Slt. Ingber ler Anzeiger.
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M 168. * Dienstag den 18. Ok tober 1878.
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Deutsches Reich.
Berlin, 11. Oti. Neueren Bestimmungen zufolge würde
der Kaiser bis gegen Eude des Monais in Baden⸗Vaden bleiben
und dann direlt zurückkehren.
Das Sozialistengesetz beschäfligt in hohem Maße die Aufmeik⸗
samkeit des Auslandes. Nach Paris und London übermitteit der
Telegraph allabendlich ausführliche Referate übet die Debatten im
RNeichstage. Wir sind heute schon in der Lage, emige auf die
Vorlage bezügliche Aeußerungen der ausländischen Preffe anzuführen.
Das Journal des Debats sagt:
.Das Gesetz ist ein drakonisches, aber zur Rechtfertigung der
Gesetzgeber muß gesagt werden, daß die ungeheure Mehrheit des
Landes Ausnahmemaßregeln gegen eine Partei verlangt, die fich
außerhalb des Gefeges gestellt hat, indem sie den Klassenkrieg erklärt
und verkündet, daß sie vor keinem Mittel zurüchschrecke, um die de⸗
dehende Sozialordnung umzustürzen.“
Und die „Londoner Times“ saßt ihr Urtheil in einem Leitariikel
in die Worte zusammen:
„Die große Mehrheit des deuischen Bolkes hält ganz unzweifel⸗
daft die Sozialdemokratie für eine schwere Gefahr für die friedliche
Entwickelung der Nation und es muß der Regierung die Möglichkeit
Jegeben werden, gegen diesen Auswuchs einzuschraten, felbst auf
die Gefahr hin, der allgemeinen Freiheit dadurch zu nahe zu
reten.“
So das Urtheil der beiden großen franzdssischen und englischen
Blätter, welches auf den ersten Blick überaus befremdend wirkben
muß. In der Voraussetzung dis ersten Satzes haben sie allerdings
Recht. Die ungeheure Mehrheit des Volkes erblicht in dem Anwachfen
der Sozialdemokratie eine schwere Gefahr für den Staat. Wenn
aber sodann die Annahme von Aus ahmegesetzen gutgeheißen wird,
jo geschieht es in der weiteren Voraussetzung, daß in Deutschland
ꝛbenso wie in Frankreich und England die Regierung eben nur in
so weit diese Gesetze anwenden bönne, als die Vollsbertretuag sie
angewendet wissen will. Die französische Regierung des 16. Mai
hat nach sehr kurzem Vesinnen es vorgezogen, sich wieder in Raßport
mit der Mojorität des Volkes zu seßen und daß die englische
Regierung auch nicht um eines Fingers Breite von sirikt parlamen⸗
zatischer Regierung abweichen würde, bedarf nicht erst der Erwähnung.
Wenn die englische Regierung bei der Vorlage eines solchen Aus⸗
nahmegesetzes, wie es bei uns geschehen ist, dem Parlamente ganz
unverblümt zu verstehen geben würde, daß damit eigentlich nur der
Anfang gemacht werden solle für weitere Beschränkuugen der Preß
ireiheit, der Freizügigkeit u. s. w., so würde das Cim-Blatt nicht
einen Augenblick anstehen, entschiedenen Widerspruch dagegen zu
erheben. Und wir sind überzeuct, daß der Widerstand gegen das
Ausnahmegesetz dei der großen Masse des Volkes weit weniger aus⸗
geprägt sein würde, wenn man sich auch bei uns der festen Ueber⸗
eugung hingeben lönnte, daß es nur zu dem bdewilligten Zwecke
mgewendet werden würde.
Berlin. 12. Ott. Reichslag. Die zweite Berathung des
Sozialistengesetzes wird fortgesetzt. Being 5 fpricht v. Stauffen⸗
jerg gegen das Amendement Vrüel (Schut der Wahlvbersammlungen),
welde übrigens den Zwed verfehlen würde, und für den Kom—
missionzbeschluß, da Wablversammlungen nach den bestehenden
Landeswahlgesetzen und den Reichstagswohlgesetzen ohnehin gefchühl
eien. Reinders (Soz.) ist gegen den Paragraphen und äußett
m Verlause seiner Aussührungen, daß er (egenöber der Behaup⸗
ung v. Kleist Rezow's, die Sozialdemokraten bereiten in den Ver⸗
ammlungen Hochverrath vor, seinerseits alle die, welche für das
wotliegende Geseß stimmen, als Landesverräther dezeichnen müsse.
Großer Larm. Rufe: zur Ordvung!) Der Präsidem eriheilt
en Oidnungsruf. Der Redner ersucht evenzuell um die Aunahme
)es Amendements Brüel. Biüel triit für sein Amendement lin.
