St. Ingberlter Anzeiger.
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103 Dienstag, den 2. Juli. J— 1878.
.Die Wählerlisten für die Reichstagswahl
siud bis Dienstag den OV. Juli im Stadthause hier
aufgelegt, versäume Keiner, fich von der Ein⸗
— feines Namens zu überzeugen, da Der—⸗
jenige, dessen Name nicht in den Listen eingezeichnet
— keinen Urmständen zur Wabl zugelassen
wir
Deutsches Reich.
Wie aus Munchen gemeldet wird, ist Dr. Sigl daselbst
wegen Beleidigung des deuischen Kaisers verhaftet worden.
Berlirn. Als frühester Zeitpunkt für die Berufung des
neuen Reichs'ags wird der 19. August bezeichnet. Difinit ve Be⸗
schlüsse koͤnnen indessen erst gefaßt werden, wenn der Schluß des
Kongresses fesisteht, da zwischen diesem Zeitpunkt und der Eröffnung
des Reichs‘ages Fürst Bsmarck die Kur in Kissingen beenden
muß. Die Betheiligung des Reichskanzlers an den Berathungen
des Reichstags ist zwe fellos. Wie man hört, ist es die Absicht,
dem neuen Reichstag den Berliner Frieden und die faämmtlichen
auf den Kongreß bezüglichen Altenstücke vorzulegen.
Das Staegtsmiuisterium ist in der vergangenen Woche mehrere
Male versammelt gewesen. Wie das „Deutsche Mant. Bl.“ hört,
handelt es sich um drei Gesetzesvorlagen, welche von der preußischen
Regierung dem Bundesrath, und später dem Reichstage, unterdreitet
werden solken. Diese Vorlagen bestehn aus einem Gesetze gegen
die soz' aldemok: at schen Ausschreitungen (Beschränkung resp. Sue—
pension des Preß⸗, Vereins- und Versammlungswesen), eine Novelle
zum Strafgesetzbucht und eine Abünderung des Wahlgesctzes.
Aus Ha 5pertKreis Hagen, den bekannilich Eugen Richter
im Reichstag rerfriti) wird der „B. Volkszeitung“ geschtieben: Von
dier aus ist an Fürst Biswmarck die Anfrage gerichtet worden, ob
ꝛe, nachdem seine Söhne vergriffen sind, nicht einen Veiter oder
Onkel zu vergeben habe, um einen Zuwachs der Fraktion Bismarck
zans phraso zu emöglichen und Gucçen Richter mit Erfolg aus
dem Felde schlagen zu klönnen.
Ausland.
Rom, 28. Juni. Der P. pst nörh gte Ledohowsky, tkrotz
seines Widersirebens, einen Brief au den Clerus von Posen zu
senden, um diefen aufzufordern, von der politischen Agitation ab⸗
zulassen. Der Popst will nicht ararchische Mittel anwenden, um
lirchliche Zwecke zu erreichen. 2
Athen, 27. Juni. Di'e kretensische Nationalversammlung
hzat den Confulu mitgeiheilt, daß sich in Apokorona 2500
hristliche Familien ohne Obdach und Brod b inden.
Vermischtes.
