St. Ingberter Anzeiger.
Dder St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblait, (Sonntags mit illustrirter Bie⸗
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementopreis betragt vierteljährlich
Mark 20 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Auswärts mit 15 Pfg. für die viergespaltene Zeile Blattschrijt oder deren Raum. Neclamen
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet.
M 22. Donnerstag, den 7. Februar 1878.
—
Deutsches Reich.
Mänchen, 4. Febr. Heute stand in der Abgeordneten⸗
kammer der Etat des Cultusministeriums auf der Tagesordnung.
Selbsiverstärdlich wurde die schöne Gelegenheit zu Herzensergieß ngen,
die durch die allgemeine Debatte über einen Etat geboten wurde,
ergiebig benützt.
Berlin, 5. Febr. Die Einladung zur Conferenz wurde
durch den österteichisch- ingarischen Botschafter Grafen Karolhyi gestern
hier übergeben; die kaiserliche Regierung hat dieselbe angenommen.
Desgleichen die Negietungen von England, Frankreich und
Italien.)
Berlin, 5. Febr. Württemberg hat im Bundesrath die
Einsetzung einer Comm ssion beantragt, zur Berathung der Frage,
ob das Tabakmsanopol einzuführen sei. Der Antrag ist den Aus⸗
jchüssen überwitsen worden, welche die Steuerprojecte zu berathen
hatten. — Die Fortschrittspartei bereitet im Reichstag eine Inter—
pellation, die Orientfrage betr., vor. (Fr. 3.)
Berlin, 6. Febr. Die bei heutiger Eröffnung des deut—
schen Reichsstags verlesene Kaiserliche Thronrede kündigt Gesetzent⸗
vürfe an über die Erhebung von Reichsstempelabgaben und über
zöhere Tabaksbesteuerung, sowie ein Anleihegesetz; sie weist auf
ein in Berathung begriffenes Gesetz über die Vertretung des Reichs⸗
ranzlers hin und kündigt ferner eine Rechtsanwaltsordnung, ein
Berichtslostengesetz, sowie Entwürfe gegen Lebensmittelverfälschung
an; fecner einen Gesetzentwurf betreffend Neutegelung der Verhäaͤlt
nisse zwijchen Arbestgeber und Arbeitnehmer, sowie über Einfetzung
hesonderer Gewerbegerichte. Der Kaiser hofft, ein dauernder Friede
werde durch die auf der bevorstehenden Konstantinopeler Conferenz
zur Anwendung kommenden Grundsätze gesichert werden. Die ver⸗
hältnißmäßig geringe Betheiligung Deutschlands im Orient, gestattete
dem Reiche nur die uneigennützige Mitwirkung an der Verssfändi—
zgung aller Mächte über die künftigen Garantien gegen eine Wieder⸗
lehr der orientalischen Wirren und zu Gunsten der dortigen Christen.
Inzwischen konnte die Politik des Kaisers dieses Ziel insoweit be—
reits erreichen, als sie wesertlich mitwirkte, daß der Friede zwischen
den europäischen Mächten erhalten blieb. Die Beziehungen Deutsch-
lands zu allen europässchen Staaten würden nicht nur friedliche,
sondern durchaus freundschestliche bleiben.
ANusland.
Am 1. d. bei Gelegenheit der Prüfung einer beanstandeten
Wahl kam es zu Paris in der Nationalversammlung zu äußerst
heftigen Auftritten. Die ganze Rechte der Kammer verließ während
der Diskussion den Saal, um kurz darauf unvermuthet in denselben
zurück ukehren. Von besonderem JInteresse sind die nach dem Wieder⸗
eintritt der Rechten gepflogenen Eeörterungen über die Schuld an
den Ereiguissen von 1870 und 1871, welche sich die Vonapartisten
und Gambettisten gegenseilig in die Schuhe schoben. Veranlaßt
wurde diese Debatte durch die Bemerkung Rouher's, es sei Angesichte
der hoqg erusten politischen Lage Europa's doppelt wünschenswerth,
daß die Kammermehrheit das System der Vernichtung der „offi⸗
ziellen“ Wahlen aufgebe. Darauf erwiderle Gambeita: Die öffi⸗
ziellen Candidaturen lönnen nicht nachdrücklich genug bekämpft
wecden. Die offizielle Candidaktur hat uns den Fremdling in's
Land gebracht. Ich spreche von dem Fluch der ojfiziellen Candi⸗
datur des Kaiserreichs, in Folge deren eine selavische Majorität
die mexikanische Expedition votirte und die Theorie von den drei
ungefährlichen Stummeln (DeutschOesterreich, Nordd. Bund, Süd⸗
deutsche Staaten) guthieß, in welche Deutschland durch die Ereignisse
von 1866 zerrissen sei. Dieses System hat Frankreich zu Grunde
gerichlet und uns in Europa vereinsamt, und Herr Rouher wat
der Vicelönig dieses Systems. (Stürmischet Beifall.) Rouher:
