St. Ingberler Anzeiger.
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M 10. Donnerstag, den A. Juli. 1878.
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Deutsches Reich.
München, 1. Juli. Das Finanzministerlum hat auf
Grund des Artikel 27 uünd 94 des Malzaufschlaggesetzes vom 16
Mai 1878 eine Verfügung erlassen, nach welcher es einzelnen
Gemeinden und Genossenschaften gestattet ist, gegen bestimmt
Cautelen und gegen Ertheilung der hauptzolamtlichen Genehmigung
Futterschronnühlen o hner Controlapparat aufzustellen und für
landwirthschafil che Zwecke zu gebrauchen. Es ist damit einem
oft wiederholten Wunsche der Landwirthschaft Rechnung getragen
worden. (A. 3.)
München, 2. Juli. Der Landtag wurde heute durch
den Präsidenten v. Ow eröffnet. Derselbe erwähnte des
Attentats auf den Kaiser und forderte das Haus guf, seinen Ab⸗
scheu gegen die That, seine Theilnahme für den Kaiser und Dant
negen Gott für seine Reltung burch Ausstehen auszudrücken. Das—⸗
selbe geschah. Die Austrütsgesuche der Abgeordneten Philipp
Schmidt (liberal), Seitz und Häuser (Patrioten) wurden genehmigt.
Von neuen Vorlagen sind eingegangen: Der Milttäretai füt
1878,79, die Erwtiterungs- und Ergänzungsbauten für die im
Belrieb befindlichen Staatsbahnen und ein modificrter Gesetzeniwurf
in Betreff der pfälzischen Bahnen. Die nächste Setzung findet am
ß. Juli statt.
Berltin, 1. Jali. Die Vertreter Rumäniens haben heut?
m Congreß ihre Forderungen und Wünsche in gemaß gter Weise
dargelezgt. Der Congreß soll darauf, wie' es scheint in ihrer As⸗
wesenheit beschlossen haben, die Unabhängigkeit Rumäniens anzu⸗-
erkennen unter dem Vorbehalt voller Neligionsfreiheit für alle Be«
kenntnisse und der Behandlung aller S aalen in Handelsbeziehungen
auf dem Faße der me stbegünstigten Nation. Wegen Bessarabiens
wurden erstens im Allgemeinen die Bestimmungen des Friedeas
bon Saa Stefano ancenommen, also Beffarab eu für Rußland und
die Dobrudscha süt Rumänien. Aber darüber hinaus wäre die
Strecke etvoa von Mangalia an Schwarzen Meere bis Silistria
an der Donau Rumänien zugewiesen wo:den. Außerdem soll die
Angelegenheit Montenegro's zer Verhaaudlung gekommen sein.
Nussland.
Wien, 2. Juli. Die „Pol. Corr.“ meldet: Nach den
neuesten Berichten befinden sich auf der Valkan-Halbinsel z vischen
Jassy, San Stefano, Bukareft und Sophia an russischen Truppen
198 000 Combattanten und 90,000 (2) Nichtcombaitanten. Det
Jleichen Quelle zufolge verloren die Russen bisher an Todten, Verwun
deten und Siechen 321,000 Mann, darunter 2700 Officiere.
Petersburg, 2. Juli. Das „Journal de St. Peters
bourg“ bezeichnet die Annahme, die Türkei könnte sih der Aus—
führung der Congreßbeschlüsse widersetzen, als absurd. Eine Eden—
ualität dieser Art anzunehmen, h'eße glauben, daß Europa nur
zum Congreß zusammengeireten sei, um fromme Wünsche auszu⸗
Pprechen. Der Congteß werde, che er auseinander gehe, die
Gewißheit erlongt haben, daß die Pforte seinen Beschlüssen zustimme
und dieselben aussühre oder aber, der Congreß werde Maßregeln
anordnen, welche er für nothwendig balte.
Die Arbeiterbildungsvereine sind es vor Allen,
welche eine bewährte Schutzwehr gegen die trüden Fluthen des
Socialismus bilden. An diese Vereine tritt jetzt die eruste Mah
nung heran, ihren Organismus neu zu bleben und zu kräftigen.
Von ihrer Reschskreue haben die süddeutschen Vereine jüngst in
wohlthuender Weise Zeugniß abgelegt, als auf Aaregaung des Frei⸗
burger Vereins der Verba dsvorstand in Augsburg dem deutschen Kaiser
ausAnlaß des ersten Attentats eine würdige Kundzebung zugehen ließ.
Unsere Arbeiterbildungsvereine stehen im Wneidendsten Gegensatz zu
den soclalistischen Bestrebungen; ihre Devise heißt.: darch Bildang
zur Freiheit, durch Fleiß und Spar'amkeil zu einer menschenwür—
digen Existenz, eine Devise, die auch wahr. bleibt, während die
„soc ale Gleschheit“, don der die focialist jchen Arbeiter fajeln, den
nackten Communismis zur nothwendigen Voraussetzung hat Und
unausbleiblich zue Beraubung und Verarmung der Gesellschaft
führt.
Wenn unsere tüchtigen drusschen Arbeiler einmal muthig und
offen den Kampf gegen die Prahlhänse und Maulhelden aufnehmen,
welche dem schonen Namen „Arbeiter“ Unehte machen und durch
ihr wüstes Treiben die Grundlagen der Sittlichkeit, die Elemenmte
der Productivität: Arbeitsfreudigkeit und Arbeitstüchtigkeit, zerstören,
so ist die Axt an die Wurzel des schlechten Baumes gelegt und
die Arbeit an der rechten Stelle begonnen, wo weder das Straf⸗
gesetz, noch der Einfluß der Gebldeten sich direkt als wirksam er⸗
weisen. Nie war die Zeit so günstig, um unseren deulschen Ar⸗
beiterbildungsvereinen einmal frisches Blut zuzuführen und ihr
Programm weniger auf seinen allgemeinen Werth, als auf seine
Erweiterungsfähigkeit zu prüfen. Es wäre, um hier nur Eines
ervorzuheben, sehr wünschenswerth, daß neben den Bildungs⸗ und
Anterrichtszwecken den Lein wirthschaftlichen Beitrebungen mehr
Raum geschaffen wurde.
