Sl. Ingberler Anzeiger.
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AM 3. Samstag, den 53. Januar 1878.
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Deutsches Reich.
Mänchen, 2. Jan. Das Jahr 1877 hal in dem Per⸗
sonalstande des Offizierkorps der bayerischen Armee sehr zahlreiche
Beränderuogen gebracht; trotz der nicht unbedeutenden Neubeför⸗
derungen ist jedoch der Sollstand an Secondlieutenants nicht erreicht
und sind noch immer ca. 1000 Sullen unbesetzt. Eine Zusammen ⸗
zellung der Beförderungen, Peusionirungen, Todesfälle ꝛc. ergibt,
daß befördert wurden: 1 General der Infanterie, 10 Obersten,
29 Oberstlieutenants, 33 Majore, 63 Hauptleute, 65 Premier⸗
ind 113 Second-Lieutenants der activen Armee, dann 48 Pre⸗
m'er- und 617 Second⸗Lieu'enonts des Beurlaudteustandes (det
Reserve und Landwehr); von letzterer Kategorie wurden —X
Nachsuchen verabschiedet. Pensionirt wurden 62 Ofsiziere der aflliden
Armee und 3 des Beurlaubtenstandes. Gestorben sind 62 meist
derabschiedete und 9 Offiziere des Beurlaudtenstandes. Zu de—
merken ist noch, daß 1 bayherischer Offizier in preußische, je 1
zreußischer, badischer und würtembergischer Oifizier in bayerische
M'litärdienste übergetreten ist.
Mümnchen. In den Einlauf der Kammer der Reichbräthe
st neuestens gelangt eine Vorstellung des VLauterthal-Eisenbahn⸗
Fomiles, din Äusbau des Eisenbahnnetzes in der Pfalz, auf Grund⸗
sage der Fusionsbestinmungen, in specis den Bau der Lauterthal⸗
zahn belir., ferner eine Vorsiellung des Gemeinderaths von Gumbs⸗
veiler, die Bitte der Bewohner des Glanthales, den Bau einer
Sisenbahn von Altenglan bis Staudernheim betr.
Berhin, 31. Dez. In vrientirten Kreisen äußert man
sich über die Varziner Besprechungen durchaus befriedigt; indessen
änd alle Angaben über Personalveränderungen verfrüht, da hieruͤbet
Berhandlungen noch nicht statigefunden haben. Fürst Bismartk
ditd in der Mitte, nicht Ende Januars, hier eintreffen. (A. 3)
Berfin, 2. Jan. Wie versichert wird, soll Raßland ge⸗
aeigt sein, vorerst durch die beiderseitigen Obirbefehlshaber in Eu⸗
copa und Asien militarische Berhandlungen über eine Waffenruht
uhren zu lassen, die weiterhin zuc Einleitung und Vorbereitung
jtir direkte Friedensverhandlungen dienen könnien. Die Bestät gung
»oranzgesetzt, gkaubt man, die Türkei werde eine Waffenruhe auf
Brund des gegenwärtigen militärischen Vesitzstandes we n
.3.)
Berlhin, 3. Januar. Die bis setzt vorliegenden Spezial⸗
tats zun Neichshaushalt pro 1878,79 wersen ein bedenkliches Licht
auf die Bilanz desselben. Der Mehrdedarf des Militäretats belauft
sichh auf ca. 2 Miill. M.; derj nige des Marineetats im Ordinarium
auf 323 Mill. (Das Ertraord narium wird jedenfalls durch eine
Anleihe gedeckt.) Zu diesen 524 Mill. Mehrausgaben kommen 714
Mill. Mindeceinnahmen aus dem Etat der Zölle und Verbrauchs—
steuer. Das sind bereits 13 Miill. M. Diese Summe fteigert sich
serner um 11*4 Mill. M., welche in den Etat fur 1877/78 als
Acberschüsse aus den Vorjhren eingestellt werden konnten, währeud
ans offisiellen Mitthe lungen bekannt ist, daß das Rechnungsjahr
1876 bis Ende März 1877 einen Ueberschuß wenigftens nicht er⸗
geben hat. Ohne Berückfichtigung der üdrigen Etats haben wir
demunach schon eine Mindereinnahme von 2512 Millidnen Mart
jegen dieses Jahr, zu deren Deckung erhöhte Matrikularbeittage
yder erhöhte Steuern erforderlich sind. (Berl. Tgbl.)
Die Versammlung hervorragender Schutzzzöllner, welche
bor wenigen Wochen hier stattfand, hat außer der Auzarbeitung
Anes autdnomen Tarifs auch, wie man jezt erfähtt, beschlossen,
zie Zolliacife aller eutopäischen Staaten zur Vergleichung zusam⸗
menzustellen und die Arbeit dem nächstens zusammentretenden Reichß⸗
tage vorzulegen. Mit Abfassung der Schrift ist der bekannte eif⸗
rige Abgeordnete für Straßburg, Heer Bergmann, beauitragt worden.
