Full text: St. Ingberter Anzeiger

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St. Ingberter Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wochentlichj) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhallungsblatt,. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage) erscheint woͤchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonunementspreis beträgt vierteljahrlich 
1 Mark 40 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Auswärts mit 15 Pfs. für die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Neclamen 
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 
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ber 1878. 
M 142. Sonntag, den 
Deutsches Reich. 
Mänchen, 6. Sepibr. EGtaatsrathssitzung.) In der 
gestern unter dem Vorsiße des Prinzen Luitpold ab gehalienen 
Sitzung des Staatarathes gelangten die weiteren Entwürfe der 
Vollzugsgesetze zu den Reichsjustizgesehen (Strafgerichts und Konkurs⸗ 
ordnung) nach einer zweistündigen Berathung zur Erledigung. Der 
Druck verselben ist in wenigen Tagen beendet. — Die Gesetz 
ebungsausschüsse bei den Kammern werden dis Mitte Oktober zu⸗ 
sammentreten. 
Berlin, 8. Sepibr. Zur Wilhelmsspende gehen bei dem 
Tentralausschuß noch immer Listen ein, so daß wohl vor vierzehn 
Tagen an eine deßtitive Aufstellung des Gesammtertrages dieser 
Saͤnmlung nicht wird geschritten werden können. Bei einer vor 
einigen Tagen stattgehabten vorläufigen Feststellung ergab sich, daß 
sich im ganzen Deutschen Reiche über 11,3300,000 Personen, also 
meht als der vierte Theil der Bevölkerung des Deuischen Reiches 
an der Spende betheiligt haben und von diesen über 1,800,000 
Mark gezeichnet worden sindd. 
BerTin, 5. Sepibr. Der „Reichsanzeiger“ meldet; Se. 
Majestät der Kaiser und Koͤnig ernannte den bisherigen Chef der 
Detonomleabihrilung des wuͤrttembergischen Kriegsminsteriums, 
Mand, zum Direltor des Rechnungshofes des Deuischen Reiches. 
Die Nauionalliberale Correspondenz“ schreibt: Die Wahl des 
Hrn. v. Siauffenberg im dritten Braunschweig'schen Wahlkreise ist 
nach den vorliegenden telegrabphischen Meldungen mit glänzender 
Majorität gesichert. Damit ist das hochbedauerliche Wahlresultat 
in München, soweit es wenigstens die Person dieses hervorragenden 
nationalliberalen Parteiführers betrifft, wieder gut gemacht, und dem 
Reichstag ist erne Kraft zurückgegeben, die weit über unsere —X 
hinaus schmerzlich vermißt worden waͤre. Insbesondere bei den be⸗ 
borstehenden Steuerdebatten ist die Mitwirkung dieses Mannes von 
höchsem Werth. Und wenn auch Hert v. Stauffenderg nicht mehr 
wie bisher, als der hervorragendste Reprasentant des nationalge⸗ 
finnsen Süddeutschland im Reichstag erscheint, so wollen wir uns 
doch freuen, daß es die Umflände so gejügt haben, daß ihm 
wenigstens noch nachtcäglich ein Platz in der Reichsveriretung ge⸗ 
holen werden konnte. Das nächste Mal wird hoffentlich auch Rünchen 
seine Ehrenschuld wieder einldsen. 
Die Agitation gegen die SGinführung des 
Tabatmonopols ist noch immer im Steigen begriffen, und 
ez sind in dieser Richtung so viel Eingaben an den Bundesrath 
gelangt, daß derselbe wenigstens über einen Mangel an Kenniniß 
uͤber bie Suͤmaung im Reiche nicht llagen tann. — Mit großer 
Spannung fieht man der Enquôte über die Eisen⸗In⸗ 
duͤstrise intgegen, da von derselben bekanntlich wichtige Be⸗ 
schlüsse über die Eisenzollfrage abhangen. Inzwischen mehren sich 
die Anzeigen dafür, daß man die Eißenzölle, wenn auch in be⸗ 
schränktem Umfauge, wieder einführen wird. Es gilt als feststehend, 
daß innerhalb der preußischen Regierung sich eine derartige Ten⸗ 
denz geltend macht. 
üin, 5. Sepibr. Der Kronprinz des Deuischen Reiches 
traf von Berlin heute Abend in Begleitung des Erbprinzen von 
Meiningen hier ein, wurde am Bahnhof von den Spitzen der 
Fivil- urd Militärbehörden empfangen und fuhr durch die reich 
beflaggten Straßen unter Hochrusen des Publilums zum Gouverne⸗ 
mentsgebäude. Abends 9 Udr findet Beleuchtung des Mün— 
sters stait. 
Straßburg, 3. Septbt. Bei den beborstehenden Herbst⸗ 
manbvern des 15. Armetcorpz wird der Großherzog von Baden 
das erste Mal iu seiner Eigenschaft als General⸗Inspecteur der 5. 
Armee? Inspection zugegen jein. Nach hier eingegangenen Nach-⸗ 
richten wird der Großherzog am 15. ds. Mis. hier eintreffen und 
am Monlag den Pandvern bei Hochfelden beiwohnen; vom Ma—⸗ 
növerfeld lehrt der Großherzog jedesmal hierher zutüd. 
Ausland. 