Der Minister Culenburg erllärt dasselbe für unannehmbar. Die
detheiligung an den politischen Wahlen fei den So, ialdemokralen
nicht Selbstzwick, sondern nur Mittel zum Zweck behuss Verfol⸗
zang ihrer bdesondeten Theorleen und Tendenzen. Hieran müßten
e überall und unter allen Umsländen verhindert werden. Die Be—
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schraͤnkung der Wahlversammlungen solle übrigens nur unter den
in 8 5 bezeichneten Bedinguugen erfolgen. Hanel beantragt ein
Inter · Umendement, wonach das Brüel'sche Amendement ĩautecn
vurde: „Auf Versammlungen zum Betriebe von den Reichstag
»der die Landesvertretung belreffenden Wahlangelegenheiten nach
ausgeschriebener Wahl finden die bisherigen reichs und landesgesetz⸗
ichen Bestimmungen unverändert Anwendung.“ Der Hanel'sche
Anterantrag wird in namentlicher Abstimmung mit 200 gegen 167
Stimmen und das Amendement Brüel gleichfalls abgelehnt. Der
35 wird nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen, ebenso der
3 5da. — 8 6 Werbot von Druchschriften) wird von Hertling be⸗
ampft. Derfolbe verbreitet sich über die verderblichen Wirkungen
des atheistisch revolutionär⸗sleptischen Geistes, der nicht nur in der
ozialdemotratischen, sondern auch in der liberalen Presse hervor⸗
rete, will aber den Verwaltungsbehörden nicht noch weitere Re—⸗
zressipbefugnisse einräumen. Bamberger wendet sich gegen die
Haltung des Zentrums dem Gesetz gegenüder und verweißt auf die
Wahlbündnisse desselben mit den Sozialdemokraten. Eine zeitweise
tinschräntung der Preßfreiheit halte auch er für bedauerlich, aber
othwendig. — Um 4 Uhr vertagt sich das Haus auf Montag
10 Uhr. — Für den Antrag Hänel zu F8 des Sozialistenge⸗
etzes stimmten das Zentrum, der Forischrin, die Elsaßer (mit Aus⸗
iahme von North und Rach, 14 Rationalliberale. darunter Braun,
Bamherger, Lasler und v. Stauffenberg, ferner Berger Gruppe
köwe) und Bühler (Reichsparteiß
Das Berliner Tageblati hört, daß in Folge des Schreibens
»es Papstes Les XIII. an den Kardinal⸗Staatssekretär Nina d
Reichskanzler Fürst Bismarck in den letzten Tagen an Letzteren *
Schreiben gerichtet habe. In demselben bitle er Ramens des
da sers den Staatsselretär, dem Pahpste für die verbündlichen und
vohlwollenden Worte zu danken, welcher derselbe an den Kaiser und
die deutsche Nation gerichtet habe. Fürst Biswmark soll in dem
Schreiben seiner festen Ueberzeugung Ausdruck gegeben haben, daß
ie Verhandlungen zwischen dem Papste und der preußischen Regierung
n lurzer Zeit von dem glücklichsten und dauerhaftesten Erfolge ge⸗
rünt sein würden.
Ausland.
Wien. Die Minister Andrassy, Tisza und Wenkheim wur—
den am 11. ds. vom Kaiser in einer drei Stunden dauernden
Audienz empfangen. Am Moniag dürfte Tisza provisorisch das
zinanzministerium und Wenlheim daß deß Innern übernehmen.
Wien, 12. Ott. (Offiiell) General Reinländer besetzte
im 10. d. M., ohne Widersiand ju sinden, Vernograc und beab⸗
ichtigte, am 11. d. gegen Buzin zu tüden, dessen Unterwerfung
von einer Deputation bereits ausgesprochen wurde. Zahlreiche dver⸗
vundete Insurgenten aus dem Gefechte vom 6. d, sind zwischen
Peci und Vernograc aufgesunden worden. Die Feste stladus ist
noch von Insurgenden desetzt und wird durch das erste Jägerba⸗
aillon zernirt.
Loudon, 11. Ott. Reuters Bureau“ meldet: Bombay
10. Ott. Es verlautet, Genetal Haines werde den Oberdefehl
iber 35,000 Mann in Peschawer übernehmen. Der Ausbruch
er Feindseligleiten wird fur unvermeidlich gehalten. Alimusdsehid
oll mit schwereren Geschützen befestigt sein, als man geglaubt.
vrhebliche Verstaͤrkungen werden nach Peschatder geschickt. — Der
„Standard“ meldet aus Kallutta: Die Peschawer abtheilung hat
)em Vernehmen nach Ordre erhalten, Mimusdschid underzüglich
inzugreifen. Eine Abtheilung Infanterie und eine Gebirgsbatterie
ind in den Paß eingerüdi.
London, 13. Ott. Der zweite anti⸗socialistische Arbeiter⸗
ongreß wurde heute hier erüffnet; er ist zahlreich besucht und
vählte den Dr. Max Hirsch (Berlin) zum Prafidenten. In der
jeutigen ersten Haupwersammlung versuchten Sozialdemokraten, die
Berhandlungen durch Lärmen und Zischen zu stören, wurden aber
—XD