Die Kosigebereien, wie fie einige Vereine, wie u. A. der sehr
üchtige Freiburger Verein bei sich eingeführt und zwor mit dem
jesten Erfolge, verd'ent überall nachgeahmt zu werden; sie sind
u. A. geeignet, dem fremd zuzezogenen Arbeiler das Gefühl hei⸗
mathlichen Behagens zu geben, in ihm Anstand und edl⸗ Gesellig⸗
eit zu pflegen akd ihn dem verderblichen Wirthshausleben zu enl—
fremden. Dann wäre es von großer Wichtigkeit, in allen Vereinen
Arbeitsnachweisungs Bureau⸗es einzuführen. Um diesen Bureau's
praktische Wirksamkeite zu geben, wäre es freilich nöthig, daß die
ßrobinziellen Verbände sich kräftiger organificten Und schließlich füt
dat ganze deutsche Reich ein Centralverband gegründet würde;
die verschiedenen Arbeitsnahweisungs ·Burcaus mürden dann in
anhaltenden geschäftlichen Verkehr ireten; das von einem Ort zum
andern reisende Vereiasmitglied, versehen mit einer Legitimations⸗
tarte seines Heimalhsvereins, fände zunächst am Orte, wo es At—
heit sucht, freundliche Aufnahme und im Bureau Gelegenheit, über
den Stand des Arbeitsmarttes dou ober in der Nähe zuderlässige
Auskunsft zu erhallen.
Veruiistes.
F'Zweibrücken, 27. Juni, Nachmittags. Schwurgericht.) Verhand⸗
lung gegen Carl Kaufmann, 20 Jahre alt, ledigen Schlossergesellen, ge⸗
»oren zu Kusel, beheimathet in Hütschenhausen, wohnhaft in Kaiserslautern,
Sohn des daselbst wohnenden Tagners Johann Kaufmann, angeklagt des
Todtschlags, vertheidigt von Rechtscandidat Richard Ottmann.
Am Sonntag den 2. Jun i. Is. fruh Morgens ging der Angeklagte
nach seiner Angade in Begleitung seines jüngeren Bruderz August Kaufmaun
und des 20jährigen Carl Hasemanu von Kaiserslautern in den Wald, ver⸗
sehen mit einer doppelläufigen Pistole, den dazu dienlichen Zundhütchen und
Zugeln und einem Pulverhorn un Pulver, um im Walde nach der Scheibe
zu schießen. Nachdem die drei Burschen im Wolde unweit Trippstadt sich
dieses Vergnügen eine Zeit lang gemacht hatten, begaben sie sich gegen 8
Uhr nach Trippstadt, besuchten dort im Laufe des Vor⸗ und Nachmittags
mehrere Wirthschaften, wo sie Bier tranken und Etwas aßen. Sie führien
jich in einigen Wirthschaften unordentlich auf, so daß sie nach kurzem Auf⸗
enthalte ausgewiesen werden mußten. Dabei erging sich besonders der An.
geklagte in eiszelnen Drohungen, wie: „Hente gibt's noch was, auf Pistole
oder Degen!?“ „Ich habe iyn herausgefordert auf Tod und Leben, es ift
mir eins, ob auf Pistole ober Dolch!“ und weiler „Wir gehen jetzt noch
n eine andere Wirthschaft, kommen dann wieder und schlagen Alles zusammen!“
Rachmittags zwischen 2'und 3 Uhr kamen die drei Burschen in die Wirth⸗
chaft von Carl Schmitt daselbst, wo sie am Vormittage schon einmal auf
einige Stunden eingekehrt waren. 6E entspann sich hier cin Wortwechsei
wischen Auguft Kaufmann und Hasemann, in dessen Verlauf letzterer mit
nem Stocke dem ersteren einen Streich auf die Stirne versetzte, woraus
ieser ein dem Angeklagten gehöriges, im Griffe stehendes Messer öffnete und
»amit auf Hasemann losging. Auch gegen den Wirth Schmidt zo derselbe
mit dem offenen Messer aus. Deßh ilb wurden die drei Burschen aus der
Wirthschaft entfernt. Auf der Straße setzten sie jedoch das Scandaliren fort.
August Kaufmann n'iit offenem Messer. Der Adjunkt Philipp Jac, Schmidt,
welcher gerade vor seinem nahezelegenen Hause stand, ermahnte die Lärmenden
zur Ruhe und forderte den August Kaufmanu auf, das Messer cinzustecken.
Statt Folge zu leisten, ging Letzterer · auf den Adjunkten zu und unter der
Drohung, ihn todtzustechen, wenn ?t nicht weggehe, stieß er zweimal mit dem
ffenen Messer nach demselben, ohne ihn jedoch, da dieser zurückwich, zu treffen.
Der Adiunkt gab sich nun den Burschen alz solcher zu“ erkennen mit dem
Bemerken, er wolle es ihnen zeigen. Zugleimh ersuchte er die Zeugen Philipp
und Jacob Schmidt, welche den Burschen ihres bedrohlichen Auftrelens halber
auf die Straße gefolgt waren, die Gendarmerie in rufen. Darcuß 5XX.