F Zweibrücken, J. Juli. Auf Einladung des engeren
Ausschußz unserer Pariei war gestern der weitere Ausschuß, vertreten
durch mehr als 100 Männer aus allen Theilen des Wahlkreises
Pirmasens-Zweibrücken, dahier versammelt, zum Zwecdk
der Aufstellung eines Candidaten für die bevorstehende Reichttags⸗
vahl. Der Vereinsborstand, Hr. J. B. Wolff, hieß die Eischlenenen
jerzlich willkommen, setz'e ihnen den Zwed der Einladung kurz
nuseinarder und theilte mit, daß der engere Ausschuß sich dahin
chlü sig genacht habe, Hrn. Oberappellrach Karl Schmidt,
velcher sich zur Annahme bereit erkrt habe, zur Wiederwahl vor⸗
zuschlagen. Hierauf entwarf Herr Anwalt Gulden ein getreues
Bild der gegenwärtigen politischen Situgtion, indem er zunächst
das Wesen der verderblichen Sozialdemokratie schilderte und daraus
die Nothwendigkeit der Abwehr, die als eine Nothwehr sich dar⸗
ülle, ableitete und alsdann die Stellung und die Aufgabe der
ia ional⸗liberalen Richtung präzisirte, wie Dies in dem bekannten
Programm der Pariei niedergele,! ist. Schleßlich befürn octete
mnich er die Candidatur des Herrn Schmidt. Es entspann sich
darauf eine Diskussion, welche sich hauptsächlich darum drehte, ob
ür Herrn Schmidt, welcher in den beiden letzten Sessionen deß
Reschstagz leider öfter verhindert war, das Mandat seinen Wünschen
entsprechend auszuüben, und der auch gegenwärtig noch nicht völlig
wiederhergestellt ist und zum Nurgebrauch in dem Schweizer Bad
Ragatz weilt, Aussicht auf baldige Genesung vorhanden sei. Briefe
inferes Herra Abceordneien geben hierüber 2wünschenswerthe Aus⸗
unft, indem darin mitgetheitt wird, daß sein Arzt die bestimmete
Bersicherung auf baldige Wiederherfiellung gegeben habe. Ander⸗
veitige Einwände gegen die Candidatur des Herrn Schmidt wurden
von keiner Seite erhoben; im Gegentheil wurde es allseitig als
Thren'ache und als eine Pflicht der Dankbarkeit vbezeichnet, unseren
eitherigen bewährlen Abgeordneten, der sich durch die mit dem
steichslagsmandat verbundenen bedeutenden Opfer voun der Wieder-
unnahme nicht abschrecken lasse, wieder zu wähien. Die Abstimmung
ꝛrwies denn auch die volle Einmüthigkeit des weileren Ausschusses,
dem sich nachträglich auch die Hexren Vertreter von Pirmasens,
velche erst später eintreffen konnten, einstimmig anschlofsen. Es
vurde dann noch beschlossen, Herrn Echnidt anheimzuçeben, ob er
or der Wahl hier vor seinen Wählern zum Zwick der mündlichen
darstelluag seines Programms erscheinen, oder dieses seinen Wählern
chrifilich kund geben wolle. Die beir. Versammiung wünde im
ersteren Falle an einem noch zu bestimmenden Donnerstag hier in
Iweibrücken stat finden. Zum Schlusse wurde unter Hinwes auf
die ceanerischen Parteibestrebungen die Nothwend'gkeit energischer
Agitation nachgewiesen und von dem Voifitzerden der Hoffnung
dusdrud gegeben, daß unser Candidat auch diesmal wieder den
Sieg davon tragen werde.
f Zweib rücken, 27. Juni, Vormittags 8 Uhr. Schwurgericht.)
Berhandlung gegen Karl Reeber, 21 Jahre alt, Tagner aus Merzalben,
uletzt in Blieseberfingen sich aufhaltend, angeklagt des Verbrechens der
Zörperverletzung mit Lödtlichem Erfolge und des Vergehens der qualificirten
örperverleßung, vertheidigt von Rechtscandidat Kacl Wildi.
