Full text: St. Ingberter Anzeiger

vortel dara f; Den Italienern ist die Freundschaft Frunkreichs 
villlommer., sobald dacselbe sagt: Die Freunde unserer Fteunde 
sind aud, unsere Freunde. Aber eine gemeinsame Feindjchaft ist 
ine schelechie Basis für die Feeundschaft. Italien sei der Freund 
—B Die Szene auf dem Balkon deß Quirinals, als 
der deutsche Kronprinz den kleinen italienischen Prinzen an das 
Herz gedruckt und geküßt habe, beweise dies wohl. Hätte aber 
Marschall Cantobert denselben glüchlichen Gedauken gehabt, so 
würde das italienische Vold gewiß ebenso enthusiastisch gejubell haben. 
Unglaublich sei es, daß Frankreich nun Anstoß nehme an der Freude, 
Peiche die Italiener dei dem Anblick ergriffen hätte, als der präch⸗ 
zige deutsche Soldat den Königsknaben umarmte und küßte. Wenn 
zs dennoch in Frankreich Unwillen errege, so beweise dies nur, 
daß die Feinde Frankreichs und die Feinde Italiens nicht dieselben 
ind.“ So der „Fanfulla“. Das Haupiblatt der Jesuiten, die 
Voce della Nerita“ schäumt daçcegen dor Gift über. Sie sagt: 
Der deuische Kronprinz sei gerad zu straftar, denn die deutschen 
Werichte bestrafen geraubie Küsse und der Kuß sei dem Königs⸗ 
fnaben aufgezwungen worden, er sei ein Judaskuß, ein verräthe⸗ 
rijcher Quß wie derjenige der Longobardenlönitgin Theolinde u. s. w... 
Die Wuth des kierikalen Hauptorgans „Voce“ und die Anerken 
qung des einflußreichen franzosenfreundlichen, Fanfulla“ sind wohl 
ver beste B.weis von der Bedeutsamkeit der historischen Baltonszene. 
Nach allen hier vorliegenden Meldungen kann selbst von einem 1tw⸗ 
higen und kühlen Beobachter wohl gesagt werden, daß ganz Jialien 
hbegeistert ift von dem deutschen Kronprinzen. Heut hubdlieirt die 
„Gazetta ufficialer auch ein Beileidsschreiben det Oberbürger⸗ 
meisters von Berlin. — Der Papsft befahl 1000 stille Seelenmefsen 
füt Viltor Emanuel zu lesen. Rach einer Meldung der radikalen 
Capitale“ hätte Garibaldi dem König Humbert eine telegraphische 
Gtalulation übersandt mit dem Rathe, das jetzige Ministerium zu 
zutlassen, da dasselbe das öffentliche Vertrauen verloren habe. — 
Die Konigin Vittoria hat dem König Humbert den Hosenbandorden 
Aberteichen laffn. 
NRom, 283. Januar, 5 Uhr 28 Minuten Nachmiltags. Die 
Liberta“ wieldet: Der italienische Ministerrath beschloß, daß ein 
talienisches Geschwader von Neapel aus sofort in See stechen solle. 
Bice⸗Admiral Buglione ist zum Kommandeur ernannt. Kohlen und 
Proviant werden in Tarent eingenommen. Die Fahrt geht nach 
dem Orient. 
—Konsftantinopel, 22. Jan. Die Ruffen haben den 
grlechischen Erzbischof zum Gouverneut von Adrianopel ernannt und 
Fassa Effendi die Civilverwaltung überktragen. — Suleiman Pascha 
wurde angewiesen, die Lin'e von Bulair zu vertheidigen. Es 
wurden Vorkehrungen getroffen, die Truppen Suleiman's dorthin 
ju transportiren. — Die Gerüchte von einem zweimonallichen 
Waffenstilistand und dem Anrücen der Ruassen gegen Gallipoli 
haben noch keine offizielle Bestätigung gefunden. — Aus Wan 
vird vom 18. Januar gemeldet, daß die Russen in Korongt bei 
Musch angekommen sind. 
Konftantinopel, 23. Jan. Zur Unterstützung der 
Flüũchtlinge hat sich eine aus den Confuln und angesehenen Euro⸗ 
päern bestehende indernationale Commission gebildet. Es heißt, 
der Gouverneur von Gallipoli habe diese Stadt verlassen. 
