St. Ingberler Anzeiger.
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M I198. ESonutag, den 18. Dezember
187
Deutsches Reich.
München, 18. Dez. Der Gesetzgebungsausschuß der
Zammer der Abgeordneten hat in gestriger Sitzung, welcher die
Minister Dr. v. Fäustle und v. Riedel, dann die Regierungskom⸗
missäre des Justiz · und Finanzministetiums beiwohnten, die 2. Le⸗
fung des Gesetzentwurfes zur Ausführung der Reichszivilprozeßotd⸗
zung und Konkursordnung beendet. Unter den beschlossenen Ab⸗
jnderungen betrifft eine auch den Art. 42, welcher nunmehr lauten
soll: „Das Anfechtungsrecht (von Rechtshandlungen des Schuldners
außerhalb des Conkurses) verjährt in drei Jahren von dem Zeit⸗
puntt an, in welchem für den Gläubiger durch eine von ihm be—
wirlte Zwangsvollstreckung ermit'elt ist, daß er aus dem Vermögen
dez Schuldners Befriedigung nicht erlangen kann.“ — Heute tritt
zer Ausschuß in die 2. Lesung des Gesetzentwurfes zur Ausführung
der Reichsstrafprozehßordnung. — Der Abg. Hauck hat sein Referat
über den Entwurf eines Ausführungegesetzes zum Reichsgerichtsver⸗
fassungsgesetze abgegeben. Dasselbe wurde geftern autographirt und
wird heute vertheilt.
Berlin, 12. Dez. Der Compromiß zwischen den deut⸗
schen und österreichischen Commissarien dist zu Stande gekommen.
Ein Meistbegünstigungsvertrag wird auf ein Jahr abgeschlossen. Der
Vertrag kommt wahrscheinlich heute zu Stande. Oesterreich hat Con⸗
zessionen in Betreff der Rohleineneinfuhr erhalten.
Aussand.
Wiären, 12. Dez. Meldung der „Polit. Corr.“ aus Kon⸗
tantinopel. Man bestärigt die Angabe über eine bedenklich wach⸗
sende; Aufregung in Folge der fortzesetzten Verhaftungen; dieselben
jängen inbgesammt mit Der Verschwörung zusammen, welche die Ent⸗
hronung des Sullans dezwecktt haben soll. Der abgesetzte Großmei⸗
ster der Artillerie Reuf Pascha soll nachträglich wegen seiner Haltung
m letzien Kriege vor ein Kriegsgericht gestellt werden. 5.
London, 12.Dez. Gegen Edward Bute Waldon (Fran—⸗
ose) wurde heute vor dem Gerichtshof in Bowstreet die Anschul⸗
digung erhoben, an den Unterstaausselretar Liddell und Lord Lyons
Schreiben geschidt zu haben, in denen er drohte, daß er auf die Kö—
nigin schießen wolle.
k. Staatsbehörde an und bejahten nur die Frage nach Mordversug,
und die nach Widerstand gegen die Staatsgewalt, worauf das
Urtheil gesprochen wurde: 8 Jahre 1 Monat Zuchthaus, und 8
Jahre Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Der Angeklagte
zerfiel bei Verkündigung des Urtheils in einen Wuthanfall, daß
ihn 4 Gendamen halten mußten und die Sitzung auf kurze Zeit
unterbrochen werden mußte.
F Zweibrücken, 12. Dez. Verhandlung gegen Peter
Schwarz, 25 Jahre alt, von Kindsbach, früher Postgehilfe
beim kul. Postexpeditor Sammert in Kusel, zuletzt Controleur bei
der internationalen Schlafwagengesellschaft in Franksurt a. M.,
wegen Unterschlagung im Amte. Vertreter der kgl. Staatsbehörde:
Staatsanwalt Petri; Vertheidiger: Rechtscandidat Engelhorn.
Bis zum Jahre 1876 Handlungsgehilfe, trat der Angeklagte
jur Post über und wurde im Februar laufenden Jahres von dem
igl. Posterpeditor Sammert in Kusel mit Benehmigung des kgl.
Oberpostamtes in Speyer als Privatpostgehilfe in Kusel augestellt.
Er bekam dafür 153 Mark pro Monat nebst freier Station. DVa
ex unter Verantworilichteit des Postexpeditors Sammert den Schal⸗
erdienst zu versehen und namentlich die Postanweisungen anzu⸗
iehmen und abzufertigen hatte, wobei er verhältnißmäßig viel Geld
inter die Finger belam, konnte er sich nicht enthalten vom März
is Juni ds. Js. 11 einzelne Postanweisungsbeträge, die zusammen
die Summe von 1333 M. 76 Pf. betrugen, zu unterschlagen.
Im nicht entdeckt zu werden, unterließ er, diese Beträge in das
og. „Annahmeduch“ einzuttagen, verjah“ aber die Poslanweisungen
elbst mit einer natürlich falschen Nummer jenes Buches nebst
Dalum und Unterschrift. Trotzdem schöpfte man Verdacht und ließ
zurch einen eigenen Postexpeditor von Speier die Kasse inspiciren.
Fin kleines Deficit wurde vemerkt und Schwarz erllärte sich sofort
neteit, es zu decken; zu diesem Zwecke untetschlug er an 8 auf
inander folgenden Tagen jm Ganzes 774 Mark, decktte einen Theil
»er früher unterschlagenen Gelder und verschwand mit dem Rest.