Der Angeklagte stand schon seit laäͤngerer Zeit bei der Bliesthalbahn: in
Arbeit und wohnte zuletzt in dem loihringischen Orte Bliesebersingen. Sonn⸗
as den 12. Mai . J. war er mit mehreren Kameraden nach dem pfälzischen
Irenzorte Hablirchen gegangen. In der Wirthschaft von Johann Schuwer
wrtfetbst gerieth er Abends gegen 11, Uhr in Sireit mit einem Burschen aus
Frauenbecg in Lothringen, nämlich wmit dem 18 Jahre alten Schmied Johann
gaptist Thomas. Dieser Thomas und ein gewisser Wilhelm Mayer von
dabkirchen hatten ein Mädchen bei fich, mit welchem der Angelklagte drei
Touren tanzte und das er nach der lehten Tour vor allen Leulen umarmie
und bußte. Als ihm Thsmas dies vorwies, gab ihm der Angeklagte zur
Antwort, das gehe ihn nichts an und jchlug dem nun auf ihn zugehenden
Thomas ohne Weiteres ein Bierglas mit solcher Heftigkeit auf die Stirne,
aß es zersplitierte und den Thomas nicht unerheblich an der vorderen limen
Schläfenge end verletzte. Darauf sprang der Angeklagte aus der Wirthschaft
n die gegenüberliegende von Carl Maus, wo sich seine Kameraden befanden.
kr mußte sich bei dem Schlage mit dem Glase selbst verlezt haben, denn er
xigte in der Maus'schen Wirthschaft eine blutende Verletzung am Mitielfinger
der rechten Hand mit dem Vorgeben, der Thomas habe ihn gestochen Dieser
war dem Angeklagten auf den Schlag hin gefolgt, ohne ihn zu erreichen.
Mit seinem Bruder, dem Schmiede Rikolaus Thomas kam er“bald darauf
in die Maus'sche Wirthschaft und sah sich nach dem Angeklagten um, verließ
diese Wirthschaft aber bald, da Feuerabend geboten wurde. Die beiden
Thomas blieben dei anderen Burschen vor der Thür auf der Straße stehen.
Als der Angeklagte mit seinen Kameraden auf die Straße kam, ging Johann
Baptist Thomas auf ihn zu mit den Worten: „Du bist der, welcher mich
zeschlagen hat!“ ohne daß letzterer den ersteren jedoch angriff. Der Angeklagte
iber ging einen Schritt zurück und führte in dem nächsten Augenblid umcrt
»em Ausrufe: „was wilst denn Dul! einen Schlag gehen die unbewehrte
inke Brustseite des Thowmas, welcher laut tönte Thoͤmas iaumelie einige
Schriie zurück und ftürzte jofort zusammen. Ein Dolchmesser hatte ihm das
derz durchbohrt, nach wenigen Augenblicken war er eine Leiche. Der An⸗
metlagte hatte sich elsbald nach der That nach Blieseberfingen XRX
uinterwegs zeigte er einem Zeugen ein Dolchmesser mit dem Beifügen: „mit
em habe ich ihm eins gegeben, ich habe gesplrt, daß es hineingegangen ift,
ch glaube aber nicht, daß er caput ist!“ Das Messer hat er spaͤter verstedt,
och wurde es wieder aufgefunden. Am Morgen des 20 Mail stellie er sich
reiwillig der Gendarmexie in Zweibrücken. Er leugnet nicht, dem Thomas
en Schlag mit dem Glas und denjenigen mit dem Messer gegeben zu haben,
ehauptete aber, nur deßwegen gestochen zu haben, weil Thomas mit nen
Messer auf ihn losgegangen fei. Seine Heimathsbehörde gibt ihm ein gutes
rdeumundszeugniß, doch ist er schon gerichtlich bestraft. Der Getödtete war
ils ein braver und fleißiger Bursche bekannt, der seine arme Mutter nach
dräften unterstützte. Reeber wurde zu 5 Jahren und 8 Monaie Zuchthaus
ind Zjährigen Ehrenverlust verurtheili.
f Barmen, 29. Juni. Die „Varmer Zte.“ meldet, daß
)er große Tunnel bei Schwelm gestern Abends in einer Länge
don 21 Melern enstürzte. Circa 27 Personen sind verschütten;
zis heute Morgen wurden 7 Leichen aufefunden.
7 Amerhfaniiche B'ätter erzählen mebrere komische Delgile