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MN 134. Sonntag, den 28. August
isig.
Deutsches Reich.
Mäünchen, 21. Aug. Bei der Unisormsabänderung der
bayerischen Armee im April 1872 — also vor 63 Jahren —
wurde der an die TransaktionsBerhandlungen Bayerns mit Oester⸗
reich erinnernde Federhut der Generale für den Truppendienst ab⸗
geschafft; bis heute wurde aber für denselben noch keine andere
Fopfbedeckung angenommen, so daß nach höherer Bestimmung die
Generale und höheren Stäbe die bequeme leichte Schirmmütze bei
den größeren Truppenübungen tragen müssen; nur da, wo Prinz
Luitpold erscheint, wird der Federhut aufgestülpt. Die Oijfiiere
vom Obersten abwärts und die Mannschaften haben den histo⸗
rischen () Raupenhelm. Wie lange wird Bayern noch mit der
Generals⸗Kopfbededung in den Wehen liegen? (Fr. K.)
In Bezug auf das Erkenntniß des oversten Gerichthofes Betreffs
unberechtigter Führung des Titels, Doctor medicinae“ ertlärt die
Münchener Kort., daß das betreffende Erkenntniß im Kultus
ministerialblait Ne. 21 vom 17. ds. Mis. abgedruckt ist.
Ueber das Socialistengesetz liegt jetzt ein hochbedeutsames
Urtheil aus natianalliberalen Abgeordnetenkreisen in der Rede vor,
welche Herr dv. Bennigsen zu Kriensen zum Zwecke der Empfehlung
der Kandidatur des Herrn v. Stauffenberg gehalten hat. Herr v.
Bennigsen geht auf die Einzelnheiten des Gesetzes zwar nich
ein, gleichwohl haben seine Worte die größte Bedeutung, da wir
nach der Stellung dieses Mannes in der nationalliberalen Partei
in seinen Auslassungen im Allgemeinen die überwiegenden Anschau⸗
ungen der letzteren erblicken dürfen. Die entscheidenden Worte der
Rede lauten:
„Eine Verständigung zwischen Regierung und Reichstag muß
gelingen, um den gefährlichen Agitationen der Sozialdemokraten
gegen die festen Grundlagen des Staates und der Gesellschaft wirk⸗
sam entgegenzutreten. Dazu wird es eines großen Maßes von
Selbstbeherrschung auf allen Seiten bedürfen. Ich hoffe, daß die
Verstandigung gelingt; jedenfalls werden wir uns redlich dafür
hbemühen, daß die Ordnung und Freiheit nicht mehr als nöthig
beschränkt wird. Das war immer das Streben der nationalliberalen
Partei und dafür ist sie abwechselnd von rechts und links getadelt
worden, daß sie Ordnung und Freiheit mit einander in Einklang
halte. Mitunter müssen die Forderungen der Ordnung die der
Freiheit überwiegen, mitunter umgekehrt, wenn auch den Aengst⸗
lichen die Ordnung dadurch Anfangs gefährdet erscheint.“
Weiter sprach Herr v. Bennigsen über die FZollfrage:
„Eine schwere Krisis lähmt seit fünf Jahren Handel und Verkehr.
und noch ist deren Ende nicht abzusehen. Das wird natürlich auch
bei der Gesetzgebung in nächster Zeit zu berücsichtigen sein; da
wird eine so sachveiständige Kraft wie Herr v. Stauffenberg hoch
—I
Freihändler; die Mehrjzahl der nationalliberalen Partei hält die
bisherige Zollvereinspolitik für die Quelle großen Segens; wenn
aber alle Nachbarstaaten eine neue Zollpolitik einschlagen und sich
gegen uns abschließen, dann muß auch Deuischland seine Interessen
wahren und an der Hand der Erfahrung, die durch die jetzt
schwebenden Enqueten gewonnen werden soll, die Frage erwägen,
ob tin größerer Zollschuß nöthig ist. In diesem Sinne hat sich
gerade Herr v. Stauffenberg in München sehr bestimmt dahin aus—
gesprochen, daß wir nicht unseren Nachbarn unsere Thore offen
lassen dürfen, wenn diese die ihrigen vor uns verschließen. Speciell
hat sich Herr v. Stauffenberg für eventuelle Erhöhung der Baum⸗
wollzölle erklärt; daraus geht hervor, daß er kein Doctrinär ist,
sondern ein praklischer Volitiker“
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haben beschlossen, den Congreß trotz des Verbotes abzuhalten. Der⸗
elbe soll am 2. oder 12. September stattfinden.
London, 22. August. „dteuter's Bureau“ meldet aus
donstantinopel: Derwisch Pascha theilte den Einwohnern von Batum
nit, daß die Russen am 27. ds. in die Stadt einziehen würden.
Ddie Behöcde von Batum macht bekannt, daß Schiffe ankommen
vürden, um diejenigen Einwohner wegzuführen, welche nicht in der
Stadt bleiben wollten.
