St. Ingberler Anzeiger.
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M iII2. — Donnerotaa/ den 18. Juli. 1378.
— —
Deutsches Reich.
Mäünchen, 16. Juli. Die pfälzischen Mgeordneten haben
gestern dem kgl. Staatsminister der Justiz eine Erllärung vorgelegt,
—XXIä
Anficht dahin kurd gaben, daß es am besten sei, es vorläufig bei
den bestehenden dier Bezirksgerichten als künftigen Landgerichten in
der Pfolz zu belassen und auch den Befiand der vorhandenen
Landgerichte als künftige Amtsgerichte deinen Kiefer eingreifenden
Heränderungen zu unterwersen. Die Deputation, welche dem
Herrn Staateminister dieses Schriftftück überreichte, empfing von
demselben ringehende Aufschlüsse über den dermaligen Stand dieser
Sache. Im Wesentlichen geht aus denselben die Uebereinstimmung
des Hrn. Staats-Minifters mit den Anschauungen der Abgeordneten
hervor; eine bestimmte Stellungnahme der Staals- Regierung zu
der ausgesprochenen Ansicht erwies sich indeß zur Zeit als unzuläfsig,
weil die Feststelleng der noch zu berathenden Landesgesetze von
entscheidendem Einfluß auf die Zuständigkeit und Gestaltung der
o rschiedenen Gerichte sein wird. Unter diesen Verhältnissen empfiehnt
es sich, vor weiteren Schritten die Entwickelung der einschlägigen
Landesgesete abzuwarien.
München, 16. Juli. Der neue Erzbischof von Möänchen-
Freising Herr Dr. Anton Steichele und der neue Bischof von
Speyer Domprediger Joseph Ehrler ünd gestern von dem Papste
in einem Konfistorium prälonisirt worden.
München, 16. Juli. Gegenüber dem in der Presse der
ogenannten Deu' schkonser vativen aufgetauchten Vorschlage, den Für—
ten Hohenlohe hier als Gegenkandidaten gegen Siauffenberg auf⸗
zustellen, veröffentlichen die, Neuesten Nashrichten“ folgendes Schiei⸗
zen Hohenlohe's aus Berlin vom 14. Juli an ein Mitglied der
bayerischen Kammer, Profesfor Marquardsen: „Ich lese in einem
Münchener Blatte den Vorschlag, die konservativen Münchener Bür—⸗
ger sollten ihre Stimmen mir zuwenden, womit wohl meine Kandi⸗
datur gegenüber Stauffenberg gemein: ist. Sollie die Nachricht
mehr sein, als die Meinung eines Unberufenen, so ditte ich zu
erklären, daß ich eine solche Kandidatur unter keinen Umständen
annehmen wücde. Der Gedanke beruht auf vollständiger V.rken⸗
nung meiner politischen Stellung. Ich begreise nicht, wie Jemand
zlauben kann, daß ich als Gegenkand. dat einet Mannes auftreten
würde, der während meiner bayerischen Ministerzeit mir stets seine
»olle Urlterstützung gewährt hat, mit dem ich seit jener Zeu in den
hauptfragen der deutschen Politik übercin estimmt und dem ich
auch jetzt noch trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten zec öulich
uud politisch zu nahe stehe, um als sein Gegner auftreten zu kön⸗
ten“. — Der Bezirksgerichtsrath Herz hai endgiltig seine Reichs⸗
tagekandidatur gegen Hohenlohe sör den Wahlkreis Kulmbach⸗
Forchheim zurückgezogen.
Wie man aus Munchen schreibt, sind Hof-Equipagen und
Pferde auf Befehl S. Maj. des KAönigs in Bereiischaft gesetzt, um
dem Reichssskanzlec Fürsten Bismard bei seiner An unft in Kissingen
zur Verfügung zeftellt zu werden. Auch ein Sicherheitésbeamter
wird von München nach stiissingen abgehen.
Berhin, 15. Ju i. Füest Gortschakow ist heute Mittag
am 1 Uhr von der Kaiserin und um 2 Uhr vom Kronprinzen
empfangen worden. Derselbe reist voraussichtlich am Mittwod
nach Wildbad abd. Fürst Bismarck reift heute Abend ab nach
Zissingen. Gestern Na hmittag um 3 Uhr fand eine Sizung des
Staatsministeriums statt. Waddington reist heute Abend ab. Lord
Odo Russell ist mit Familie am Vormittag nach Potsdam über⸗
zefiedelt. Sir H. Elliot ist gestern nach Wien zurückzereist. Der
tanzösische Botschaster in Wien ist gestern hier eingetrossen.
Berlin, 15. Juli. Wie aus ruffischen Kongreßkreisen woch
jachträglich mitgetheint wird, werden de Ergebnisse des Kongresses
etzt erst für weit befriedigender anerkannt, als man allgemein nock
zot wenigen Tagen zuzugeben geneigt war. Der Umstand, daf
ꝛei der angestrebten Versöhnung so zahlreicher widerstreitenden In⸗
eressen kein Theil vollständig zuftiedengestellt wurde, sei ein Reweis
ür die Unparieilichkeit und Weisheit des Kongresseßs. Als un—
5 inittelbare Refultate des Kongreffes dirfen zwei qroße Thatsachen
gelten: Die reelle, prattische und dauerdafte Verbesserung bes
Looses der christlichen Völkerschaften und die Ausföhnung Englandß
und Rußlands im Interesse des Friedens.
Berlin, 16. Juli. Der ‚Reichsanzeiger“ meldet: Ver
daiser hat den Vice -Präsidenten des Staatsministetiums, Grafen
Stolberg, mit der allgemeinen Stellvertretung des Reichskanzlers
nach Maßzabe des Gesetzes vom 17. März 1878, 8 2, beauftragt.
Berlin, 16. Juli. Se. Maj. der Kaiser hat dem Für—
len Bismarck sein don Winterhalter gemaltes Portrait in lebens⸗
roßer ganzer Figur gefchenkt; Dasselbe wurde gestern Abend dem
Beschenlten überbracht. — Der Kronprinz hatte gestern Nachmittag
rine Konferenz mit dem Neichskanzler.
Berlin, 16. Juli. Der „Post“ zusolge besiatigt es sich,
daß außer dem Sozialistengeseß andere Vorlagen für die außer⸗
ixdentliche Reichstagssejsion nicht vorbereitet werden.
Tas „Berl. Tagebl.“ schreibdt: Die Hauptbestimmungen des
Berliner Friedens find folgende: Im Artikel ĩheißt
8, daß alle Regierungen darüber einig waren, deim Berliner Kon⸗
jreß den Vertrag von San Stefano zum Ausgangspunkt der Ver⸗
sandlangen zu nehmen, in Berbindung mit dem Pariser und
dondoner Vertrage. Den meisten Raum im Vertrage nehmen die
Bestimmungen über die Festsetzung der Grenzen ein. Bulgarien
vird ein tribntäter und autonomer Staat, er zahlt an die Pforte
Tribut, dessen Höhe später definitiv nach den Revenüen des Landes
»emeffen, von Europa fixirt wird. Die Fürstenwahl durch die
otadeln findet in Tirnowo statt; der Fürß darf aus keiner der
roßen europünschen Fürstenfamilien gerählt werden; unter gewiffen
Umständen kann, wie es im Vertrage heißt, Bulgarien sogar ein
rbliches Fürstenthum werden. Bei der Bestimmung über die Un—
ibhängigleit Serbiens, Monteregrss und Rumän'ens und bei deren
Brenzleststellung ist ausdrücklich in jedem Artikel die Bestimmunß
ider die Gleschstellung der Kulte aufgenommen. Montenegro er-
jalt Antivari, die freie Schifffahrt auf der Bojana, jedoch
nicht daz Recht, eine eigene Kriegsflagge zu führen und Kriegs-
ch ffe zu halten; die montenegrinischen Schiffe segeln unter dalma⸗
inischer Flagge. Was Bosn'en beir fft, so heßtees in dem Ver⸗
rage, daß Oesterreich die Administration der beiden Prov'nzen,
Zosnien und der Herzegowina, übernimmt, mit Ausnahme einer
wischen Serbien und Montenegro gelegenen Enklave, wo die tür—
ujche Berwaltung bestehen bleibt. Was Asien betrifft, so erhält
stußland Ar: ahan, Kars, Batum, Ollti und die im Verirag vor—
jesehene Grenzregalirung. Es heißt im Bertrage, daß der Kaiser
yon Rußland die Abficht hat, aus Batum einen Hafen zu machen,
pelcher wesentlich dem Handelsverkehr zu dienen bestimmt ist. Die
Türkei verpflichtet sich, Armenien eine gute Org misation zu geben,
zierüber Europa Wittheilung zukommen zu lassen und das In—
erefse der armenischen Bevölderung wahrzunehmen. Ebenso ver⸗
flichtet sih die Pforte, Krets diejenige Verfassung und Autonomie
uu geben, welche die türlische Regierung d'eser Jnsel laͤngst zugesagt hat.
eber die Regelung der türkischen Schuldfrage enthält der Vertrag
aichis, dazegen ist die von Kongreß beschlosfene Resolution wegen
der griechischen Grenzberichtigung in den Vertrag aufgenommen.
Die Besetzung Buigariens durch russische Truppen dauert neun
Monate, die Truppenzahl von 50, 000 Marn darf jedoch nicht überstiegen
wverden. Die Ratifitkation des Vertrages sindet rach vier Wochen statt.
Ausland.
sKeonstantinopel, 15. Juß. Gestern fand unter dem
Borsitze des Sultans ein großes Konseil statt, welches sich mit der
Frage betreffs Epiras und Thessaliens beschäftigle und gewisse
Maßnahmen betreffs Griechenland beschloß. Das Konseil beschas⸗
iigte sich weiters mit den Detals der englischen Konvention; die
tonzession zum Baue einer Eisenbahn Merftna-Diarbekt· Erzerum
wurde einer englischen Gefellschaft verliehen. Beireffs verschiedenet
inderer öffentlicher Bauten sind Unterhaadlungen in Zuge. Der
englische Boischaiter Loyard hat fast täglich Unterredungen mit dem
Zuttan, um alle auf die Finanzen und de öffentlichen Arhenen
ezuüglichen Projelte festzustLen.