Aus Cannstatt (bei Stuttigart), 1. Janugur, schreibt man
hem „Schwäb. Merkur“: Eine Hauptplage für uns sind deemalen
die zahllosen Bettler und die grenjenlofe Zadringlichkeit, mit welcher
sie Gabe verlangen. Es fehlt aber nicht an der Thätigkeit der
Polizei; Lader sind die Gefüngpisse immer überfüllt mit Bettlern
1
und Landstreichern, deren aber die wenigsten Württemberger sind.
Dabei hat der Unfug des Kleiderzerre ßens in bedenklicher Weife
ugenommen, und es läßt sich aus zuverlässiger Quelle sagen, daß
schon in einer Woche 30 Fälle vorkamen, in welchen die Landstrelcher
hre Kleider, namentlich die Fußbekleidung, im Arrest in taufend
Fetzen zerrissen haben. Auf Kosten der Gemeinde oder Amtscorpo⸗
zationen mmüssen dann solche Landstreicher frisch gekleidet werden.
Die Sache wird so bedenklich, daß die oberen Behörden wohl sich
neranlaßt sehen dürften, ein kräftiges Mittel zu erfinden, um diesem
Urfug ein Ende zu machen, denn mit den gegenwärtigen, Straf⸗
scharfung ausschließenden Mitteln reicht man nicht mehr aus. Ein⸗
fuche Gefängnißstrafen begrüßt Manchet mit Freuden, denn er wird
gespeist und braucht nichts zu arbeiten.
Ausland.
Das vffiziöse Wiener „Fremdenblatt“ erllärt, daß die neuen
dandelspolitischen Berhandlungen mit Deiuschland erst nach der
Beschlußfassung der Paclamente über den allgemeinen Zolltarif be—
zinnen könnten.
Paris, 31. Deß. Der „Temps“ hebt hecvor, daß die
Zildung des neuen französischen Ministeriums eine unmittelbare
Ekrleichterung der Beziehungen zu Italien und Deutschland herbei⸗
seführt habe, und fügt hinzu: „Die französische Politik hat auj
diese Weise die Freiheit ihrer Bewegung wiedererlangt; von dem
Augenblicke an, wo die Mächte aufhörten, uns als einer Stütze
»er ultramontanen Realtion zu mißtrauen, siund wir wieder einge⸗
relen in das gemeinfame Recht der Nationen, welche um ihre
vechselseitigen Interessin streiten. Es gibt also eine thatsächliche
Zerbindung zwischen der Stellung des neuen Ministeriums zu den
eligisfen Ftagen und der würdigen Haltung, welche es sich in Be⸗
reff der Regelung der orientalischen Frage vorgezeichnet hat. Wir
jlauben nicht fehl zu gehen, wenn wir sagen, daß sie bei der
zroßen orientalischen Auseinanderfetzung kein besonders Interesse
geltend zu machen haben, sich die Unabhängigkeit ihrer Prüfung
»orbehalten hat, wenn das stonzert der Mächte die allgemeinen
Interessen in Etwägung ziehen wird; es lann Niemaudem entgehen,
daß Frankreich den ihm gebührenden Platz im Rathe der Mächte
vieder gewann, indem es seine Unabhängigkeit zugleich von der
irche wiedererlangte.“
Paris, 2. Jan. Gestern wurden die Minister beim Pra⸗
identen der Republik zumn Frühstück geladen. Der Marschall
iußerte: Der schöne Tag, den wir heute haben, meine Herren,
ist ein lückverheißendes Vorzeichen für das begonnene Jahr; ich
hoffe, es wird ruhig und friedlich, und ohne Schwierigleiten von
dem vergangenen zu erfahren, perlaufen.
Madrid, 81. Dez. Sofoct nach Wiedereröffnung der
Tortes wird von Seiten der Opposition die Aufhebung der Civil⸗
niste der Königin Isabella verlangt werden. K. 3.)
Loudon, 2. Januar. Die Kundgebungen zu Guufter
der Neutralitat Eaglands mehren sich. Die Handelskammer von
Leeds hat sich mit allen gegen drei Stimmen, die von Bradjford
zinstimmig dafitr ausgesprochen. Der Bischof von Manchester sprach
im Arbeiterverein zu Rochdale in gleichem Siun.
London, 2. Jan. Es heißt, daß diplo matische Aeußerungen
vorliegen, wonach das Pretersburger Kabinet bereit sei, direkte Vor—
ichläge der Türlei zur Herbeiführung des Friedens entgegenzunehmen.
Korustantinopel, 2. Jan. Laut Nachrichten aus Sofia
ist zwischen Ihtiman und Sofia russische Kavalerie eingettoffen und
hat den Telegraphen und die Brücke von Iskor zerstört.
Ueber die auf dem Kriegsschauplatz herrschenden üngünstigen
Witte cungsverhaltnisse wird der „Bohemia“ aus Bukarest unterm
26. Dezember geschrieben: „Die Stücme und die in Folge der—
eiben eingetretene äußerst strenge Kaͤlt⸗ haben sehr viele Opser ge⸗
ordert. JIa Balgarien sind in einer Nacht von den auf dem
Marsche befindlichen Truppen 1200 (7) Mann erfroren. In deer
elben Nacht sind auf dem hiesigen Bahnhofe fünf Mann erfroren.
Die Straßen in der südlichen Wallachei und in Bulgatien sin