Full text: St. Ingberter Anzeiger

indeß einen anderen Conferenzort als Wien wünschen, was hiern 
wohl keinerlei Hinderniß begegnen duürfle. 
Der projektirten europaüschen Konferenz wird Seitens der 
Mehrzahl der Wiener Blätier nichts weniger als vertrauensvoll 
entgegengesehen. Am Schärfsten urtheilt die Neue Freie Presse,“ 
ndem sie klagt, die allgemeine Lage sei so düster, als wäre gar 
sein Waffensullstand unterzeichnet worden. Rußland werde sich 
zuf der Konferenz so harttöpfig zeigen, daß jeder Staat gut thun 
werde, in voller Rüstung den Konferenzsaal zu betreten. 
In dem der ungarischen Regierung nadestehenden Pesler Hon“ 
wird behauptet, Rußland habe Oesterreich mehrfach eine Besetzung 
Bosniens und der Hertzegowina angeboten, was aber von Seiten 
Defterreichs entichieden zurücktewiesen worden sei. Oesterreich sei 
entsjchlossen, nicht zu dulden, daß Rußland, wenn auch nur provi⸗ 
jotisch, an der unieren Donau festen Fuß fafse. 
Poéris, 58. Febr. Die „Agence Havas“ meldet aus Athen: 
Die Vertreter der Mächte beabsichtigen, den Prräus gegen die Even 
rualität eines Bombardements zu schützen, da dersebe, unter der 
Voraussehzung, daß keine Armirung erfolge, als eine offene Stadt 
ju betrachten sei. Der Minister des Auswärligen hatte eine lange 
Fonferenz mit dem englischen Legationssecreiär Wyndham. Im 
dand herrscht große Aufregung anläßlich des Gerüchts von der An⸗ 
aherung rürkischer Panzerschffe mit 8000 Maun an Bord. 
Paris, 6. Febr. Die „Agence Havas“ meldet: Gerücht⸗ 
weise verlautet, Lausanne werde wahrscheinlich zum Sitz der Confe⸗ 
renz ge.vählt werden. 
Aus Paris telegraphirt man: Das „Journal des Debats“ 
erwaähnt eines Gerüchts, nach welchem die türkische Flotte hereits 
anterwegs ist, um den Piräus zu bombardiren. Der Zusammen⸗ 
oß wird trotz der friedlichen Versicherungen laum lange auf sich 
warten lassen. Es wäre gut, wena die europäischen Mächte bei 
Jeiten sich überlegten, ob ein griechisch ürkisches Gemetzel ein wür⸗ 
diges Accompagoement ihrer Friedensberathungen am hrünen Tische 
lein würde. 
Das „Journal des Debats“ führt aus, die wichtigste Frage 
für Oesterreuch und Europa sei, daß Bulgarien nicht von den 
Russen besetzt bleibe. Frankreich müsse auf der Konferenz für 
Recht und Gerechtigkeit eintresen. Auch Deuischland erkenne jetzt 
an, daß Fronkreich in diesem Falle keine Hintergedanken habe. 
Ron, 7. Febr. Die Agenzia Stefani meldet: Papst 
Pius IX. ist heute Nachmittag um 3 Uhr gestorben. Das 
Konklabe wird sogleich zusammentreten. 
London, '6. Febr. Lord Derby empfing gestern Nachmit⸗ 
tag eine Deputation griechischer Kaufleute, welche ihn ersuchte, seinen 
Finfluß bei den türtischen Betörden geltend zu machen, um der 
Beschießung ariech scher Küstenstädte vorzubeugen. Lord Derby 
drüctte sein tieses Bedauern über den von gricchischer Seite erfolgten 
Finfoll auf türkisches Gebiet aus, obwohl ihm betannt sei, daß 
das griechische Kabinet dem Verlangen dis griechischen Volkes nach⸗ 
gegeben habe. Er könne nicht verlprechen, daß Englond seine 
Macht verwenden werde, um de Beschiehuug griechischer Küsten⸗ 
flädte zu verhindern. Falls der Krieg in einer den Grundsatzen 
zder Coilisation zuwiderlaufenden Weise geführt werden sollie, 
pürden Engiand und die anderen Machte sid in's Veittel legen 
nüssen. Derry versicherte seine Sympathie für Griechenland und 
versprach, England werde auf der Konferenz semen Ernfluß geltend 
nachen, um das Uebergewicht der slawischen Race üder die grie⸗ 
hische zu verhindern. Die Zurückbeorderung der griechischen Ar⸗ 
nee wuͤrden die Vereinbarungen fuc die aufständischen türkischen 
Propinzen erleichtern. 
