Full text: St. Ingberter Anzeiger

ind in diesem Entwurf enthalten, über dessen Annahme heut be⸗ 
cathen werden soll. Freiheit der Presse, freies Versammlungsrecht, 
ibligatorischer Unterricht siad die klangvollen Versprechungen, welche 
dem „ocganischen Statut“ zu Brunde liegen, nach welchem das 
Fürstentzum Bulgarien auf die Pfade der Kultur und Gesittung 
geleitet werden soll. Ferner bestimmt das Statut: 
VDer erste Fürst von Bulgarien braucht nicht der orthodoren, 
zriechtschen Konfession anzugehören, seine Erben und Nachsolger 
aber müssen in dieser Konfession erzogen sein. 
Zur Wahl des Fürsten ist erforderlich, daß derselbe zwei 
Drittel aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinige. 
Alle Bulgaren sind militärpflichtig und vor dem Besetze gleich. 
Die Religion ist für Niemand ein Hinderniß zur Betleidung 
offentlicher Aemter. 
Die Deputirten bestehen aus drei verschiedenen Kategorien und 
war aus allen Mitgliedern der Richterkollegien und den Präsidenten 
der Munizipalität und der Bezirksräthe, welche kraft ihrer amtlichen 
Stellung der Deputirtenkammer angehoͤren, ferner aus den von der 
Bebölkerung gewählten Deputirten und endlich aus Mitgliedern, 
welche der Fürst ernennt. 
Die Zahl der letzteren, darf die Hälste der Zahl der ge⸗ 
wählten Deputirten nicht übersteigen.“ 
Und alle diese Bestimmungen haben die Genehmigung des 
Tzaren erhalten, der doch augenscheinlich davon überzeugt sein muß, 
daß die Bulgaren troß der türkischen Unterdrückung noch reifer für 
die Freiheit sind als ihre Befreier, die Russen. 
Der griechische Erzbischoss von Adrianopel, welcher 
don einigen Bulgaren jener Stadt schändlich malträtirt wurde, ist 
am 20. Februar seinen Wunden etlegen. Als der russische Officier, 
der ihn dem wüthenden Haufen entriß, ihn in Sicherheit gedraqt 
zatte, zeigte es sig, daß die Aagreifer dem etwa sechzig Jahre 
alten Mann sämmtliche Haupte und Barthaare ausgerissen hatien. 
sKeonstantinopel. Der Ktriegsminister Osman Pascha 
zat dem Sultan mit Rücksicht auf den Stand der wückischen Staats⸗ 
inanzen ein Projekt unterbreitet, wonach die türlische Armee dem⸗ 
nächst vollständig auf den Friedensfuß gesetzt werden soll. Nach 
Abschlag der aus Rußlaud heimaelehrten und vollständig aus dem 
Lktivstande zu entlassenden 54000 türkischen Gefangenen soll der 
Friedensstand dar lürkischen Armee nicht 135,000 Mann üÜber⸗ 
teigen. · 
Ueber ein Gemetzel, welches der König von Birma gelegentlich 
zines Ministerwechsels anrichten tietßz, liegen genauere Meldungen 
noch nicht vor. Bislang galt der Koͤn'g von Birma als ein ziem⸗ 
lich aufgeklärter Herrschet, der zwar seine eigenartigen Varotten 
hatte, die aber verhältaißmäßig harmloser Natur warea. Eine 
jeiner hauptsächlichsten Liebhabereien soll die Ausubung der Buch⸗ 
druckerkunst und des Journalistenhandwerks fein. Wenigstens wird 
erzäͤhlt, daß der Körig von Birma früher keinen M'enister anstellte, 
der nicht setzen und dtucken konnte. Der hohe Herr redigirie 
nebenbei eigenhändig eine Zeitung für Birma und sorgte für die 
Verbreitung derselben dadurch, daß er bei Todesstrafe jeden seiner 
Unterthanen zum Abonnement zwang. 
VPermischtes. 
l 
St. Ingbert, 28. Febr. Da der Schluß unseres gest⸗ 
eigen Faschingsberichtes, wie wit hören, mißdeutet wurde und uns 
eine Absicht unterschoben wird, die uns bei Absassunz des Artikels 
gänzlich ferne lag, so ziehen wir es vor, die potlamirte Diskretion 
abzulegen und auszuplaudern, daß wir über den beregten Gegen⸗ 
stand — Soiree bei Hrn. Dr. B. — keinerlei Unvortheil⸗ 
hzaftes vermuthen lassen wollten, and daß allem 
Vernehmen nach die angezogene Soiree in sehr zweckmäßiger Weise, 
zur Ehre des Gastgebers und zur allseitigen Befriedig— 
ung der Gäste verlaufen ist. 