Diie Piorte will wissen, daß die Russen von Adrianopel läng 
stens am 25. oder 26. d. Gallipoli erreichen werden. In diplo⸗ 
malischen Kreifen hält man diese Nachricht für verftüht. 
petersburg, 23. Jan. Die „Agence Russe“ nimmt 
et von den Zeitungstelegrammen aus Wien, welche sagen, daß 
Desterreich vollig beruhigt sei über die Wahrung se ner Interessen 
Jeim Friedensschlusse. Sie meint, daß diese begründete Anschauung 
Desterreichs nicht ohne Einfluß sei auf die in London eingetretene 
Besserung der Situation. J 
Perersburg, 28. Jaa. Das „Journal de St. Peiers⸗ 
zourg“ sagt: Schon seit der ersten selegraphischen Nachricht von 
dem Wunsch der Pforte nach Verhandlungen haben wit dor einem 
aͤbertriebenen Friedensoptimismus gewarnt, weil uns die Aufrich⸗ 
zigkeit des Verlangens nach Frieden nicht hinreichend nachgewiesen 
erjchien. Die englischen Blaubuchdocumente bestätigten unsere Auf⸗ 
jassung, daß die Iniative der Pforte durch Lord Derby eingegehen 
war, nicht um den Kriegführenden ein Feld der Annäherung zu 
dieten, sondern um England von Anfang an die Einmischung in 
die Verhandlungen zu gestalten. Dieses diplomalische Mandder 
Ihne Präcedenz verdient allen Friedensfreunden signalisirt zu 
werden. Das Journal führt darauf ausführlich aus, der Waffen⸗ 
nillstand lönne nur nach Verständigung über die Friedensprälimi⸗ 
narien ersolgen und sagt dann: Fuun eilläte das Londoner Ka— 
binet, nur einen mit Betheiligung Europat verhandelten Frieden 
julassen zu wollen; hieraus folge, daß selbst bei Unterschrif der 
Hforie die Friedenspräliminarien werthlos selen, da die Zustimmung 
zer Pfotte underbindlich, weil Europa sie nichtig machen lönne. 
Diefe Situation werde noch verschärft durch die Etklärung der 
englischen Reglerung, erst Rußlands Bedingungen abwarten zu 
wollen und dann eive Geldbewilligung vom Varlameme zu ver⸗ 
iangen.“ Der Artilel schließt: So würde, wenn der gegenwärtig 
Versuch scheitern follte, wiederunn Englands Haltung den Waffen 
stillstand und den Frieden unmöglich machen und din Orient in 
verhängnißzvolle Gefahren stürzen. Uns liegt det Gedanle fern. 
daß London dieses wünsche. Aber jedem Aufrichtigen und Unpar⸗ 
leüsschen wird die unanfechtbare Logik unserer Ausführung ein⸗ 
lexchten. Europa möge uriheilen und es ist nöhhig, daß vor dem 
zffentlichen Gewissen und vor dem Tribunal der Geschichte Jeder 
die ihm gebührende Verantwortung trage. 
Vermischtes. 
7 Kaiserslautern, 23. Jan. Ir der geftrigen Sitzung 
des lul. Zachipolizeigerichts erh'elt Philiph Heit, 29 Jahr alt, 
detzrer in Oberweiler im Thal, wegen fährsaßsiger Tödinng des 
puedad e Grub U. von Oberroeiler im Thab am 11. Nodem⸗ 
ber 1 in seiner Wehnunoe XRV ⸗ 
a —— im Schulhaufe mittelst eines Revol 
Sudwigstzafen. Der oberste Gerichtshof in München 
hat eutschieden, dang Ne Liles halt nde Gefäße Cogen. dadische 
Zchoppen) in Scheukwirthschaften felbsi dann nicht zulässig sind, 
penn sie Zu ha Lier geeicht sind und daß bei Zuwiderhandiungen 
369 Ziff. Z des Neichsfirafgesezbuchez in Anwendung zu lommen 
nàat; auch d'e sogen. Schimmel (9)a Liter), die zu *An Liter geeicht 
ind, dürfen nicht benutzt werden. Die Verificaloren find von der 
zuständigen Behörde angewiesen, künftighin die Eichung der As 
und Je Litergefäße zu derweigern. 
f Asselheim, 21. Jan. In der Popierfabrik der 
herren H. Orb u- Komp. auf der Pfortmühle ersfabte heute früh 
ꝛine Betrieb befindliche Maschine den Arbeiter Johann Szmitt so 
anglücllich am Arm, dvß ihm derstelbe ausgerissen wurde. Der Be⸗ 
roffjene hat eine Frau und 3 unerzogene Kinder, die er von 
einem Verdienst eenährte. 