Paris, 85. Sept. Professor Huber von München, der 
Verfasser der bekannten Geschichte der Jesuiten, welcher seit einigen 
Tagen hier weilt und in den Pariser Gelehrtenkreisen, namentlich in 
der sich um Ernest Renan schaarenden Gruppe eine sehr schmeichel⸗ 
hafte Aufnahme gefunden hat, war gestern vom deutschen Bot⸗ 
chafter, Fürsten Hohenlohe, zur Tafel gezogen. 
London, 6. Sept. Nachrichten aus Blackburn von gestern 
agen: Drei der größten Baumwollspinnereien zeigten an, sie 
vürden in vierzehn Tagen ihre Etablissements schliehen, drei andere 
vürden eine abgekürzte Arbeitszeit einsühren. Den neuesten 
Schätzungen zufolge soll die Zahl der Opfer bei der Kollission auf 
der Themse sich auf 700 Personen belaufen; Taucher sahen Hunderte 
don Leichen inn Wrack liegen. — Das „Bureau Reuter“ meldet 
⁊us Konstantinopel: Der Ministerrath beschloß Griechenland zu 
intworten, die Pforie köune keine Delegirten zu einer Grenzregu⸗ 
irungslommission senden, sondern müsse die Antworten der Groß⸗ 
nächte auf ihr letztes Memorandum abwarten, ehe sie eine Ent⸗ 
cheidung treffen könue. 
Rom, 3. Septbr. Das Leiborgan des Vatikans, der Osser⸗ 
vatore Romano, verrheidigt Bismarck's Sozialisten⸗-Gesetzentwurf. 
— Die „Capitale“ widerspricht dem Diritto, welches behauptete, 
zaß Freiwillige für Bosnien heimlich Ancona verließen. — Gari⸗ 
zaldi verlangt in einem Briefe an das genuesische Blatt „Popolo“ 
stüstuagen gegen Oesterteich. (N. Fr. Pr.) 
Petersbucg, 29. August. Es wird immer besser! Die 
Mörder des Generals Mesenzow hat man noch nicht entdeckt, da⸗ 
ur aber haben heute sämmtliche hiesige Zeitungen eine Zuschrift 
inter Kreuzband erhalten, in welcher im Namen des „Centralen 
Kevolutionscomitos“ mitgetheilt wird, daß General Mesenzow nicht 
zurch Mörderhand gefallen, sondern in Folge eines Urtheilsspruches 
des revolutionäcen Comiloͤs, daß der Syruch nicht anders als auf 
Tod habe lauten können. Man werde auf dem einmal betretenen 
Wege nicht stehen bleiben, sondern vorwärtsschreiten, das heißt 
‚auf dem Wege des Lichtes und der Erkenntniß“. Geschrieben war 
zie Adrefse des merlwürdigen Actenstüches ursprünglich von Damen⸗ 
jand, danach aber typographirt. Die Post hat die unter Kreuz⸗ 
»and abgesendeten Paquete arglos befördert; man war nicht 
zarauf gefaßt, daß in der Haupistadt des russischen Reiches mit all 
einer Geheimpolizei ein ähnlicher Bund existiren tiönne. Das 
zevoluonäte Comité stellt der Gesellschaft und der bestehenden 
Staausgewalt folgende Alternative: Entweder Einführung einer 
Betfaffung, Abschaffung der geheimen Polizei, Begnadigung aller 
Tompromittirten u. s. w. oder Raztia mit Dolch, Gift und Re⸗ 
zolver unter den Gegnern des sich auf so kühne Weise präsentiren⸗ 
den Comitoss. Das Comit fügt hinzu, daß bei den ihm zu Ge⸗ 
hote stehenden ganz außerordentlichen Mitteln es ihm nicht schwer 
verden würde, selbst mit offener Gewalt zum Ziele zu gelangen. 
Die Geheimpolizei ist aus den Wolken gefallen über eine soiche 
Unverjchämtheit polinscher Morder, die, anstatt sich in's Dunkel 
der Nacht zu verkriechen, Kreuzbandsendungen an alle Journale 
der Haupistadt richten; die deutschen Journale erhielten die Zu⸗ 
chrift in deuischer Sprache. 
Der Sultan von Marolko liegt im Sterben. Den näheren 
Mittheilungen aus Tanger ist zu entnehmen, daß die Vergistung 
das Werk mehrerer Großen des Reiches gewesen, welche den ihnen 
einer liberalen Anschauungen und Bestrebungen wegen verhaßten 
Zerrscher aus dem Wege zu räumen hofften. Als der Sultan 
üngst in dem nahe bei seiner zweiten Haupistadt Marolko zusam⸗ 
mengezogenen Lager campirte, ward ihm eines Abends das mar⸗k⸗ 
lanische Nationalgericht Kuskus“, mit Arsenik vermengt, gereicht, 
pon welchem er auch reichlich aß— 
New⸗Orleans, 4. Sepibr. Nach den letzten Berichten 
st noch keine Abnahme der Epidemie zu bemerken. Depeschen aus 
Memphis und Holysprings bestätigen die dortige schreckenerregende 
Situalion. Aus allen Städten laufen Gesuche um Hilielei⸗ 
dung ein⸗ 
New⸗Orleans, 8. Sepibr. Gestern starben hier 72 
uind in Vicsburg 20 Perfonen. In Granada dauert das gelbe 
Fieber ununterbrochen heftig fort. Die Hulisvereine erlassen Auf⸗ 
»ufe an die allgemeine Mildthätigleit.