Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberter Anzeiger. 
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1878. 
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Deutsches Reich. 
München, 18. Nov. Die Einberufung des bayerischen 
Landtages wird doraussichtlich an 7. Januar k. I⸗. erfolgen und 
alls nicht der Reichstag eine längere Unterbrechung nothwendig 
nacht, über zwei Monate in Anfpruch nehmen. Außer den Ein— 
ũhrungsgesetzen zur Justizorgarisation werden auch die Gesetzent⸗ 
würfe über die Disc plin der Staatsbeamten, über das Gebühren⸗ 
wesen und die Erdschaftssteuer zur Berashung gelangen, ferner das 
jeue Eisenbahngesetz, sowie das Eirführungs gesetz, betreffend den 
bersten Verwaltunngsgerichtöͤhof. Wegen der Sieuerreform herrscht 
m Finanzministerium eine große Rührigkeit, um Mittel ued Wege 
u finden, die Finanzlage des Landes in eine bestimmte, regelrechte 
Foem zu bringen. J 
Uus Bamberg geht der „Allg. Ztg.“ die Nachticht zu, 
zie Angabe, daß Se. Maj. der König von Bayern durch den Erz⸗ 
ischof von Bomderg einen Dankbrief des Papftes wegen der Wie⸗ 
yerbesctzung der drei erledigten dayerischen Bischofssitze erhalten habe, 
ei guaͤnzlich unbegründei. 
Berlin, 15. Nob. Rach einem Erkenntnisse des Oder⸗ 
ribunals findet eine Bestrafung auf Grund des Reichs Impfgsetzes 
om 8. Apri 1874 wegen Unterlassumg des in älteren Landesge⸗ 
etzen ersorderten Nachweises der Impfung nicht Stait. Der oberste 
Betichtshof führt dabei aus, daß das Reichs⸗Impfgesitz nicht die 
Bestimmungen der einzelnen Landesgesetze über den Impizwang auf 
)J.8 Gediet des Reichs ausgedehnt, sondern die in ihm behandelte 
Matetie selbständig geregelt und ohne sonst auf die Landesgefetze 
Bezug zu nehmen, nur verordnet, daß die in den Einzelstaaten be⸗ 
tdehenden Anordnungen über Zwangs mpfungen bei dem Ausbruch 
iner PockenEpidemie nicht berührt werden. 
Berlhin, 18. Nov. Der ‚„Reichsanzeiger“ schreibt: Fran⸗ 
oͤsische Blätter bringen die Nachricht, daß die deutsche Regierung 
pon den Samoa⸗Inseln (Schifferinseln) Besitz zenommen habe und 
dieselben zu einer deutschen Colonie zu machen gedenke. Daß 
Deutschland die Erwerbung oder Gründung transatlautischer Colo⸗ 
nieen nicht beabsichtige, ist wiederholt in authentischer Form erklärt 
worden. Betreffs der Samoa-Angelegenheit hat die „Norbd. Allg. 
Zig.“ vom 10. November eine eingehende Darlegung des Sachver⸗ 
jalts gebracht, woraus sich ergibt, daß die deutsche Regierung in 
den Südseeinseln keinen anderen Zweckh im Auge hatte, als die 
zertragsmäßig festgestelllen Rechte der Reichsangehörigen, welche sich 
auf Samoa angesiedelt haben, und die friedliche Entwickelung deß 
deutschen Handels zu schützen. Die gegenwärtige Krisis auf den 
Samoa⸗eInseln wird ihre natürliche Loösung dadurch finden, daß 
die Landesregierung sich entschließt, mit den betheiligten Staalen 
einen Vertrag abzuschließen, welcher denselben die Deutschland be⸗ 
ceils zugesagte Stellung der meistbegünstigten Nation einräumt und 
derbütgt.“ 
Berlin, 19. Nov. Der preuß. Landtag ist heute eroͤffnet 
vworden. — (Abgeordnetenhaus.) Präsident v. Vennigsen eroͤffnet 
die Sitzung mit solgender Ansprache: In dem Augendlicke, wo der 
dandtag sich versammelt, erreicht uns die Nachricht von einem zum 
GSlück ohne ernstlichen Ersolg geblebenen mörderischen Angriff auf 
sen Herscher eines befreundelen Landes. Dies Veibrechen rust mit 
xneuter Lebhaftigkeit die Erinnerung und den Gedanken wach an 
die Schreckensstage dieses Frühlings, an die Gefahren, in weichen 
das Leben unseres Kaisers und Königs zweimal geschwebt, an die 
Besühle der Tankbarkeit sür die Erhaitung des Lebens Sr. Ma— 
estät, aber zu ich die schmerzliche Trauer darüber, daß bis heute 
die Folgen des zweiten Attentats den König verhindert haben, die 
Regierung selbdst zu führen. Die ernsten und gefahrdrohenden Zu⸗ 
daͤnde der heutigen Zeit drängen. mit verdoppeiller Kraft die Ver—⸗ 
reler des preuß yen Volkes, sich in Treue zu schaaren um die Mo— 
narchie als die feste Grundlage unserer gesammten Staats- und 
hechtsordnung, um den König und die Dynastie. Stimmen Sie 
»eßhalb bei dem Beginne unserer Geschäfte leohaft mit ein in den 
tuj: Se. Maj. der Kaiset und König Wilhelm lebe hoch! Das 
daus stimmie dreimal begeistert ein. 