7In Unruhstad! bei Grünburg ist die Trichinose in 
Roßem Umsfang aufgelreter. Es sind berei z viet Perfonen der 
tranlheit erlegen. Das trichindse Schwein war in eiuer Brauerei 
zeschlachtet und ununtersucht geblieben, weil der Orauer, der selbss 
in Opfer der Trichinose geworden isß, an den „Humbug der 
Trichinen“? nicht glaubte. 
7 Aus werschiedenen Gegenden Baͤyerns, Württembergs und 
Badens kommen Nachrichten von Hochwasserfluihen in Folge der 
Regengüsse in vergangener Woche und der dadurch herbeigeführten 
Schmeeschmelie. Die Wasser der Pegnitz, Altmühl, Schwarzach, 
Rezat, der Jaxt, Tauber, des Rickar und anderer Fluͤsse sind be— 
deutend angeschwollen und zum Theil die Ufergelände verheerend, 
aus ihrem Betie gekreten. Den neuesten Nachrichten zusolge wird 
jedoch fast überall ein Fallen des Wassers beobachte. 
7Saarbrücken, 22. Jan. Ins Justizurresthaus hier 
vurden gestern Adend 6 junge Burschen, Hüttenarbeitet aus Neun⸗ 
lirchen, eingelicfert, welche nächtlicher Weile einen dottigen jüdischen 
Handelsmann auf offener Straße angefallen und demselben mit ins 
Sadtuch gebundenen Steinen nicht weniger als 7 Kopfwunden bei⸗ 
zebracht haben sollen. Der ruhig seines Weges zehende Mißhan⸗ 
zelte hatte die trunkenen Burschen in keiner Weise Provozirt, und 
schennt lediglich Rohheit und Rauflust Ursache des Neberfalls ge— 
wesen zu sein. (S. 3.) 
Dortmund. Die „Union“, Altiengesellschaft fur Berg 
hau, Euen⸗ und Stahl ˖ Industrie (Dortmunder Union), hat in der 
Submijsion auf eiserne Docks füe den Hafen bei Amsterdam die 
J niedrigsten Preise gefordert und ist in Foige dessen von der dollän⸗ 
dischen Regierung mit der Ausfuhrung der Arbeit beauftragt, die 
is zum November d. J. vollendet sein mutß. Das Obpelt deträg 
3 Millionen Kilo. Es werden daher die Hochöfen, die Walzwerke 
und die Brückeubau Etabl ssements der Gesellichaft in erböhte Thälig⸗ 
keit versetzt werden. U 
Die Koln. Zig. sihreibt: Im deuischen Reiche vestehen 
jezt 5965 organisirte Feutrwehren, dabvon treffen auf das Fdatg⸗ 
reich Preußen mit 25 Million en Einwohnern nur etwa 600, während 
Boyern bei nuc 5 Millionen Einwohnern 3324 organisirte frei⸗ 
willige Feuerwehren desitzt, Wurttemberg zählt 572 und Baden 
273 orgauisirte Feuerwehren. Im Verhältniß zu Eayern müßte 
Preußen 16,000 statt 600 Feuerwehren haden. Woher kommt es 
nun, daß der Norden so weit hinter dem Suden zurückgeblieben ist? 
7In Steiermark wurden am 17. ds. vierzehn Per⸗ 
sonen, die von einem Leichenbegängniß heimlehrlten, in der Nähe 
ihrer Wohnungen von einer Schneelawine verschüttet. Einer von 
der Gesellschaft wurde auf meckwürdige Weise durch den Luf!druck 
weggeschleudert; dieser grub einen Knaben, dessen Hand aus dem 
Schnee herausragte, lebend aus und drachte dann die Hiobspost 
in's Ort. Bis zum Abend des 18. hatte man erst zwei der Ber⸗ 
ichütteten lodt aus der Schneemasse berausgeacbeitet, welche secht 
—XXX 
7 Erdlich ist der vielbesprochene Obelial, „die Nadel der 
sleopatra“, in der englischen Hauptstadt angefommen. Belanntlich 
ist dieser Obelist ein Geschenk Ali Paschas don Aeghpten an di—