L'ondon, 6. Febr. Die „Morning Post“ defürwortet 
die Ernennung von Lyons und Elliok zu Verkretern Enalands auf 
der Conferenz. 
London, 7. Febr. „Morning Advertiser“ bat Grund 
zu glauben, daß die britische Regierung die Kunde von der Besetung 
Zonstaninopels durch die russische Armee erhalien hat. Die „Mor 
ningpost“ glaubt, diese Nachricht, welche via Bombay und Alexand⸗ 
rien kom, basire auf amtlicher authentischer Muthe lung. 
L'o'n don, 7. Febr. Die „Times“ glaudt, die Besetzung 
—XED Ein⸗ 
jugs der Teutschen in Paris; sie warnt vor Aufrenung und Allarm 
ind setzt das größte Vertrauen in die friedlichen Versicherungen 
der Rede des deutschen Kaisers. 
.Daily Telegraph“ und „Morningpost publiciren geharnischte 
Artikei, Genugthuung für die gekraänkte Ehre Erglands ford erud. 
Im Laufe des heutigen Tnges findet ein Kabinetsrath statt und 
deiden heute Abend wichtige Erklärungen Seitens der Regierung 
m Partlament erwartet. 
Der Einmarsch Grieche nlands in das üürkische Ge⸗ 
biet ist nun wirklich erfolgt. Am 2. Februar ist General Soutzo 
ber die Grenze gegangen. Der Minister des Auswärtigen, Dely⸗ 
anny sagt un freilich und erklärt es officiell, damit sei kein Krieg 
gegen die Psforte gemeint, sondern nur eine Besetzung der benach⸗ 
allen türklschen und von Griechen bewohnten Gebiete zun Schutze 
der letzieren gegen Baschi-⸗Bozuks und anderes Raubgefindel. In⸗ 
dessen meint Herr Delhänny es wohl kaum so gut als er spricht, 
und die Pforie versteht es auch nicht so, wie aus den sofottiger 
Vorbereitungen zu energischer Abwehr zu bemerken ist. 
Nach einer dem „Nord“ aus Peter 8burg zugegangenen 
Mittheilung hätte sich Rußland in Fen Friedenspräliminarien aus⸗ 
»edungen, daß Bulgarien künftig unter einem christlichen Fürsten 
kehen soll, der das Land selbstsländig regieren würde und nut die 
nominelle) Oberheit des Sultans (ie seither Rumänien) anerlennen 
vürde. Dieser Furst dürfe aber keiner der regierenden Familien 
reines der großen earopäischen Staaten angehören. 
Rußland sieht sich für den Fall vor, daß die Friedens⸗ 
unterhandiungen eriolglos bleiben würden. Ja den letzten Wochen 
des Januar sind über 30, 000 Mann russischer Reserben in Ru⸗ 
nänien eingerückt, die größtentheils noch dort stehen, und man er⸗ 
vartet wenigstens noch ebensoviel. Zunöchft sind diese Truppen 
ils Reserve für die auf türk schem Boden stehende Operationsarmee 
inzusehen; es mag dabei übrigens auch der Fall in's Auge gefaßt 
ein, daß im Lauf der Unterhanolungen Oesterreichs Stellung zu 
ußland möglicherweise eine minder freundliche, als bisher werden 
önnte. 
Die Waffenerfolge der lezten Wochen haben in Rußland 
inen förmlichin furor slavicus erzeugt. Eines der gelefensten 
Blätter, „Nowoje Wremja“, ällt wüthend über die Westmächte 
her. falls diese sich einfallen lassen sollten, Kaßland nur als Man⸗ 
datar, alias Exekutor Europa's anzusehen und demgemäß abfinden 
ju wollen. „Ja, hätte Europa, so renomm'rt dieses Blatt, uns 
iim vorigen Jahre auigehalten — Das waäre eine andere Sache. 
Unser Selbstuefühl wäre gekränkt gewesen, aber Das heilt bald. 
