie gab an, das Kind sei zu
Zoden gefallen und gleich todt gewesen, weshalb sie ihres Dienstherrn Haus
seimlich verlassen und es durch das Kellecloch in den obenerwähnten Keller
inabgeworfen habe. Sie habe sich dann einige Tage bei Bekannten in
)udwigshafen aufgehalten und sei am 12. April nach Frankfurt abgereist.
Diese Angaben widersprechen jedoch den Ergebnissen der Untersuchung. Die
Angeklagte steht in schlechtem Rufe und hat schon Gmal geboren. Im Jahre
1872 war sie schon einmal wegen Kindsmords in Untersuchung. Da das
dind aber erst nach 10 Tagen in einem Taubenschlag versteckt gefunden wurde,
onnte wegen der schon stark vorgeschrittenen Verwesung nicht mehr festgestellt
verden, ob das Kind nach der Geburt çelebt hatte und mußte deshalb die
kinstellung des Verfahrens erfolgen. Die Angeklagte, welche auch bei der
Berhandlung kein Geständniß ablegte, wurde von den Geschwornen ohne
nildernde Umstände des Kindsmords fur schuldig erklärt und hierauf zu 7
Fahren Zuchthaus verurtheilt.
— 26. Juni, Nachmittags. Verhandlung gegen Gotthard Adolph
Schweigert, 27 Jahre alt, Bäckergeselle aus Baden-⸗Baden, wegen Ver—
rechens gegen die Sittlichkeit. 53 — Rechtskandidat Meyer. Der
Angeklagte, der sich schon beim Militär schlecht aufführte, ist wegen Diebstahls
und Unterschlagung mehrfach bestraft. Am Morgen des 29. März l. J. aus
»em Gefängniß in Zweibrücken entlassen, überfiel er auf der Straße zwischen
xinöd und Webenheim eine 23 Jahre alie Frau aus ersterem Orte und
ergewaltigie dieselbe trotz ihrer heftigen Gegenwehr. Nach vollbrachter That
eintfloh der Angeklagte und wurde am folgenden Tage in Dudweiler ver⸗
jaftet. Die Geschwornen bejahten die Schuldfrage ohne Annahme mildernder
Imstände und wurde der Angeklagte zu 10 Jahren Zuchthaus und Verlust
»er bürgerlichen Ehrenrechte auf gleiche Dauer verurtheilt.
F In Landstuhl wird am Sonntag den 7.Juli eine Ver⸗
ammlung freisinniger Wähler des WahlkreisesHomburg⸗Kusel
Ztatt finden, der auch der seitherige Abgeordnete Hr. Di. Buhl
—XVC
Neustadt, 27. Juni. (Lartoffelkäfer.) Heute Vor—
nittag fand zu Lambrecht der Sohn von dem Spitalverwalter
B. S. Fuchs in dem am Spital gelegenen Garten an einem
da serkrone⸗Blumenstod circa 8 bis 10 Stück der so verderblichen
Toloradotäfer, oder genauer gesagt, d'ie Larven von solchen. Die⸗—
selben haben die Größe von sogenannten Kellerrassin.
Neustadt, 27. Juni. Bei dem Bürgermeisterami lief
Jestern ein Droh⸗ und Brandbrief ein, in welchem mit weiteren
Brandlegungen gedroht wurde und zwar mit massenhaften, wobei
sogar die abzubrennenden Gebäude namhaft gemacht wurden.
Gahrende Briefträger.) In Munchen werden 4
Postomnibuse, welche je 8 Briefträger fassen, angeschaffi, damit diese
nicht mehr zu gehen brauchen und die Postsachen rascher besorgen
oͤnnen.
FBergzabern, 23. Juni. Heute Nachmittag wurde
im Hause des Herrn Adjunkt Hertle eine Erdbeere gezeigt, welche
ein Gewicht von 25 Gramm hatte. Dieselbe stammte aus der
Bärtnerei C. Velten in Speite. (Südpf. Wochenbl.)
Aus der Pfalz. In Betreff der Neichstagswahl in
vem Bezirke Zweibrücken⸗Pirmasens haben wir nähere Erlundigungen
ingezogen und erfahren, daß der bisherige Reichstagsabgeordnete
Dberappellrath Schmidt allerdings schon vor einiger Zeit sich
»ahin ausgesprochen hat, eine weitere Wahl nach dem regelmäßigen
üblauf der letzten Wahlperiode ablehnen zu müssen und zwar in
rolge wiederholter Krankheit, durch welche er dauernd verhindert
par, den Sitzungen des Reichstages beizuwohnen. Wie wir ferner
jören, wurde aber Oberappellrath Schmidt unmittelbar nach Auf⸗
ösung des Reichstages in Zweibrücken-Pirmasens wieder als Can⸗
aidat aufgestellt, und glauben wir annehmen zu dürfen, daß die
ämmftlichen bisherigen Reichstagsabgeordneten der Pfalz (mit Ausnahme
des Hrn. Jordan, für den unabweisbare Gesundheitsrüchsichten be—
dimmend sind) zietzt im Angesichte der außerordentlich wichtigen