Stuttgart, 19. Nov. Heule wurden die Kammern 
wieder eröffnet. In der Abgeordnetenkammer sagte der Präsident 
dölder, daß der Etatsabschluß, der den Hauptgegenstand der Be— 
cathung bilde, vicht die befriedigenden Zeffern früherer Jahre auf— 
veise, daß darin aber eine dringende Mahnung an die Volksver— 
retung liege, in patriotischem Zusammenwirken mit der Regierung 
die Minel und Wege aufzusuchen, um der heutigen Lage gerecht 
zu werden. 
Mannheim. Auf Grund des Soc'alistengesezes wurde 
die Mituliedschaft der sockalistischen Arbeiterpartei, sowie der hier 
destehende Arbeiter-Sängerbund verboten. (M. A.) 
Ausland. 
London, 19. Novb. Nach einer Meldung der „Times“ 
aus Konstontinopel vom 18. d. erfolgte die Ernennung Karalheodori 
Paschas zum Generalgouverneur von Kreta in Foige eines Ab⸗ 
ommes zwischen Mouithar Poscha und den kretenfischen Abgeord⸗ 
jeten, welche die Ernennung eines Christen zum Gouverneur ver⸗ 
angten. 
VLonbdon, 19. Nov. Fine Privaldepesche aus Lima meldet: 
Pardo, Prasident des Senats von Peru und ehemaliger Präsident 
der Republik Peru ist ermordet worden. 
Rom, 19. Nov. Der Popst schritb in Folge des Aitentats 
olgenden Brief an den König Humbert: Rachden ich die Nachricht 
son dem verdammenswerthen Attentate erhalten, übersende ich den 
lusdruct meines Beileids und beglüdwünsche gleichzeitig Ew. Ma— 
estät zur Retiung aus schwerer Gefahr. Ich erflehe von Golt die 
desundheit Ew. Majestät. Leo. — Der König antworlete einer 
Barlauients- Deputation: „Der Mensch ist wahnfinnig: reden wir 
ucht von dem Borfall, der unsere Ruhe nicht fören kann.“ 
Florenz, 19. Nord. Während geflern Abend auf dem 
Zignoria⸗Plotze eine patriotische Kundgebung füc den Koͤnig statt⸗ 
and, Platzte mitten unter der Volksmenge eine Orsini⸗s Bombe, wo⸗ 
»urch 2 Personen getödtet und mehrere andere verwundet wurden. 
Trotz der Erbitterung der Bevölkerung über diese Schandthal nahm 
zie patriotische Kundgebung ruhigen Fortgang. 
Neapel, 19. Nov. Der Koͤnig hat gestern Abend eine 
Deputation des Parlaments empfangen und derselben seine Befrie⸗ 
igung über die Beweise der Zuneigung der Bevölkerung gegen ihn 
und sein Haus ausgedrückt. — Vor dem Palast drängte fich den 
janzen Tag eine große Volksmenge unter patriotischen Kundgeb⸗ 
ingen. Ebenso fanden in Palermo wähtend des ganzen Tags 
»attiotische Demonstrationen mit Hochrufen auf den König und den 
kufen: „Tod den AUitentälern! Nieder mit den Socialiften!“ 
jatt. Dos Befinden dis Koͤnigs ist sehr befr'edigend. Die Wunde 
Tairoli's ist 4 em lang. Man höofft, derselbe werde morgen das 
Bett verlassen können. — Bei dem Einzug hatte sich der Koͤnig die 
Begleitung von Polizeiagenten ausdrücklich verbeten. — Der Ätten⸗ 
ater hat gestern und heute mehrere Verhöte bestanden und ange⸗ 
jeben, er hasse nicht den König Humbert besonders, sondern die 
önige überhaupt; et habe sich viel mit Journallesen beschäfrigt. 
Dder Mann hat eine Wunde und eine Conusion. Sein Teflament 
wurde in Vieste beschlagnahmt. 
Neapel, 19. Nov. Unter den anläßlich der Untersuchung 
gegen Passamente y'er verhafteten Personen ist auch ein Redacteur 
des Journals „Censor“, Namens Matteo Melitto, welchet schon 
1870 mit Passamente in Salerno wegen Verbreitung rebolutionarer 
Plakate verhastet war. Der Kaufmann, bei dem Passamente das 
Mordmesset kaufte, ist ermittelt; derselbe besaß noch ein zweites 
ibhnliches Messer. 
Vermischtes. 
fBZweibrücken. Die 75jährige Rentnerin Philippine 
Wolfangel, welche im Zweibrücker Hof wohnte, wurde am Sonntag 
Morgen todt in ihrem Zimmer gefunden: ihr Koͤrpet war mit 
Brandwunden bedeckt, ihre Kleidung zum Theil verkohlt. 
—Bei einem Leichenbegängniß am Sonntag Nachmittag fiel 
der 45jährige Schneider und Musiker J. G. Gebhardt, von einem 
HDerzschlag getroffen, zu Voden und war nach ein Paar Minuten 
eine Leiche. 13. 3