Der ges zgebende Koͤrper war ganz unabhängig und wußte recht
Jut, was er than! Konnen Sie enva leugnen, daß der Krieg von
1870 das Werk der vereinigten Oppositionen gewesen ist ? (Tuͤmult
und Hohngelächter.) Einer Ihrer Helden, für dessen Wahl sie sich
ürzlich anstrengten, ist ja Herr Emil Girgrdin. Lesen Sie doch
n seinem Blatte nach, er war einer der Hauptanstifter des Krieges
ron 1870. Ich für meinen Theil habe schon mein Bedauern
atüber ausgesprochen, daß die Hohenzollern'sche Candidatur in
zpanien ein casus belli werden sollte; ich war sicher, daß es
»em preußischen Prinzen nicht besser ergehen würde, als es später
»em König Amadeus erging. Sobald der Krieg erklärt war, mußte
ch allerdings nur dem allgemeinen Gefühl und den Hoffnungen
ui Sieg Ausdruck gehen. Das Kriegsglück hat uns verlassen,
uind was haben Sie dann gethan? Sie haben die Nation in
ngleichen Kämpfen dem Feinde ausgeliefert und ihr kopfloses
Treiben zuletzt mit fünf Milliarden und zwei Provinzen bezahlen
nüssen. (Galpin: Das ist der Gipfel der Unverschämtheit! VLa—
rage: Und Sedan? Für Sedan sind Sie verantwortlich!) Durch⸗
—D Hand
eschtiebene Entwürfe gefunden zu einen Dekret welches den Mar⸗
hall Mac Mahon zum Generalissimus oller Armeen inner⸗ und
nßerhalb Paris ernannte, und zu einer Proklamation des Mar⸗
challs, in welcher dieser den Truppen auseinandersetzte, warum er
em Marschall Bazaine nicht zu Hilfe eilen könne, sondern seine
ztreitkräfte nach der Haupistadt zusammenziehen müsse. Dieses
har meine Theilnahme an den Ereignissen. Die ganze Schuld
illt auf den 4. September und auf die Männer, die das Land
1weinem unfruchtbaren Selbstmord zwangen und damit nur die
ilfsguellen erschöpften, mit denen es einmal später seine Revaucht
ilie nehmen können. Die Geschichte wird zwischen Herrn Gam⸗
etta und seinen Vorgängern in der Regierung richten. Gambetta:
Sie hat schon gerichte. Die Nationalversammlung hat in einem
zierlichen Verdikt Euch für das Unglück des Vaterlandes verant⸗
vortlich gemacht, das Kriegsgericht hat den Verräther verurtheilt,
elcher lieber einer unseligen Dynastie dienen, als das vom Landes⸗
inde überzogene Vaterland retten wollte. (Donnernder Beifall.)
ich begreife, daß Herr Ruher, um die Capitulation von Sedan
nd Metz zu entschuldigen, hier das ganze Land der Feigheit zu
eihen wagt. Er möchte jetzt seine Hände rein waschen, aber war
rees nicht, der den Kaiser Maximilian nach Mexiko und in die
jrube von Queretaro leckte, wie das erste Kasserreich den Herzog
on Eughien in die Grube von Vincennes. Noch höre ich die
ewaltie Stimme Berrhyer's, wie er ihm in einer Nachlsitzung die
rophetischen Worte zurief: „Einen österreichischen Etzherzog wollen
Sie noch Mexiko setzen ? Welches andere Loos lönnen Sie ihm
escheeren, als den Bankrutt oder den Tod?“ Und in der That,
Zanktutt und Tod haben den Prinzen dort erreicht, wie sie denn
as gewöhnliche Gefolge der Vonoparte sidd. Man hat es Euch
hon gesagt und man muß es Euch wiederholen: Nicht als Regie⸗
ungsmänner habt Jor gehandelt, sondern Ihr habt begonnen 'als
rüstlinge Gouisseurs), und Ihr habi geendet als Verräther. (Stüt⸗
nischer Beifall.) Ruber will repliecirer. Zu seinen Füßen vor
»er Tribüne erhebt sich ein furchtbarer Larm. E. Lodcoy:
derunter mit dem Elenden! Er hat uns an Preußen ausgliefert!
Zarodet: Er möre sich lieber vor Scham verstecken! Rouher:
x s geht bier schlimmer zu, als im Konvent; Sie sind Revolutionäre
ind nichts Anderes. Man beleidigt mich in meiner Person auf
»as Schmählichste und verbietet mir dann das Wort. Die Schluß⸗
rufe übertäuben den Redner; Schluß der Debatte wird beantragt
und angenommen.
Vermisctes.
fSit. Ingbert, 6. Febr. Bei der vorgestern im Stadt⸗
zause zu St. Ingbert abgehaltenen Tagesfahrt über die Herftellung
)er Eisenbahn von hier nach Saarbrücken war eine ziemlich starke
Anzahl Zuhdrer erschienen.
Die Verhandlungen wurden durch Herrn-kgl. Bezirlsamtmann
Damm von Zweibrücen in Beisein des Herrn kal. Bauamtmanneß
derrr Schlichtengroll von Keiserslaukern und des Herrn Bezitka-
ngenieurs Müller von Zweibrücken geleitet.
Nachdem der Versammlung von dem Prosekte Kenniniß ge⸗