Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Me1u323. Donnere⸗·a, dAnnra 1878. 
Deutsches Reich. 
Berim, 20. August. Der Kronprinz und die Kronprinsessin 
werden mit Kindern morgen früb 6 Uhr im neuen Palais zurück⸗ 
rwartel. 
Die Stichwablen haben den Sozialdemokraten eine Verstärlung 
gebracht, so daß nun ihrer 9 im neuen Reichstag sitzen. In Bayern 
st keiner gewählt worden, ebenso wenig in Würlemberg und Badex. 
Das Hauptlontingent hat wieder das Königreich Sachsen gestellt, 
aämlich 8. 
—AV 
Stichwahlen vor. Der nächste Reichs:ag wird demnach, wenn wir 
nie Ergebnisse der wenigen noch nothwendigen Nachwahlen der⸗ 
enigen Partei anrechnen, welche der jetzt gewählte Verireter an⸗ 
Jehört, zusammengesetzt sein aus 60 Konserbativen, bezw. Deutsch⸗ 
ronservativen, 50 Freikonservativen, 97 Nationalliberalen, 99 Ultra⸗ 
nontanen (einschl. 5 elsäss. Klerikale), 25 Fortschriitlern, 185 
ßolen, 9 Welfen 9 Soziaidemokraten, Z süddeutschen Demokraten, 
Autonomisten, 6 elsaß-lothringischen Protestlern, 1 Dänen und 
9 Wilden, die bis auf wenige Ausnahmen zur liberalen Partei 
erechnet werden koͤnnen. 
Aus Berlin wird offiziös gemeldet: Die Heidelberger 
donferenz der Finanzminister hat kein Votum gegen das Tabaks 
nonopol abgegeben, sondern die Modalitälen der Tabaks⸗Besteuerung 
ils offene Frage behandelt. 
Die ‚Nordd. Allg. Zig.“ schreibt officiöss: „Die in Heidel⸗ 
erg versammelten deutschen Finanzminister haben vom ersten 
wugenblick ihrer Beralhung an die Modalitälen der Tabakbesteuerung 
as eine voch offene Frage behandelt, und zwar um so mehr, als 
Ar Ze't der Heidelberger Konferenz die Arbeiten der Tabak · Enquöte⸗ 
dommision ihren Abschluß noch nicht erreicht hatten. Es ist daher 
ntschieden falsch, wenn die N. L. K. behaupiet, die deutschen Finanz⸗ 
ninister in Heidelberg hätten sich prinzipiell und ohne die Entscheidung 
er Tabal⸗Enquẽte Kommission abzuwarten, gegen das Taboaksmonopoi 
uusgesprochen. Eine besondere Erdrierung der Frage bat überbaupt 
n Heidelkberg nicht Statt gefunden.“ 
Den schwäbischen Liberalismus kennzeichnet außer 
»em berühmten Augsburger Wahlaufruf nichts besser als nachstehende 
dorrespondenz der Augsb. Abendztg. aus Schwaben: „Der preußische 
Fntwurf eines Reichsgeseßes gegen die sozialdemokrauschen Umsturz⸗ 
zelüste ist nunmehr bekannt gegeben. Er tat zweifellos eine weit 
ingenehmere Gestalt als der vom aufgeldsten Reichslage abgelehnte 
entwurf gleichen Betreffs. An der nationalliberalen Fraktion liegt 
s, dafür zu sorgen, daß der neue Entwurf mit einigen nothwendigen 
edaltionellen Verbesserungen alsbald Gesetz werde. Wenn die 
Nationalliberalen dabei auch gezwungen sein sollten, ihr Schmerzens⸗ 
ind Eduard Lasker an seine Kollegen Eugen Richter und Sonne⸗ 
nann abzutreten, so kann doch in dieser — verspäteten — Operation 
ein Grund gefunden werden, Das zu unterlassen, was absolut 
othwendig erscheint. Die Gefährlichkeit. der sozialdemokratischen 
herjschhwörung ift sicherlich dadurch nicht gemindert worden, daß 
ungst allenhalben im Reiche die Ültramomanen mit den Sozʒal⸗ 
emol aten Wahlbündnesse geschlossen haben. Der gemeinsame Haß 
egen das Reich hat sie zusammengeführt. Sollte nicht die gemein⸗ 
ame Liebe zum Reiche auch die reichstreuen Konservativen und 
dationalliberalen zusainmenführen können 7* 
Es scheint nicht in die Oeffentlichkeit dringen zu sollen, daß 
Ysterreich im umfangreichen Maße mobilifitt. Am 14. Auquft 
ind die Ordres zur Einberufung auksgegeben worden und auf 
neiner Reise von Wien nach Prag am 16. ds. fand ich alle 
üsenbahnzüge erfüllt mit Reservisten und Landwehrleuten. Es 
ielte Itaten. hieß es. Zu meinem Bedauern mußte ich erfadten, 
aß die Erbitterung auch gegen Deuschland heftig und allgemein 
Man wirft ihm vor;, die Italiener aufgehezt zu haben und 
h mit Annexionsgelüsten dezüglch Böhmens zu tragen. Das ist 
ue vox pupuli (7 
Ausland. 
