Full text: St. Ingberter Anzeiger

leucͤlen. Es ist dieser Herr unseres Wissens der erste Geusliche, 
welcher es mit seinem Stand und der Würde desselben vereinbar 
findet, förmliche Wahlreisen zu machen, als politischer Stumpredner 
aufzutreten, und den Leuten den bekannten Sand in die Augen zu 
treuen. Daß dieses Treiben keinen bessera Erfolg als bei früheren 
Wablen haben wird, ist leicht voraus zu sehen. Wunder nimmt 
es uns nur, wie Hert Fleischmann eine derartige, in gehäffsiger 
Weise betriebene Wahlagitation mit der wirklichen Aufgabe eines 
Geistlichen, die doch auf einem ganz anderen Feld liegt in Etn⸗ 
tlang bringen will. (Pf. Kur.) 
fFrankenthal, 18. Juli. Der Ausschuß des hiesigen 
Zewerbevereins hat eine Colleckion praktischer amerikanischer Werk 
euge angekauft, um solche unter seinen Mitgliedern verloosen zu 
jassen. Dieselben sind dieser Tage eingetroffen und in dem Schuu⸗ 
jenster des Hrn. J. Gaschott zur Ansicht ausgestellt. (F. W 
F Diedenhofen, 14. Juli. Der Thätigkeit unserer 
Bolizei ist es gelungen, heute eine Diebsbande, beftehrund aus einer 
Frau und vier Männern, festzunehmen und in Sicherheit zu bringen, 
welche sich seit einiger Zeit den Inhalt der plombirten Eisenbahn⸗ 
wagen auf dem Güterbahnhofe anzueignen wußten. Die bestoh⸗ 
lenen Waggons haiten sie so geschickt wieder plombirt, daß an den⸗ 
selben gar nichts wahrzunehmen war, wodurch es sehr schwer fiel, 
den wirklichen Thätern auf die Spur zu kommen. Um so mehr 
freuen sich die am Güterbahnhofe beschäftigten Beamten, daß über 
die Angelegenheit klares Licht gekommen ist. Eine Menge Tuch, 
Stoffe, Sliefel, Lederzeug, Fässer, Branntwein ꝛc., welche gestohleli 
varen, wurde mit Beschlag belegt. 
fKissingen, 18. Jali. Gestern Abend 9 Uhr 18 Min. 
raf Fürst Bismark mit seiner Gemahlin und Tochter, von dem 
zahlreich versammelten Publikum begrüßt, hier ein, bestieg sofort die 
dereitstehende königliche Equ'page und suhr nach seinem Absteige⸗ 
OQuartier in der oberen Saline. 
fUlm, 17. Juti. In Glassenbardt in der Nähe von Ner- 
angen fand man 20 verendete junge Rehe, die einer noch nicht 
ionstatirten Krankheit erlegen sein sollen. 
F In Würzburg ist ein Schuhmacher vom 9. Infanterie⸗ 
stegiment zu fünf Tagen Dunkelarrest vecurtheilt worden, weil er 
zuf einen, von ihm gefertigten Schuh die Worte: „Deutscher 
Reichskrebs“ geschrieben hatte. 
München. Geichen der Zeit.) Bei der Eröffnung der 
3. odentlichen Schwurgerichtssitzung für Oberbayern betonte der 
Präsident Frhr. b. Castell in seiner Ansprache an die Geschmorenen, 
zaß nicht weniger als acht Verbrechen abzuurtheilen seien, in wel— 
ben Menschenleben dem Messer zum Opfer fielen. Sieht: man 
olche Thaten immet und immer wiederkehren, so müsse man sich 
ragen, ob noch auf der ganzen Erde ein gleich großer Fleck be— 
lehe, wo sich das Verbrechen in gleich großer Anzahl findel, wie 
in unserem fonst so gesegneten Altbahern. Reduer glaubt, die Ur⸗ 
ache davon möchte in der früheren zu milden Beurtheilung dieser 
Thaten zu suchen sein, so daß jetzt Strenge geboten sei, von wel— 
cher allerdings kein Unschuld'ger betroffen werden sollte, der aber 
auch kein Schuldiger entkommen dürfe. 
fTrier, 16. Juli. Der auf dem Karioffel-Acker bei St. 
Barbara gefundene Käfer, welcher zu der Besorgniß Anlaß gab, 
daß der Koloradokäfer bei uns eingewandert sei, hal sich bei naͤherer 
Untersuchung glücklicherweise als ein harmloser Marie nkäfer 
entpuppt. Aehnliches passirte dieser Tage, wie wir in auswärtigen 
Blattern lefen, in der Stadt Andernach. Auch dort glaubte man 
den Koloradokäfer gefunden zu haben, bis es sich schließlich heraus⸗ 
tellte, daß man es mit einem Marienkäfer zu thun habe. 
Schwabach, 17. Juli. Gestern irat hier Herr Sonne⸗ 
mann von Frankfurt in einer Versammlung auf. In derselben 
wurde die Aufstellung eines Kandidaten der Voikspartei für den 
Dahlkreis Ansbach · Schwabach in der Person des Holzhandlers Kröber 
zon München beschlossen. Kröber, dessen Aufstellung in Naenberg 
von dem Frankfurter Centralausschufse hintertrieben wurde, soll also 
ait Erlaubniß der Frankfurter Herren in unserm Wahlkreise 
iandidiren. 
fKastel, 9. Juli. Ein Riesenfaß hat der hicfige Küfer 
Irschbügel angefertigt. Dasselbe in obalet Form, häln 11 Stud 
der 13,000 Liter. 
Dortmund, 17. Jun. Auf der benachbarten Zeche 
sKeu Isetlohn fand gestern eine Explosion durch schlagende Wetter 
latt. Von 5 Arbeuern, die unten beschäftigt waren, wurden 2 
lestern Abend todt zu Tage gesördert z) die 3 anderen sind noch 
nicht aufgefunden. Der Querschlag, wo sich es zutrug, ist zertrümmetrt. 
FHamburg, 13. Juli. In der Caserne des 76 Inf ⸗Reg. 
lam es heute zu einer traurigen Scene. Der Sergeant Koch wurde 
don einem Solidaten, welcher bereils im dritlen Jahre dient, in 
der Pugstude mit dein Gewehrkolben erschlagen, so daß er auf der 
—A hat seinem Hauptmann die That 
Rumwunden eingestanden und soll die Aeußerung geihan haben, daß 
t seht wohl wisse, daß eine Kugel sein Loog sai, dber ein solches Le⸗ 
en unter den steten Nörgeleien des Sergeanten zuertragen, sei unmoͤglich. 
y 
x Als Geschent des Kaisers von Maroklo fär 
Zaiser Wilhelm sind in Hambutg mit dem am 11. d. M. 
Atends 11 Uhr vom Mittelmeere angelangten Dampfer ‚Lissabon“ 
10 prachtvolle Hengste eingetroffen. —2 waren von einer 
gleichen Anzahl marrokanischer Diener geleitet und wurden von 
aiserlichen Stallmeistern in Empfang genommen. Die Pferde 
sind zunächst in den Stallungen des Herrn C. Olde untergebracht 
und werden, nachdem fie sich einige Tage von den Strapujen der 
Seereise erholt, per Bahn nach Berlin weiter besdrdert werben. 
F Berlin. (Kongreßkosten.) Nicht der uninteressankeste 
und schmerzloseste Theil des Aufenthaͤltes der Fremdlinge in unseren 
Mauern ist das Ende: nämlich die Bezahlung der Rechnung. Die 
dier Wochen, während welcher der Kaiserhof die englischan Kongreß⸗ 
Delegirten in seirien Mauern gesehen hat, werden wohl mit golde⸗ 
nen Buchstaben in den Geschäftsbüchern des Hotels verzeichnet 
werden. Die Herren, deren Zahl einschließlich der 16 Altachés 
und der Bureaubeamten des Lord Salisbury gegen 50 erreichte, 
ewohnten 68 Zimmer. Ihre Gesammtrechnung betrug — circa 
10,000 Mark, also täglich gegen 1120 Mark. vLord Beaconsfield 
elbst hatte im Kaiserhof eine Flucht von Zimmern inne; er mußte 
ich daselbst mit einer Summe von mehr als 28,000 Martk aus— 
vsen. Außerdem hatie der Lord die Intechnangstellung einer füg⸗ 
ichen Gratificatien an die Dienerschaft befohlen, die er bei seiner 
Aoreise noch mit einem „Trinkgeld“ von 1000 Mark bedachte. — 
Nicht weniger als die Diplomaten habmn auch die Vetrtreter der 
Presse tief in die Tasche greifen müssen. So hat dem Korrespon⸗ 
den der „Times“ sein hiefiger Aufenthalt einen Aufwand von ge⸗ 
nau 17,200 Franken berursacht. Von xiaer Summe von 
18,000 Franken, welche er zu feiner Verfügung hatte, blieben ihm 
nach Zahlung des Retourreisebillets genan 800 Franken übrig. 
