Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberter Anzeiaer. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (Mmal wöchentlich“ m⸗ dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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Dienstag den 10. Juni 
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Deutsches Reich. 
Berlhin, 7. Juni. Die Tarif-Ktommission nahm den An— 
zrag v. Wedell-Machows, die Regierungskomm'ssarien möchten der 
Kommission über die muthmaßliche Vermehrung der Zolleinnahmen 
gegen früher durch die Annahme des Zolliarifs eine Berechnung 
machen, mit einigen Modifikationen an und genehmigte ferner den 
Antrag Windkthotst's, vor der definitiven Annahme von Zöllen und 
Steuern sei dringend geboten, daß die Fiuanzminister über die 
Finanzlage der Einzelstaaten genaue Angabe machten. In der fort⸗ 
gesetzten Berathung der Baumwollzölle genehmigte die Tarif-Kom— 
mission die Positionen für gebleichtes oder gefärbtes Baumwollgarn, 
ein⸗ und mehrdrähtiges, drei⸗ und mehrdrähtiges, mehrfach gezwirnte 
Nähfäden unverändert. Unter Position Baumwollwaaren wurde 
rin besonderer ‚roher Tüll“ mit 60 M. für 100 Kilo angesetzt. 
Für gebleichte dichte Gewebe unter dem besonderen Titel wurde 
der Zoll von 120 auf 100 M., für baumwollene Fischernetze bon 
12 auf 3 M. herabgesetzt. Der Zoll für Schmirgeltuch wurde ganz 
gestrichen. Der Antrag Hammachers auf Herstellung des Ausgangs⸗ 
Zolls für Lumpen wurde mit 14 gegen 12 Stimmen abgelehnt. 
Berlin, 7. Juni. Nach Lage der Geschäfte wird der 
Reichslag vor dem 15. Juli nicht geschlossen werden können, da die 
Berathungen der Zolltatifkommission sich noch sehr lange hinziehen 
werden. Ein früherer Schluß könnte nur dann eintreten, wenn 
allzu große Hitze die Redelust und Redekraft völlig unterdrückte. 
Berlin. Der Kaiser erläßt die partielle Armestie für die 
anläßlich der vorjährigen Attentate wegen Majestätsbeleidigung ver⸗ 
artheilten Personen natürlich nur für Preußen, da das Begnadig⸗ 
ungsrecht den einzelnen deuischen Bandesstaaten zusteht. Wie man 
hört, joll gleichzeiiig mit der von Kaiser zu erlassenden Amnestie 
auch seitens der übrigen deutschen Landesherrn eine solche für gleich⸗ 
artige Verbrechen erfolgen. 
Während man von eisichtlich offiziöser Seite von hier aus 
nach auswärts schreibt, daß die Versuchung schr nahe liege, der 
Botschaft des Czaten, daß er der goldenen Hochzeit Kaiser Wilhelms 
nicht anwobnen werde, eine politische Seite abzugewinnen, welche 
sie indeß keineswegs habe, wenigstens nicht, soweit die Beziehungen 
der beiden Soub räne und der beiden Regierungen zu einander in 
Betracht kommen“, fügt man doch bezeichnend hinzu: „Daß Kaiser 
Alexander aus Gründen der inneren Verhältnisse Rußlands seine 
Anwesenheit in St. Petersburg für so nöthig erachtet, um deshalb 
seine Reise aufzuzeben, wie hie und da behauptet wird, scheint 
ebenfalls eine unrichtige Annahme zu sein; die Enischließung des 
staisers findet ja in der schweren Erkrankunz seiner Schwieger⸗ 
ochter eine ausreichende Vegründung.“ 
Es scheint indeß doch, daß der Ka'ser Alexander anfänglich 
wirklich Willens war, in Berlin zu erscheinen. Von Wien aus 
wird dem „Berl. Tagebl.“ wenigstens von inspirirter Seite sob— 
zende telegraphische Mitiheilung: 
„Die Reise des Kaisers Franz Josef nach Berlin war im 
Prinzip heschlissen und schon avisirt gewesen, als in Wien ein 
Schreiben des Cjars eintraf, welches die Hoffnung aussprach, die 
Berliner Festiage würden Gelegenheit bieten, die durch neuere Er⸗ 
eignisse etwas gelockerten austro⸗russischen Beziehungen wieder fester 
ju nüpfen. — Kaiser Franz Josef answortete zwar höflich, indem 
et versicherie, welchen hohen Werth er auf russische Freundschaft 
ege, — aber die Berliner Reise wurde doch unter einem passenden 
Vorwand alsbald aufgegeben.“ 
.„Demnach al'so scheint das Ausbleiben des einen oder des andern 
zieser fürsilichen Persönlichkeiten doch von volit:schen Erwägungen 
nicht ganz freigeblieben zu sein. 
Rermischtes. 
[81 S. In 4bern, 10. Juni. Morgen feiert Deutschland 
ein hohes Fest. Es begeht das Jubelfest oder die Fier der goldenen 
Hochzeit des Deutschen Kaisers. Da unsere Stadt keinerlei Vor— 
bereitung zu irgend einer allgemeinen Feier dieses Tages getroffen, 
'o ist es um so erfreulicher, daß hiesige Privale beschlossen haben, 
)urch ein öffentliches Gartenfest unserer Bürgerschaft Gelegenheit zu 
zeben, ihre Theilnahme on dem Freudentage des hohen Jubilare zu 
»ezeigen. Indem wir auf die betreffende Anzeige aufmerksam machen, 
aden wir unsere werthen Mitbürger ein, durch reichsten Flaggen⸗ 
chmuck auch unserer Stadt St. Ingbert das Festkleid anzulegen, 
pas einer jeden Deutschen Stadt an diesem Tage gebührt. 
