Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
der St. Jugberter Anzeiger und das (Z mal wöheatlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblati. (Sonntags mit illustrirter Rei⸗ 
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1878. 
M 202. Sonntag, den 22. Dezember 
Deutsches Reich. 
Munchen, 19. Dez. Der bahyeriiche Landtag ist zum 7. 
Januar einberufen. 
Berlin, 18. Dez. Die Entqu tecommission beschloß ein⸗ 
timmig die Besteuerung des inländischen Tabakts. Die Resteuerung 
lellt sich auf 2 Mack pro Kopf der Bevölkerung. Die Entquete⸗ 
irbeiten sind fast beendet. Jeßt wird das Programm für die 
Bewichtsteuer ausgearbeitet. Hobrechns Reije nach Friedrichstuh ift 
uuf einige Tage verschoben. 
Seipzrg, 16. Dez. Die hiesize Polizeidirection verspricht 
n einer Bekannimachung dem Ermittler des Schreibers einer Post⸗ 
arie eine Belohnung von 200 M., in welhher einem hiesigen Ein⸗ 
vohner eine schwere Drohung widerfahren ist. Es gilt diese Post⸗ 
arte dem Reichstagsabgeordneten August Bebel und lautet: 
„Herrn August Bebel, in Firma Ißleib u. Bebel 
in Leipzig, Hauptmannstraße. 
Genosse Bebel! Hiermit nehme ich mit nur die Freiheit, Sie 
arauf ausmerksam zu machen, daß Sie in Ihrer Eigenschafl als 
stteichstagsabgeordneter der Stadt Dresden nicht wieder nach Berlin 
bommen werden. Gerade, wie Sie Ihren Genossen lehren, gegen 
msern Kaisern zu schießen, werde ich als Anhaänger der Socialde⸗ 
noktatie gegen Sie den Dolch erheben und dafür sorgen daß mein 
zweck erreicht wird, und können Sie sich nur dadurch retten, aus 
Heutschland, wie es Most, Fritzsche u. J. w. bereits gethan haben, 
u gehen. Nameutlich thue ich dies, weil Sie fich gegen früher 
aicht mehr offen als Socialdetnoirat belennen, und nur im 
heheimen, und nicht wie Ihre Genossen, offen und girade 
us jfür die Socialdemokratie wirten. Atfo entwe der fliehen 
Sie oder sierben Sie für Ihre Sache, und so wahr, wie ich dies 
sier niederschreibe, werde ich die Ausführung meines mit mihreren 
AInderen verabredeten Planes bewirken. Piui, schämen Sie sich, 
ind Sie doch Hausbesitzer und während Sie Andere zum Theilen 
ruffordern, thun Sie dies selbu nicht. Ein Socialdemoktat.“ 
Zatastrophe vom Paradeplat erwiesen wurde, hat eine weit hoͤhere 
gedeutung als die officielle Todienfeier eines auch noch so verdlen⸗ 
en Mannes, sie ist eine überwältigende sKundgebung germanischer 
Arkrast, die immer und überall, ob sie als hehre Begeisterung oder 
jerechte und heilige Entrüstung fich äußere, großartig und nieder⸗ 
chmeiternd auftritt, furchtbar nicht allein im blutigen Ringen der 
Feldschlacht für den weichenden Geaner, sondern auch im Kampfe 
Jer Geister und der sittlichen Gewalten gegen frevelnde Elemente, 
velche die Schranken verhöhnen, die Gefühl und Natur dem Men⸗ 
chen gezogen. Die taufsend Fackeln, deren Schein, den winterlichen 
Ibendhimmel röthete, waren ebenso viele stammende Proteste gegen 
as ins Gewand der Gesetzlichkeit sich hüllende Unrecht. Eine 
rschütternde Scene ging dem feierlichen Acie der Uebertragung der 
deiche kach dem Bahnhof voraus, der Abschied des Vaters und 
der Schwester von dem Hahingeschiebenen welchet in der Tobten⸗ 
ammer des Juliusspitals ausgebahrt lag. Wer dieses Antlitz 
setrachtete, welches zu leben schien, ionnte sich nur schrer mit dem 
HJedanten vertraut machen, doß der bleiche Todesengel diese frischen 
Aippen bereits gelüßt hatte. Wir wollen indeß bei dieser trautigen 
Scene nicht derweilen, sondern zur Schilderung des Zuges überge⸗ 
sen, An der Spitze defselben marschicten als praͤsidirendes Corps die 
Westfalen, ihnen folgten die Bayern ohne Fahne, sodaun die 
sassauer, Rhenanen und Franken, nach den Corps 
eratademische Gesangoerein, dann die Adelphia 
nd Nocmannia; hierauf die hochiv. Geifllichteit, hinter dieser der 
ʒicherroagen, von bechs Miexden gezogen ; sodann der Wagen mit 
en Angehötigen und der a ca de m i chee Srnat mir vren 
zrofessoren aller Facultäten, Privatdocenten, 
ijsiste nten, Secretariat, Pedelle u. fe w.; hinter diesen die 
ischaffenburger und die Verbindungen der Marcomannen, der 
Valhalla, der Cimbern, Arminen und Makaren. Zwischen 
en Abtheilungen waren in entsprechenden Zwischenraͤumen 