VBon dieser Gesammtausgabe fallen nahezu 9000 Mark oder 
11,050 Franlen auf die Telegraphengebühren. Nicht wit einge⸗ 
zechnet ist natürlich hierbei das Gehalt oader die Remuneration, die 
»er Korrespondent selbst für seine hiesige Misfion bezog. Blel 
müähßiger aber immer noch bedeutend stellen sich die Ausgaben 
anderer Spezialkorrespondenten. Der Vertreter der „Temps“ 
. B. hat 3600 Franken (nahezu 8000 Mart), für Telegramme 
ausgegeben, seine Gesammiausgaben erreichen ziemlich MoOd Franken. 
Paris, 11. Juli. Auf der Wiener Weltausstellung von 
1373 lastete, wie Jeder weiß, der große finanzielle „Krach“, der 
so viel Weh im Gesolge hatte; der Pariser von 1878 sollte ein 
solcher nicht ganz erspart bleiben, sie weist auch einen Krach“ 
auf, aber glücklicherweife nur en miniature, keinen welterschüttern⸗ 
den und sein Geräusch dringt kaum über die Enceinte von Paris 
hinaus. Von 46 lleineren Restaurateuren, die in der Nähe des 
Marcgfeldes ihr Glück versucht hatten, haben 30 dieser Tage ihre 
Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Eine unausbleibliche Folge, wenn 
die täglichen Kosten 80 Francs betragen und 80 Centimes einge⸗ 
nommen werden. 
F Paris, 16. Juli. Die Gruben⸗Arbeiter in Anzin ha⸗ 
ben diesen Morgen die Arbeit gekündigt; sie verlangen 5 Fres. 
Arbeilslohn und die Minderung der Arbeitszeit auf“ 8 Stunden 
säglich. Drohende Banden durchziehen den Ort, und man hatte 
diesen Morgen Besorgnisse wegen der Wohnung des Directors der 
Besellschaft, de Marcillh. Der Präfekt von Line ergriff sofort mit 
Beneral Clinchant, dem Befehlshaber des ersten Armeecorps, mili⸗ 
ärische Maßregeln zum Schutze von Personen und Eigenthum. 
Anzin, im Departement du Nord, hat eine der bedeutendsten Stein⸗ 
ohlengruben Frankreichs, die seit 1834 ausgebeutet wird und im 
Durchschnitt 5. bis 6000 Arbeiter beschäftigt; außerdem bedeutende 
Eisenhütten, Hochöfen, Glashütten, MWaschinenfabriken ꝛc.) 
ũ (Athmungsprozeß.) Den neuesten Untersuchungen 
des Prof. Pettenkofer zufolge alhmet der Mensch von der in 24 
Stunden verbrauchten Luftmenge bei Tage 31 pCt. Sauerstoff ein 
und 69 pCt. Kohlensäure aus, bei Nacht 69 pCt. Sauerstoff ein 
und 81 pCt. Kohlensäure aus. Daraus ergiebt sich, daß man 
ʒei Nacht durch das Athmen einen Vorrath von Souerstoff (Le⸗ 
densluft) in sich aufnimmt, den man erst am folgenden Tage bei 
der Arbeit verbraucht, und daß man in der Nacht einer an Sauer⸗ 
toff reicheren Luft bedarf, als bei Tage. Darum soll man zum 
Schlafen die größten und bestgelegenen Zimmer wählen. 
T(Doppelkohlenfaures Natron sals ärzt⸗ 
liches Mirtel gehden Brandwunden.) Ein ameri⸗ 
lanischer Arzt empfiehlt das doppelttohlensaure Natron zur Anwen⸗ 
dung als ärztliches Miltel bei Brandverletzungen. Von einer kürz⸗ 
lich abgehaltenen amerikanischen Versammlung von Aerzlen wies er 
die Vortrefflichkeit des Mitlels an sich selbst nach. Er brachte sich 
nämlich mit fiedendem Wasser eine große Branddlase an dem Dau⸗ 
nen seiner rechten Hand bei, legte doppeltlohlensaures Natron 
arauf und bedeckte dasselbe mit einem Sildchen feuchter Leinwand. 
Sehr rasch verschwand der durch die Brandverletzung verursachte 
Schmerz, und am andern Morgen war von der Verletzung nichts 
F q eine etwas dunkle Färbung an der verbranuten Siell⸗ 
zu sehen.