Wien, 20. August. Ein Bericht des Oberkommandirenden 
huilivpowitsch über enen Kampf bei Serajewo (Haupistadt Boz 
niens) besagt: Als die Infanterie in Schwärmen gegen die Stadt 
vorzing, enispann sich ein denlbar gräßlichster Kampf: aus jedem 
dause, jedem Fenster, seder Thürspalte wurden die Truppen be⸗ 
chossen. Selbst Weiber und Verwundete nahmen Theil am Kampfe. 
Anglaubliche vom wildesten Fanatismus seugende Szenen spielten 
ich ab. Nur der Gutmülhigkeit und der Disziplin der Truppen 
st es zu verdauken, daß die Stadt nicht wesentlicher beschadigt 
vorden ist. Einige Hänfer wurden indeß ein Raub der Flammen, 
Berluste leider nicht unbedeutend. 
Teplitz, 19. Aug. Dir Kaiser Wilhelm brachte bei dem 
aus Veranlassung des Geburtsfestes des Kaifers von Oesterreich 
zestern Statt gehabten Diner den Toast auf den Kaiser Franz 
Joseph und dessen Armee aus. Nach der Tafel trat der Kaifer 
auf den Balkon hinaus, worauf das zahlreich versammelte Publikum 
dem Kaiser von Oesterreich und dem Kaiser Wilhelm begeisterte 
hdochs ausbrachte. Gegen Abend machte Se. Majestät noch eine 
Spazierfahrt nach der Rosenburg; heute Morgen hat der Kaiser 
ein Vollbad genommen. Das Befinden desselben ist ein gutes. 
Aus London verlautet, daß die europäische Commission, 
velcher die Organisation Ostrumeliens obliegt, vor dem 8. Sep⸗ 
ember laum zusammentreten wied. Ihre ersien Sitzungen witd die 
Sommission in Kenstantinopel halten und dann nach O strumelien 
zehen. Wie es heißt, bat sich speciell die indische Regierung sehr 
ernst über die Folgen eines russisch- afghanistischen Bündnisses ge⸗ 
iaßert und die Erklärung abgegeben, doß ein solches mit allen 
MNitteln vereitelt werden müsse, soll nicht dem indisch- englischen 
daiserreiche die größte Gefahr erwachsen. 
Konstantinopel, 20. Autust. Die Vertreter Englands, 
Frankreichs und Deutschlands sind von ihren Regierungen angewiesen 
vorden, die Pforte in enischiedener Form zur stricken und rückhalis⸗ 
losen Durchführung des Berliner Vertrages zu mahnen. 
——— 
Vermischtes. 
F Zweibrücken, 21. August. Amtlich festgestellles Er⸗ 
zebniß der Stichwahl: Oberappelraih Schmidt 10048 Stimmen, 
De. Jäger 9430. 
FIn Kaiserslauten war, wie die „Kaisersl. 3.“ 
nittheilt, am 15. August (Mariä Himmelfahrt, Napoleonstag) auf 
Unordung des Polizeianwaltes durch die Polizei das Arbeiten in 
den Fabrilen verboten worden. Am 17. ist nun der Stadirath 
iber dieses Vorgehen in Berathung geireten, und hat die Sache 
unachst einer Kommision zur Prüfung übergeben, indem die Ansicht 
—RV Kompelenzüber⸗ 
chreisung und ein Eingriff in die bürgerliche Freihtit liege. de* 
Kaiferzlautern, 19. Aug. Fuür die am 18. Sep⸗ 
ember J. J. in Frankenihal statifinderde 7. Kreisversammlung des 
»falzischen Lehrervereins sind foligenge Vorträge angemeldet: 1) 
Besprechung der Lehrerordnung für die deulschen Schulen der 
Bfalz. (Res.: Herr Houssong aus Kleinbockentbeim.) 2. Die Bildung 
uind Stellung der Volkaschullehrer (Kef.: Herr Hauptlehrer Börtzler 
n Kaiserslautern). 3. Hat angesichis der socialen Uebelstände 
unserer Zeit der Vorwurf, die noderne Schule habe diese Zußände 
»erschuldet, Berechtigung ? (Kef.: Herr Lehner Esselborn in Lud- 
vigshafen.) K. 3.) 
FMardorf, 20. Aug. Am verflossenen Sonntog wurde 
dahier ein Kind zu Grabe gebrächt, das sich durch den Genuß von 
Rachtschaltenbeeren, die es im Walde sand und für Heideldeeren 
zielt, vergiftete. (Fr. W.) 
F Münden, 17. Aug. Die mit den Wehrpfl'chtigen des 
Jahrgangs 1878 vorgenommene Prüfung hat ergeden, daß die 
Rekruten wit mangelhaster Schulbitdung betrucen: in Oberbayern 
8,6 pCt., Riederbahern 1,3, Pfalz O,8, Oberpsalz 1,2, Oberftanken 
D.G, Mittelfranlen O,4, Unterfranten 0,2, Schwaben 0, 3pCt. Es 
ist das ein im Ganzen gewiß ungünstiges Ergebn'ß. (u. 3.) 
F Wie wir hören, ist nun das Nesulat der in Bahern 
dorgenommenen Sammlung der Wil helmsspende im Betrage 
don circa M. 124.000 in Berlin abgeliefert worden. Es partica 
hiren an dieser Summe eswa 6600 Gemeinden. Wenn auch tweil-