.* Beitrag zur Unfall⸗Statist k. Bei der Magdeburger Allge⸗ 
neinen Versicherungs-Actien⸗ Gesellschast — Abtheilung für Unfall⸗ 
Versicheung — kamen im Monat Januar 1879 zur Anzeige: 
14 Unfälle, welche den Tod der Betroffenen zur Folge gehabi 
zaben, 4 Unfälle in Folge deren die Beschädigten noch in Lebens 
gefaht schweben, 27 Unfälle wesche für die Verletzten voraussichtlich 
ebenslängliche, theils totale, theils partielle Indalidität zar Folge 
jaben werden, 460 Unfälle mit voraussichtlich nur vorübergetender 
Erwerbsunfähigkeit. So. 505 Unfälle. Von den 14 Todesfallen 
reffen 4 auf Zuckersahriken, 2 auf Brauereien, je einer auf eine 
Spinnerei und Weberei, Liqueur-⸗ und Eisigfabrik, Drahlfabrik, 
Dampfziegelei, Schneidemühle, Mahlmühle, einen Steinbruch und 
ein Schornfsteinfegergewetbe; von den 4 lebensgefährlichen Verletz 
ungen 3 auf Baugewerke, eine auf eine Rübenzuckerfabrik; von den 
27 Invaliduätsfällen 4 auf Beauereien, je 3 auf Radenjzuckerfa ⸗ 
oriken, Schneidemühlen uad Landwirthschaftebetriebe, je 2 auf 
Papierfabriken, Metallwaarmjabriken und Dtaßimühlen, je einer auf 
ine Nudelfabrik, Zündyolz. und Spahnschachtelfabrik, Maschinen⸗ 
abrik, Stockfabrit, Dampffärberei, Dampffpinnerel, einen Eisenbahn 
»au und ein Baugewerk. 
F Das Reich besitzt zur Zeit 1,683,447,357 Mark Gold— 
nünzen und zwar 1,250. 539,960 M. Doppelkronen 404,938, 250, 
M. Krosen und 27,769,145 M. halbe Kronen. 
FGauersheim. Am 26 o8. gerieth, wie die „Pf. 
Pre.“ mitiheilt, der Mühlenbesiher Val. Struerwald in das Mühl— 
verk und blieb sofort todt. 
F Wie die „Neust. Ztg.“ erfährt, besindet sich Fril. A. von 
J. (Albtecht von Johanniskreuz), von welcher man glaubte, daß 
ie imn Rhein ertruuken sei, wohlbehalten bei ihren Eltern. 
F In Neustadt hatte der Faschinz für den Darsteller des 
Prinzen Carneval einen bedauerlichen Abschluß, indem derselbe sich 
nei der nach dem öffentlichen Umzug am Montag Statt gehabten 
Scheßhaus-Reunion beim Herabspringen von einem Tisch nicht un⸗ 
rheblich an den deiden Beinen verletzte. (3w. 3.) 
»7Frankenthal. Die Fabrik der Gebr. Glossier soll 
aut Beichluß der Gläubigerversammlung versteigert werden. 
Speyer. Herrt Bischof Ehrler hat einen Fasten-⸗Hirten⸗ 
zrief erlassen, in welchem die soziale Frage bihandelt ist. Die 
zegenwäruge allgemeine Unzufriedenheit, die an den Herzen der 
Meuschen nagt, so wird ausgefübrt, hat ihren Grund in der Un⸗ 
jenügsamkeit, dem Neide und dem Unglauben. Die Ungenügsamkeit 
ist ein Unrecht gegen Goit und entspeingt aus der Sucht nach ir⸗ 
dischen Genuß, währead die wahren Güter des Lebens vernach⸗ 
assigt werden. Fieiß, Mäßigung und Sparsamkeit, einsaches und 
geordnetes Leben Aud die Quellen der Zufriedenheit. Aus der 
Lnzufriedenheit folgt der Nid gegen Diejenigen, denen es besser 
tgegt, Standes- und Klassenhaß, während wir doch alle Kinder 
Bottes sind, der Jedem nach seiner Weisheit zutheilt. „Die Re⸗ 
igon allun ist im Stande, die Unzufriedenheit der Herzen zu heilen 
ind alle Widersproͤche der Erde zu klären. — Darum ist eine Ver⸗ 
esserung unjerer Zustände nur denkdar, wenn die Menschen zum 
hristlichen Glauben und christlicher Sitte zurückkehren.“ (Pf. Ztg.) 