Erst im September entdeckte man ihn in Frankfurt a. M., wo er
iich bei einer Person, die er als seine Frau ausgab, aufhielt, und
als Controleur bei der Schlafwagengesellschaft war. Er wurde ver⸗
haftet und geßehi jetzt seine That ein. Gchluß folgt.)
7 Zur Wucherfrage liefert nachstehende der „Pf. V.“ zuge⸗
zangene Notiz einen zwar kleinen, aber doch laut redenden Beitrag:
Vor mir liegt ein Pfandschein, ausgestelll von einem edlen Menschen⸗
reunde, der unter der Flagge „lonzessionirte Pfandleihanstalt“ mit
nollen Segeln der Goldküste zusteuert. Daß er den richtigen Curs
zält, lehrt uns das Papierchen. Da steht geschrieben unter der
Rubrik „monatlich zu zahlende Zinsen“ sage und schreibe fünfzehn
Prozent, macht jährlich 180 Prozent!
7 Neustadt. Der Schuhfabtikant A. Wagner dahier erhielt
ein Patent auf eine Ventilationsvorrichtung von Schuhwerk.
fLandau, 11. Dei. Das fuünfzigjährige Dienstjubiläum
des Lehrers Huth wurde in sehr feierlicher Weise begangen. Depu⸗
ationen seiner ehemaligen Schüler, seiner Collegen (die ihm einen
ilbernen Pocal verehrten), des Lehrer⸗Slerbcassenvereins, des Stadt⸗
raths (der ihn mit einem silbernen Candelaber überraschte), der Leh⸗
rer der Realschule (die ihn durch ein Rhein⸗Reisebuch erfreuten), des
Musikvereins ꝛc. erschienen bei dem Jubilar, um ihn zu beglüd—
vüuschen; Frauen der Stadt beschenkten ihn mit einem selbst ge—
tickten Tisch? und Boden Teppich. Auf dem Stadthaus überreichte
ihm Bezirlsamtmann Pfender den Ludwigsorden. Abends war ihm
zu Ehren Reunion im Saal des Gosthoses zum Schwan.
fGönnheim, 12. Dee. Gestern starb dahier wohl der
ülteste Veteran Johannes Knauff im Alter von 95 Jahren. Der⸗
elbe machte unter Napoleon J. die Kriege gegen Oesterreich und
Itallen mit, wurde 1814 durch einen Schuß verwundet und bezog
jeit d'eser Zeit his jetzt eine Pension von Frankreich im Betrage
yon 180 Fres. Knauff war nie krank. Die Kugel, die ihn ver⸗
wundete, trug er im Körper mit herum bis zu seinem Tode. Er
darb an Altersschwäche.
fIn Bahyern hat das Feuerloͤschwesen eine Vervolllomm⸗
aung erlangt, wie in keinem anderen Lande. In BRayern bisteht
Bermischtes.
fSpeier, 11 Dez. Heute brachte Dr. Buhl im Land⸗
calh einen Antrag ein, betr. 1) die Revisftion unserer wir hschaft⸗
lichen Gesetzgebung; 2) Ermäßigung der in der Pfalz zur Erhe⸗
bung kommenden Taxen (Enregistrement) auf die Höhe der Sätze
im jenseitigen Baiern. Dieser Anttaz ging au den 5. Ausschuß.
Zweibrücken, 12. Dez. (Pfälz. Schwurgericht 4.
Quarttal 1878.) (Fall Brand: Schluß.) Tas gestern schon um
b Utzr beendete Zeugenverhör brachte nichts Neuts und Brand bleibt
auch auf seinem früheren Vertheidigungssystem: „Ich weiß von gar
nichts,“ sagte er jeder belastenden Zeugenaussage gegenüber. Gegen
5. Uhr begann gestern das Plaidoyer, in welchen die Staatsbehörde
ausführte: völlig erwiesen sei die Thatsache, daß der Angeklagte
den Gendarmen gestochen habe, ferner daß er die Absicht gehabt
habe, ihn dadurch zu tödten, es sei aber auch eiwiefen, daß er mit
Ueberlegung gehandelt, daß er die That nach einem vorher durch⸗
dachten Plan ausgeführt habe; es sei also die Frage nach Mord⸗
dersuch zu bejahen und ebenso jene nach Widerstand gegen die
Staalsgewalt, da der Angeklagte nach vollbrachter That den Gen
darmen, die ihn verhaften wollten, mit erhobenem Messer drohie,
er werde sie zusammenstechen, wenn fie ihn angriffen. —
Die Vertheidigung bestritt in erster Linie die Zurechnungs⸗
fähigkeit während der That; jedenfalls sehle es an der zum Mord⸗
versuch nothwendigen Ueberlegung, da ja der Angeklagte den ganzen
Tag sich in einem wüthenden Zustande befunden und deßhalb sich
einen Plan über die vorzunehmende That gar nicht machen konnte.
Es läge deßhalb höchstens Todtschiag vor, uber auch die
Absicht zu tödten sei zweifelhaft und es sei deßhalb nur die Frage
A
bejahen. —
Die Geschworenen schlofssen sich jedoch ganz der Auffassung der