Aber die Früchte des Sieges aus der Hand reißen, jetzt nach so 
pielen Opfern, nach so vielen Strönmen von Blut — hiese nicht 
azut das Seldstgefühl, den Nationalstolz b leidigen. Das heißt 
Rußland zermalnen, das letzte Hemd von den Schultern des 
Schelmen reißen und sich überdies üher ihn lust g machen. O, 
dieser Schelm kann außet sich gerathen und d ejem Europa zeigen, 
»aß es gefährlich ist, seiner zu spoiten, daß n ibm nod drel un⸗ 
erschöpfte Kraft ist, welche sich so jurchlbar entwick ln kann, daß 
xuropa es bitter dereuen kdunte, diese Kraft zu einem verew eifelten 
dampf heransgefordert zu haben....“ „kinis Turciat“ „Auf 
nach Konstansinopel!“ Diese Rufe bilden das Schiboleth fast 
Ammilicher polit'scher Blätter. 
Ueber die wichtge Dardanellenfrage g'bt das 
Journal deaSt. Pet.“ hiute einige Auischlüsse. Das officidse 
Blatt weist auf den Eifer hin, mit welchem Rußland sichh bemüht 
abe, alle Mißverstandnisse zu zerstreuen, und Europa alle Fragen 
oheimzustellen, die einen allgemeinen Charecter tragen. Hierzu 
ehört auch die Dardanellenfrage. „Ater — sährt das Ortan 
ort — dataus, daß Rußland die Meerengenfrtege ols dem Concert 
er Machte vorbehalten ansieht, folgt keineswegs, daß es die Wieder⸗ 
erstellung des Status quo, wie er durch die Condennon vom 80. 
März 1856 fesigesnellt worden, zutassen wolle, kraft welcher der 
Zultan im Kriegsfalle allein das Recht hat, fremde Krieegsfahrzeuge 
in die Dardanellen einlaufen zu lassen. Es ist Grund vorhanden, 
iese Klausel einer erysten Prüfung zu unterz ehen, deren Zwech, 
vie zu hoffen steht, darin besteht, diese der otiomanischen Reg erung 
vorbehaltene Bfugniiß von Garantien zu Gunsten der anderen 
Htächte zu umgehen oder aber sie durch irgend eine Stipulation zu 
ersetzen, welche Nußland gestattet, se ne Küsten für gejchützt gegen 
Uebderraschungen zu halten.“ 
Rermiscqhtes. 
fKaiserslautern, 4. Febr. Gestern wurde im Gafl⸗ 
hof „Zum Schwan? dahier der „Pfalz. Jagdschutzverein“ gegründet, 
em sofort über 50 Jäger und Jagdfreunde ous allen Theilen der 
Pialz als Mitglieder beitcaten. Zweck des Vereins iß Hege und 
Pflege der Jagd durch waidmännische Bethhandlung vnd Ausübung, 
hne das Wild durch übermäßiges Heçen zum Schaden der Land— 
ind Forstwirthschaft überhand neh nen zu lassen. desquld auch Ver⸗ 
ilgung des kulturfe ndlichen Schwarzt und Ausromng des schäd⸗ 
chen Raubwildes, Beobachtung und Besolgung der bestehenden 
igdpolizeilichen Gesehe und Verordnungen, Iniiative zur Verdefserung 
erselden unter Anfirebung einer einheitlichen Jagd esezgebung für 
zas Deutsche Reich, Unregung und Anleuung zur Verfsolgung und 
hestrafung der Jagdpoltzeiübertretungen und Jagdvergehen, Aner— 
ennung, Prämiirung und Auszeichnung hervorragender Leistungen 
m Jagdichutzdienste und Anwendung und Aufbietung aller geseß— 
ichen Mittel zum zulässigen Schutze des nüßlichen Wildes und 
dessen Jagd. Mitglied kann jeder undescholiene jagdkartenfähige 
Jäger und Jagdfreund werden, welcher sich zur Erteichung des 
Bereinazweckes und zur Beobachtung der Statuten verpflichtet und 
einen Jahresbeitrag nicht unter 2 M. eindezaylt. Die Geschäfts⸗ 
ührung des Vereins übertrug die Generalversammlung einem Aus— 
chusse mit dem ständigen Sitze in Neustadt a. H., beschloß ihr⸗