TeMetz. Nich einer Mitiheitung der ‚„Meß. Z3? sind vom 
siesizen Bererkepräfidium bis Beginn des abgelaufenen Jahres für 
Pranien für eriegte Wölfe 3294,10 Mt. ausgetheilt worden. Da 
»er höchste Prämensaß für eine Wölfin 14,40 Atl. ist, so ergiebt 
ich aus diesee Summe, daß uunter den gehfährlichen Raubthieren 
ereits tüchtig aufgeräumt worden ist. 
Würzbarg. Das Swurgericht sür Unterfranken uns 
lijchaffenburg kam heute in die Lage, ein dreifaches Todesurtheil 
prechen zu müssen. Um 30. Juni v. J. hdatte man bei Hollstadt 
Bezirksamt Neustadt a. d. S.) den Göjährigen Oekonomen Joh. 
ẽckert an einem Eichenbäumchen erhängt aufgefunden. De näheren 
Umstände seines Todes, sowie die allgemein im Orte belkannte 
Thatsache, daß die Söhne und der Schwiegersohn des Todten dem⸗ 
elden aufsässig und feindselig gesinnt waren, da er ihren nicht 
zald genug, um das Erbthell zu erlangen, starb, ließen sofort de 
Bermuthuug auflommen, daß man es hier nicht mit einem Seidst⸗ 
nocd, sondern mit einem von Mehreren geplanten Verbrechen zu 
han haite. Die deiden Söhne des Verstorbenen und sein Schwie⸗ 
zerjohn wurden dekhalb verhaftet und standen gestern und heutt 
por dem Schwurgericht. Aus ihtem Vorleben — im Hause Eckerns 
zuing es sehr wüst zu, die verstorbene Ehefrau desselben hatte u. A. 
gegen ihren alten Gatten die eigenen Söhne gehetzzt — wurde eine 
Menge Details enthüllt; ferner kamen Aeußerungen zu Taze, welche 
auf die Adsicht einer Ermordung des alten Eckert in ähnlicher 
Weise, wie die Antlageakte vorsieht, daß der Mord verübt worden 
ei, schleßßen lassen, — so daß, da man die Angeklagten um die 
Zeit, wo das Verdrechen — ein solches liegt offenbar vor — der⸗ 
übt wurde, am Thatorte sah und auch konstatirt ist, daß die Drei 
urz vorher eine Zusammenkunft und gehtime Becathung hatten, 
die Geschworenen, irotz des konsequenten Leugnens der Angellagten, 
zegen alle Drei das Schuldig des Verbrechens des Mordes aus⸗ 
prachen und der Gerichtshof, die 83 Angeklagten zur Todesstrafe 
veruttheilte. 
Wäürzburg, 24. Febr. Aus Lohe joll gestern eine 
Frau hieher verbracht worden sein, welche, um ihren Anecht hei⸗ 
zathen zu können, den Mann ermordet haden soll. 
fPassau. Gelegentlich eines am Sonntag Nachmittag 
dattgefundenen, eine Bauernhochzeit vorstellenden Mastenzuges fiel 
en scharf geladener Schuß aus einer Pistole und traf eine verhei⸗ 
zathete Frau so unglücklich in die linse Brust, daß dieselbe lebens⸗ 
gefährlich darniederliegt. 
F Die Feindschaft zweier Koͤnige. In einem Aufsaze üver 
Zdudwig J., König von Bayern, bringt die Frankfurter Zeitu ig 
olgende interessante Reminiscenz: „Die Lieblingeschwester des 
Zönigs, Charlotie (die nachmalige Karserin Karolina Auguste von 
Destetreich)j, war belanntlich zu Rheinbundszeiten an den damaligen 
dronptinzen und späteren König Wilhelm von Würtemberg ver⸗ 
zeiraihet worden. Wilhelm hatte sith dem eisernen Gebot des 
stapolkoniden nur mit Ingrimm und lebhaflestim Wiederwellen