T Die Feier der goldenen Hochzeit Ihrer Moöjest. des Kaisers 
und der Kaiserin wird auch in Pirmasens festlich begangen und 
zreibt das dortige Bürgermeisteramt folgendes Festprogkramm aus 
Vorabend, 10. Juni: Böllerschießen und Glockengeläute — 
Zapfenstieich. Fessttag, Mittwoch 11. Juni: Morgeus 6 Uhr: 
Heusik durch die Straßen der Stadt, Böllerschießen und Glockenge- 
äu:e. Abends 8 Uhr: Festversammlung in den Franz Hartmuth'⸗ 
chen Lolalitäten, wozu die Bürgerschaft eingeladen isi.“ Die Be⸗ 
vohner der Stadt werden gebeten, ihre Häuser fesilich zu beflaggen.“ 
In Kaiserslautern starb am 7. os. Herr RMRusit⸗ 
director A. Maczewslki. 
rOtterberg, 9. Juni. Das Programm zur Feier 
des dreihundertjährigen Stiftungstages der 
zrotestantisch ˖ evangelischen Kirchengemeinde Olterberg am kommenden 
Zonntag den 15. Juni 1879 ist nun festgestellt und laut⸗t 
A. Am Vorabend des Festes: 1. Beleuchtung der Stadt, 2. 
Umzug m'it Musit, 8. Vorverfammlung im Bartten der Bierbrauerei 
»on J. Schuff. Ansprache des Pfarrers C. Reiffel über die Grün— 
»ung und die Geschichte der prot. Krchengemeinde Otterberg. B. 
Um Festtag: 1. Vormittags 6 Uhr Choralmusik, 2. Um 91 Uhr 
lufstellung des Festzugs vor dem Triumphbogen am untern Thor, 
3. Um 10 Uhr Festsottesdienst: a. Choralgesang mit Occhesterbe⸗ 
zle'tung, b. Begtüßung und Ansprache, e. Chorgesang des Lieder⸗ 
ranzes „Der Herr ist mein Hirt“, d. Festpredigt gehalten von 
Pfarrer Heß in Kasseislautern, e. Schlußgebet und Schlußgesang. 
l. Nach dem Goltesdienst Befichtigung der Dekorationen. 5. Nac- 
nittags 3 Uhr Reunion in den Gartenlocalikäten und im Saale 
)es Heusser'schen Bau's. Musikaufführungen und Gesangesvorträge 
vechseln mit Ansprachen ab: a. Ansprache über die Schirmherrn 
)es deutschen Protestantismus schließend mit einem Hoch auf den 
daiser von Deutschland; b. Ansprache über die Beschützer der 
fälzisch protestantijschen Kirche endigend in einem Hoch auf den 
tönig von Bayern; e. Ansprache über die Segnungen der lirch⸗ 
ichen Union ausgehend in ein Hoch auf die unirie Kirche det Pfalz. 
3. Um 8 Uhr Schluß der Fessfeier. 
Hambach, 5. Juni. Daß man mit herumjiehendem 
Bettelvoll kein Muleid haben soll, dürfte folgender Vorfall beweisen. 
Fin Winzer dahier gab einer Bäreaführer⸗Familie Obdach und bald 
aach deren Abuug — heute früh — stand dessen Scheuer und 
Nebe igebäude in helen Flammen. — In der berflossenen Nacht 
vurden einem Weinbergsbesitzer über 700 Rebslöcke derart abge⸗ 
oflückt, daß die Ernte vollständig verloren ist. 
f An der Universiät Erlangen sind im la fenden Som— 
mersemester 436 Studirende imatrikulict gegen 434 im Winterhalb⸗ 
iahre; darunter 138 Theologen, 49 Juristen, 88 Mediziner, 33 
Pharmazeuten, 37 Chemiker, 7 Mathematiker, 9 Philssophen, 30 
Philologen. Die Zahl der Theologie Studirenden hat um 28 zu⸗, 
die aller anderen Fakultäten etwas abgenommen. 
* Muüunchen, 5. Juni. Prinz Luitpold, welcher sich im 
allerhöchsten Auftrage Sr. Maj. des Königs zur Feier der goldenen 
HDochzeit des deutschen Kaiser: Paates nach Berlin begibt, witrd von 
'einen beiden Adjutanten, dem Obersilieutenant Freyschlag v. Freyen⸗ 
tein und dem Premietlieutenant Frhrn. Wolfskeel v. Reichenberg, 
egleitet werden. Der Ministerialrath im Staatsministerium dez 
al. Hauses und des Aeußern, Hr. v. Gombart, ist heute Morgen 
n einem Alter von 54 Jahren gestorben. — Die Studirenden der 
Ausland. 
Paris, 8. Juni. Eine Depesche des „Temps“ aus Con— 
lantine (Algetien) meldet: Der Stamm Uledaud in der Nachdat— 
schaft von Batnaist in völligem Aufruhr. Der Sohn des Kaid 
ind mehrtre Häuptlinge wurden gelödtet. Die in Batna ange⸗ 
ommenen Truppen haben auf dem Marsche viel gelitten. Die 
Bevdllerung von Batna derlangt Gewebte.