Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Anzeiger. 
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M 66. 
Sonntag, den 27. April 
1879. 
Deutsches Reich. 
Mänchen, 24 April. Das heutige „Baher. Vaterland“ 
Dr. Sigl) veröffentlicht den Erlaß des Kardinals Nina mit dem 
Jemerken, daß dieser Schlag der denkbar schmerzlichste sei, weil er 
rine mn komme, sür welches das Blatt so viel gekämpft und er⸗ 
Bic habe. Es wolle jedoch zeigen, daß seine katholische Ueber⸗ 
gung nicht blos Schein sei, es wolle die Kirchenautorität nicht 
abziehen, sondern sich derselben unterwerfen. Habe es mit seinem 
iftreten zegen den Nuntius gefehlt, so beuge es sich vor dem ihm 
zordenen Tadel und ertrage Alles ohne Zorn und Groll. 
RBerlin. Nag der „Post“ ist der Gesetzenmwurf über die 
rfassung Elsaß⸗Lothringens, so gut wie vollendet. In den letzten 
lagen fanden über denselben bei dem Fürsten Bismarck Conferenzen 
fait, an welchen Staatssectetär Dr. Friedberg und Unterstaats⸗ 
ecretär Herzog theilnahmen. Die Vorlage enthält nur sechs Artikel. 
zine Trennung von Elsaß und Lothringen ist nicht in Vorschlag 
ebracht. 
Berlhin. Der Bundesralh wird am Montag über die Vor⸗ 
age an den Reichstag in Betreff der Bewilligung von A 
zächst für die Ausstellung in Sydney (im Betrag ron etwa 300,000 
M. vbeichließen.“ Rach Anordnung des Reichskanzlers werden nur 
300 deutsche Ausfteller nach sehr strenget Prüfung zugelassen. Man 
vill sämmtiiche deutsche Arlikel mözlichst durch ein Fahrzeug unler 
deutscher Flagge nach Sydney befördern. Ob auch die Kunst ver⸗ 
xeten sein wird, ist noch zweifelhaft, obschon es von Australien 
inter Garantie⸗Uebernahme lebhaft gewünscht wird. 
Aus Berlun meldet man der „Allg. Ztg.“: „Anscheinend 
mit Rücksicht auf die Compromißversuche bezüglich des Zolltarifs 
hal der Reichskanzler kürzlich ertlärt, eine Ablehnung der Getreide⸗ 
ind Holpoölle sei für ihn gleichbedeutend mit einer Ablebhnung der 
Tarifrevision.“ 
Vermischtes. 
f Der dieslährige Verbandstag der pfälzischen Genossenschaften 
pird in der zweilen Woche des Monat Juli in Speher stattfinden. 
Schutze⸗Delißsch wird demselben persönlich beiwohnen. 
3 Sweibräücden, 25. April. Von Seite des kgl. Be⸗ 
irksamts ist, wie wir hören, an das Burgermeisteramt eine Ver⸗ 
agung ergangen, die sicherlich den Dank Vieler finden durfte; es 
andeit sich nämlich um das Verbot des Feiltragens von Blumen⸗ 
näußen in den Wirthshäusern durch schulpflichtige Kinder, die 
ieses Geschäft seither bis tief in die Nacht hinein zur nicht ge⸗ 
ingen Belastigung der Gäste krieben. (3w. Zig.) 
In Gernsheim wurde die Leiche eines jungen Mäd⸗ 
hens heländet und vermuthet man, daß es diejenige des noch ver⸗ 
mißten Madchens sei, das s. Z. den Tod in den Wellen des Rheins bei 
Speyer suchte. 
f Zur Wucherpest. In Folge des jüngsten gegen den Wucher 
gerichleten polizeilichen Erlasses haben bereiis zwei sehr gefährliche 
Wucherer Munchen verlassen. 
Dem Oberpf. K.“ wird aus Weiden folgende heilere 
heschichte geschrieben: „Der Name Lindne; ist in Bayern ein 
eht vetanmer, desonders die Gerichte München's wissen von Einem 
ager desselben viel zu erzähten. Der in Rede Stehende hat nun 
uduch auch seinen Richter gefunden und hält ——— 
ufgezwungene Ruhe. Jetzt erkundigt sich ein Bauer ei einem 
stotar in der Regensburger Gegend nach dem Befinden des Herrn 
zindner und hört zu seinem Schrecken, derselbe sitze. Der biedere 
andmann wird zum Reden gehracht, und es ergibt sich, daß er 
em Lindner, welcher bekanntlich früher Lokomolidführer gewesen, 
uf dessen Lokomotive ein Datlehen von 600 Gulden gegeben habe. 
Unglaublich und doch buchstäblich wahr.“ 
Berlin. Wie der „Bors.Kur.“ berichtet, ist von dem 
kommandeur des Garde⸗Corps in Folge verschiedener Vorkommnisse 
er letzten Zeit eine strenge Untersuchung darüber angeordnet wor⸗ 
en, in weicher Ausdehnung die Neigung zum Hazardspiel unter 
sen Officieren um sich gegriffen hat und in welchen Localen vor⸗ 
ugsweise gespielt wird. Ta soll den Officieren der Besuch einzelner 
testaurants üderhaupt untersagt werden. 
pP Berhi'n. GEin bei Hofe und in der distinguirten Ber⸗ 
iner Gesellschaft beliebter Ofsicker des Garde du Corps hat nach 
Jen Berichien hiesiger Blaiter wegen unglücklicen Spiels seinen 
Abschied genommen und sich sofort nach Amerika begeben. 
In Paris wurde im November des letten Jahres eine 
Frau, die sich fälschlich den Titel einer Vicomtesse beilegte, gefangen 
jerommen und unter die Antlage gestellt, mehrere Kinder geraubt 
u haben. Die Person harte sich wiederholt jungen Muttern ge⸗ 
zähert, welche im Hospital einem Kinde das Leben gegeden, hatte 
Mmen ihre Hilfe angeboten und sie dann ihres Kindes beraubt. 
die Kinder waten bei der Verhaftung verschwunden, und es gelang 
nicht, der Räuberin ein Geständniß zu erpressen. Kus dem Um⸗ 
taude nun, daß die Person nur Säuglinge männlichen Geschlechts 
ntführte, und daß dieselbe eine Verwandte in London hat, mit der 
ie in reger Korrespondenz stand, glaubte der Untersuchungsrichter 
ine Spur gefunden zu haben, die zur Loöͤsung des Geheimnisses 
ühren müsse. Mittheilungen aus London destaͤtigen folgende Ver⸗ 
m uthung: Die Vcomlesse staht die eden geborenen Knaben und 
rachle sie nach London, woselbst ihte Verwaidien reichen Adels⸗ 
amilien zu Hilse kamen, die um die Erdfolge besorgt waren. 
Fiweder bertauschten die Eltern, welche sich einen männlichen Erben 
vünschten, ein eben geborenes Töchterchen mit dem geraubten Knaben, 
»der unfruchtbare Mütter, die einen Sohn brauchten, kauften sich 
hen gestohlenen Säugling. GB. BaZtg.) 
pPFensterlädenaus Papiser. William Hipkins von 
zelair in Ohio erhielt das amerikanische Erfindungspatent für 
Fensterläden, bei denen das sonst übliche Holz durch Pappe ersetzt 
st. Die Scharniere, welche die einzelnen Pappflügel der Laden 
rbinden, bestehen nicht aus Melall, sondern aus Streifen von 
sewebtem Zeug, die auf 2 entgegengesegten Seilen det Stöße geleimt 
uden und den Verbindungssiellen volle Biegfamkeit gehatten. 
Ausland. 
Wien, 24. April. Die Residenz prangte bereits gestern 
Abend (zu Ehren der silbernen HPochzeit des Karserpaares) im Fest⸗ 
hmuck. Die „Wiener Zeitung? veröffentlicht einen allerhöchsten 
hnadenakt, durch welchen 377 Verurtheilte, darunter 48 wegea 
Majestätsb eleidigung und Beleidigung von Mitgliedern des kaiser⸗ 
sichen Hauses Veruriheilte, begnadigt werden und denselben theil⸗ 
weise oder ganzliche Strafnachsicht gewährt wird. 
Sond on. England lehnte jegliche Mitwitkung bei der Ni⸗ 
zilist enhetzt ab, weßhalb Rußland ein Geheimpolizei⸗ Departement 
nier zur Ueberwachung der in London lebenden Russen etablirte mit 
Zweiganstalten in Paris und Genf. (Frkf. Zig.) 
Petersburg, 23. April. Der Botschafter A 
dondon, Graf Schuwaloff, welcher sich seit einiger Zeit huer aufhielt, 
im an den Berathungen über die mancherlei bezüglich der Consti⸗ 
uirung Bulgariens und Rumeliens entstandenen Schwierigkeiten 
heilzunehmen, ist nach Wien abgereist. Es steht fest, daß er dort 
ine Verstandigung über verschiedene Punkte, in welchen Oesterreichs 
ind Rußland Anschauungen bisher auseinand ergingen, suchen soll. 
Desterreich hat sich in diesen Fragen neuerlich eng an England 
in geschlossen. 
Petersburg, 24. April. Der Kaiser und die Kaiserin 
nit großem Gefolge sind heute Varmittag 10 Uhr nach Livadia 
ibgereisi. Eine Abtheilung des Leibgarderegiments zu Pferde ge⸗ 
eilete sie nach dem Bahnhof. 
Der kaiserliche Uktas vom 17. April, der eine besondere Strenge 
jegen die Hochshulen empfiehlt, hat zur Folge gehabt, daß alle 
Drofessoren der Petersburger Universität ihre Entlaffung eingereicht 
aben. Auch die Professoren der übtigen russischen Unwersitãten 
ollen beabsichtigen, diesem Beispiele zu folgen, und noch den „No⸗ 
vosti? haben die Charkower Professoren bereits einen bezüglichen 
Protest der Regierung überreicht. 
Der „Posi“ wird aus Petersburg geschrieben: Der Zar fährt 
etzt auf besonderen Wunsch seiner Familie mit einer Eskotte aus. 
hon den Nosaten seines Convois reiten zwei der kalserlichen Equipage 
doraus, ein Unteroffizier sitzt neben dem Kutscher, drei Reiter folgen.