London, 22. August. Auf einem gestern in Liverpool
tattgefundenen Bankeit sprach der Minister des Innern, Croß, die
doffaung aus, daß der nuumehr gesicherte Friede ein dauernder
ein werde und erklärte, es sei jetzt die etste Pflicht der britischen
Regierung, die Staatsausgaben so viel als möglich einzuschränken.
Vermischtes.
fPirmasens, 22. August. In einer gestern Abend
tattgehabten Versammlung hiesiger Industriellen und Gewerbtreiben⸗
den, bei der 40 Firn.en vertreten waren, einigte man sich, die⸗
enigen Arbeiter zu entlassen beziehungsweise n'cht aufzunehmen,
velche socialdemokratischen Bestrebuagen buldigen und durch Mit⸗
liedschaft bei einem bezügl chen Vereine, Leistung von Beiträgen,
daltung von Zeitschriften oder in sonstiger Weise die Zwecke der
Z„olialdemokratie zu fördern suchen. (P. A.)
fKaiserslautern, 22. August. Vorgestern wollie eine
Frau von hier, die mit Kuchenschneiden beschäftigt war und deshalb
»as Messer noch in der Hand hielt, ihrem Kinde, einem bildschönen
Mädchen von 5 Jahren, eine Wespe von dem Gesicht verscheuchen.
Sie hatte aber das Unglück dem Kinde mit dem Messer in das
ine Auge zu stoßen, so daß dieses sofort ausgelaufen ist. Die
Mutter, welche vor Schrecken in Ohnmacht fiel, reiste noch an dem⸗
elben Tage mit dem Kinde in eine Augenheilanslalt. —X
F Neustadt a. S., 19. Auguft. Gestern Nachmitiag
yurde in der Pfarrkirche zu Unsleben ein 121ähriger Negerknabe
zetauft. Ein Klosterbruder brachte diesen echten Schwarzen aus
Afrika mit.
F Aus Marn heim berichtet das Nordpf. Wochenbl.“, daß
in Schwein des Herrn Jak. Kühnling daselbst 21 Stück Junge
ur Welt brachte. Dieselben werden sämmtlich durch die Multer
zesäugt und befinden sich in dem besten Wohisein.
T Aus Frankenthal, 14. August schreibt das „Fr.
Wochbl.“: Die große Wohlthat der Unfallversicherung hat sich
pieder bei dem kürzlich in der hiesigen Zuckerfabrik vorgekonimenen
Unglückzfall gezeigt. Es verlor nämlich der Maurer Joseph Franger
»on Edigheim durch einen unglücklichen Zufall das Leben. Da die
Arbeiter in der genaunten Fabrik gegen Unfall versichert sind, so
rhielt die Wittwe Frauger mit ihrem Kinde von der Unfall⸗Ver⸗
icherungs⸗ Gesellschaft in Le pzig 3000 M. und zwar in Folge
ütlicher Uebereinkunft. Wenn auch diese Summe den Virlust des
vatten und Vaters nicht ersetzt so ist aber die atme Wittwe mit
hrem Kinde vor drückender Lage sicher gestellt.
7 Am 18. bs. fand in Landau der Verbandstag der
fälzischen Gewerbevereine statt. Verireten waren die Gewerbevereine
»on Bergza ern, Frankenthal, Grünstadt, Kaiserslautern, Kirchheim—
»olanden, Landau, Ludwigshafen, Neustadt, Speyer und Zweibrücken.
ldater den besprochenen Gegenständen befand sich auch die sociale
Frage. Der Antrag auf Gründung einer allgemeinen piälzischen
dranken⸗ und Unterftützungskasse für Arbeiter führte zu dem Beschluß, daß
er nächste Delegittentag die von einer zu diesein Zwecke bestelllen
Tommission auszuarbeitenden Satzungen für eine solche Kasse
zrüfen und feststellen soll, was noch im Laufe dieses Jahres geschehen
oll. In diese Commission wucden gewählt Dr. Mdicus, Chr. Jung
uind Weise von Kaiserslautern, Hawerkamp von Ludwigshafen und
Dr. Anecht von Neustadt. Der Verbandstag beschloß, den einzelnen
Hereinen die Heranziehung der Arbeiter zu ihren Vereinsbestrebungen
zu empfehlen, sie zu ihren Vorträgen einzuladen und überhaupt
nit den Arbeiterkreijen Verbindungen anzuknüpfen.
Fridrichsthal, 20. August. Einen schönen Beweis
eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Arbeitgeher und Arbeiter
Ausland.
Wien, 23. August. Die ‚Wiener Zeitung“ versichert, daß
nach den bis zum 16. ds. eingegangenen Eingaben aller Theile
des Otkupationskorps die Verlusste 161 Todie, 676 Verwundete
und 139 Vermißte, sonach der Gesammtverlust 976 Maun betragen.
(Die Verluste bei Serajewo, Doboj und Stolatsch sind dabei na—
lürlich nicht mitgerechnet.)
Paris. 22. August. Die Veranstalter des Arbeitercongresses