hie Musikchöre vertbeilt, welche den Beethoven'schen und andere 
Trauermätsche ex cutirten. Der Zug war von einer imposanten 
lusdehnung und schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Zahl 
er Fackellcaͤger betrug nahezu Tausend. Die gigantische Feuer⸗ 
hlange bewegte sich vom Juliusspital durch die Theaterstraße, 
dudwigliraße über den Hauger Ring nach dem Baͤhnhofsplatze, wo 
ie Fackelträger so lange Halt machten, bis der Leichnam einwag⸗ 
jonirt war. Die hochw. Geistlichleit, die Praͤsiden und Fahnen 
er Corps u. s. w. begleiteten den Leichenwagen bis an den Waggon 
n der Rähe der Güterhalle, wo die üblichen Gebete gesprochen 
durden. Die Vertreter der Corps sangen hierauf den ergreifenden 
Pers des Liedes: „Ist einer unserer Brüder einst geschieden“, wo⸗ 
nit der feierliche Act beendet war. Während deeselben hatte der 
zug der Fackelträͤger auf dem Bahnhofsplatz Stellung genommen 
ind boten die tausend brennenden Fackeln den Anblick eines Feuer⸗ 
nceres. Unler den Klängen der Musik erfolgte sodann der Rück⸗ 
natsch in die Stadt darch die Kaiserstraße, Juliuspromenade, Car⸗ 
nelitengasse, Domstraße, Holsteaße hbis auf den Residenzplaß, welcher 
n seinem ganzen riesigen Unfange von einem feurigen Bande ein⸗ 
sesaßt wurde. In der Mitte des großen Carro's waren die Fahnen 
er Abtheilungen malerisch gruppfrt und schließlich wurden unter 
Musit ·Begleitung einige Verse des Gaudeamus igitur“ von tausend 
Lehien gefungen, darumer auch der Vers: ,‚Ubi sunt qui ante 
ros“, 'an dessen Sqhluß sämmtliche noch brennende Fadela in die 
zuft geschleudert wurden. Hierauf begaben sich die Theilnehmer des 
Zugs in uusterhafter Ordnung nah dem Plaß'jchen Garten, wo 
ju Ehren des Berstorbenen ein stiller Salamander gerieben wurde. 
Fz dauerte leine fuuf Minuten, so war der große Saal geräumt 
ind verödet wie zuvor. Wie wir vernehmen, waren gestern Abend 
immtliche Abtheilungen dec hiesigen Garnison bis 8 Uhr Abends 
n den Zunmern ihrer Casecrnen consignitt und waren auch jcharfe 
Pattronen ausgegeben. 
Bermilchtes. 
Nach dem mit dem 1. Januar 1879 in Kraft tretenden 
Besehe, den Spielkartenstempel betreffend, —RE 
asse fließende Abgaben zu entrichten: 0,80 Mark für Karten pꝛel 
n 36 obder wenigen Blattern, O,80 Mark für jedes andere Spiel. 
Zweibrücen, 17. Dez. Endlich haben die pfalzischen 
dehrer die längst erwartete Instruttion für Erthellung des prote⸗ 
damischen Religionsunterrichtes erbalten. Diese den jeßigen Ver⸗ 
sältnissen Rechnung tragende, mit padagogischer Einsicht verabfoßte 
Fastcuttion, welche vor Allem auf Beseitizung mechanischen Memo⸗ 
irens dringt, ist als ein wirklicher Forifchtitt auf dem Gebiete deß 
tteligioasunterrichts zu —XX 
Pirmasens, 19. Dez. Der gestern Abend um 6 Uhr 
14 Minuten in Biebermühre nah hier abaelassene Zug blieb ober⸗ 
jalb des Fischbacher Tunnels in dem Eirschnuitie bei dem ehemals 
dutab'ichen Steinbruche im Schnee stecken. Nachdem durch das 
viesige Bahnpersonal die Maschine frei gemacht war, gelang es dieser, 
die Wagen einzeln in den hiesigen Bahnhof zu befordern. (P. A.) 
Wie die „Pf. Ztg.“ vernimmt, hat die k. Regierung der 
Witiwe des jügst bei einem Brande in Odenbach verunglückten 
Maurers Carl Presser aus der Immobilien-Brandversicherungs 
Anstalt eine Unterstützung von 300 M. und eine solche von 200 
M. aus dem Prinz Earl Fond angewiesen. 
Bei einer am 14. d. M. im Revier Ruppert 3w eiler 
ibgehaltenen Treibjagd wurde von dem dortigen tal. Foͤrster Mantel 
in Wudschwein etlegl, welches ausgeweidet 236 Pfund gewogen. 
F In Dirmstein ist am 18. da. ein auf dem Felde 
itzender Strohhaufen von etwa 1000 Centner abgebraant. 
Wäriburg, 19. Dez. (Wuürzb. Telegraph.) Eine 
mposantete Demonstration wie gestern Abend hat Wüͤrzburg viel⸗ 
eicht noch nie gesehen. Man bat in unseren Mauern schon Todte 
eehrt, die um Kicche, Staat oder Schule sich hochverdient gemacht 
Jancn und deren Namen fortleben werden in den Gedenlbüchern 
der Geschichte, allein die letzte Ehre, welche gestern dem Opfer der 
pWorms, 17. Dez. Gestern wurde die Leiche des hie⸗ 
igen Steuer⸗Einnehmers Schmitt in Rheindürkheim gelandet. Der⸗ 
de war am Sonniag in Darmstadt gewesen und von da Abends⸗ 
gegen 8 Uhr mit der Riedbahn nach Worms zurückgesahren. Wahr: